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Festgelegt auf einen Job: Warum traut mir keiner was anderes zu?

Festgelegt auf einen Job: Warum traut mir keiner was anderes zu? Mediencoach Attila Albert

Journalistinnen und Journalisten, die sich beruflich verändern wollen, stellen oft fest: Wenn sie Angebote erhalten, dann immer nur für Jobs, die denen ähneln, die sie doch gerade aufgeben wollen. Ansonsten: Keine Chance selbst bei größter Flexibilität. Mediencoach Attila Albert über Wege, das zu überwinden.

Berlin – Seit zwei Jahren bewarb sich die stellvertretende Chefredakteurin eines Lifestyle-Magazins auf jede Position, die sie für sich nur irgendwie vorstellbar fand. Sie hatte Konflikte mit ihrer Vorgesetzten, und die redaktionellen Themen langweilten sie seit langem. Eigentlich wollte sie zurück in den Politikjournalismus, mit dem sie einmal begonnen hatte. Aber auch für PR, Unternehmens- oder Verbandskommunikation war sie offen, sogar für Arbeit im Ausland. Doch sie bekam durchweg nur Absagen. Sollte sie zu einem anderen Lifestyle-Magazin wechseln? Das schien wohl möglich, aber schon die Vorstellung deprimierte sie.

 

Erfahrene Medienprofis, die entschlossen sind, sich beruflich zu verändern, stellen nach einigen Bewerbungen oft frustriert fest: Selbst bei größter Flexibilität gibt ihnen kaum einer eine Chance. Wenn sie Angebote erhalten, dann für Jobs, die denen ähneln, die sie gerade aufgeben wollen. Bei allen anderen kommen Absagen zugunsten von Kandidaten, "die dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle noch genauer entsprechen" oder ähnlichem. Trotz aller modern aufgemachten Stellenanzeigen und "Diversity"-Behauptungen muss man feststellen: Praktisch alle Unternehmen rekrutieren weiterhin sehr konventionell.

 

Wenig Neigung beim HR, etwas zu riskieren

Fast überall werden Bewerber bevorzugt, die ähnliche oder sogar identische Aufgaben und Umfelder bereits kennen, sich bestenfalls eine Hierarchie-Ebene verbessern wollen. Wer damit argumentiert, Kompetenzen aus anderen Tätigkeitsfeldern übertragen zu können, erfährt häufig Skepsis. Es ist meist schon dem HR zu riskant, solche Bewerbungen an die zuständige Fachabteilung weiterzugeben. Eine Ausnahme sind Startups und manche Tech-Unternehmen, die oft gerade branchenfremde Bewerber bevorzugen, die neue Ideen mitbringen und sich in bisher unbekannte Felder einarbeiten können und wollen.

 

Verzweifeln oder aufgeben muss deswegen aber kein Medienprofi. Es ist, wie viele Beispiele zeigen, durchaus möglich, aus seiner Laufbahn auszubrechen und gegen alle Widerstände etwas ganz anderes zu machen. Etwa, um sich noch einmal neu herauszufordern, etwas dazuzulernen oder etwas zu tun, was sich sinnvoller als der jetzige Job anfühlt. Folgende Gedanken können Sie auf diesem Weg unterstützen.

 

  • Richten Sie sich gedanklich und praktisch (z.B. Finanzplanung) auf eine lange, oft frustrierende Suche ein. Man wird meist versuchen, sie beruflich wieder in die Ecke zurückzudrängen, aus der sie gerade auszubrechen wollen. Nicht aus bösem Willen, sondern aus Ideenlosigkeit und Risikoscheu. Sie brauchen also Geduld und Kraft.
  • Seien Sie in Bezug auf mögliche neue Tätigkeiten, Arbeitgeber, Branchen und Arbeitsorte so offen, wie es Ihnen gedanklich und praktisch überhaupt möglich ist. Den Einzelfall werden Sie vor einer Entscheidung sowieso immer noch einmal prüfen und durchdenken. Aber je mehr denkbare Optionen, desto größer Ihre Chance.
  • Legen Sie sich am besten eine Tabelle an, in der Sie Ideen sammeln. Beispielsweise potentielle Arbeitgeber – etwa geordnet nach interessanten Branchen und Orten, die für Sie in Frage kommen. So sehen Sie auch, wo Sie noch Lücken haben und gezielt nach passende Unternehmen und Ansprechpartnern recherchieren könnten.
  • Planen Sie wöchentliche Kontaktpflege (Networking) und Bewerbungen ein. Beides ist entscheidend, sollte also nicht nur gelegentlich passieren – etwa nur bei Lust und Laune, einer außergewöhnlich interessanten Stellenanzeige oder wenn sonst nicht viel los ist. Ein realistisches Maß dafür: Ein bis zwei Stunden pro Woche.
  • Erarbeiten Sie ein persönliches "Markenprofil", vor allem, wenn Sie bisher eher ein Generalist (z.B. Newsroom-Redakteur) sind: Wofür stehen Sie, was unterscheidet Sie von anderen? Die Klarheit darüber erleichtert Ihnen die Eigenwerbung und den direkten Zugang zu Führungskräften, ohne immer über das HR gehen zu müssen.
  • Erinnern Sie sich regelmäßig daran, warum Sie das überhaupt auf sich nehmen. Sie könnten selbstverständlich auch behalten, was Sie haben, oder anderswo eine ähnliche Tätigkeit weiterführen. Der Frust ist der freiwillige Preis dafür, dass Sie sich abseits der konventionellen Pfade umsehen, wirklich etwas ändern wollen.
  • Überlegen Sie sich, ob Sie sich eine bestimmte Frist setzen wollen, wie lange der derzeitige Zustand für Sie anhalten darf. Etwa maximal zwei Jahre, bei hoher Belastung eventuell auch nur einige Monate? Machen Sie einen Plan für den Fall, dass Sie bis dahin keine bessere Stelle finden. Dann Teilzeit, Selbstständigkeit?

 

Häufig begeben sich langjährig angestellte Medienprofis anfangs recht zögerlich in diesen Prozess. Immerhin ist die aktuelle Stelle "nicht so schlecht": Relativ sicher, solide bezahlt, nicht uninteressant. So scheint ein Wechsel fast frivol angesichts der eigentlich immer schwierigen Branchen- und Wirtschaftslage. Je mehr sie sich jedoch damit beschäftigen, umso mehr wird auch der Preis des Dabeibleibens sichtbar und zum Kriterium: Jetzt schon fehlende Lebensqualität, aber auch verpasste Chancen anderswo. Mit jedem praktischen Schritt wächst der Mut, vielleicht doch ein wenig mehr zu wagen, und die Zuversicht, es langfristig auf jeden Fall zu schaffen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Wenn Journalistinnen und Journalisten sicher sind, dass ihr Chef sie hasst

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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