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Ewig unentschlossen: Warum Medienprofis ihren überfälligen Wechsel immer wieder verschieben

Ewig unentschlossen: Warum Medienprofis ihren überfälligen Wechsel immer wieder verschieben Attila Albert

Keiner gibt eine lange Festanstellung oder Selbstständigkeit leichtfertig auf, selbst wenn damit manches im Argen liegt. Die Suche nach einer besseren Alternative braucht auch Zeit. Aber jahrelang kein Ergebnis? Mediencoach Attila Albert über häufige Gründe und Auswege.

Berlin – Mancher Medienprofi hat mir schon vor zehn Jahren gesagt, dass er es in seinem Job „nicht mehr aushält“ und sich „dringend verändern“ müsse. Andere drückten es weniger drastisch aus: „Ich will endlich mal wieder etwas Neues machen“, hieß es dann vielleicht. Oder: „Es reicht mir einfach, war lange genug“. Gleichwohl sind sie geblieben. Haben vielleicht einige Weiterbildungen absolviert, sich im Urlaub wieder etwas erholt, private Veränderungen bewältigt. Gegen Stress und Frust eventuell Elternzeiten und Sabbaticals genommen, Yoga-Retreats gebucht, Rennräder gekauft. Nur eines nie getan: Gewechselt.

 

Natürlich gibt keiner eine lange Festanstellung oder Selbstständigkeit leichtfertig auf, selbst wenn damit manches im Argen liegt. Die Suche nach einer besseren Alternative braucht auch wirklich Zeit. Aber jahrelang kein Ergebnis, obwohl man „schon ewig überlegt, mal etwas anderes zu machen?“ Das hat tiefer liegende Gründe, um die es heute gehen soll. Nicht als Argumentation dafür, nun endlich risikofreudiger zu werden. Das muss jeder für sich entscheiden. Sondern dafür, entweder seinen Frieden am aktuellen Ort zu finden und sich dort zu verbessern –  oder sich endlich gezielt und konsequent zu verändern.

 

Nicht nur Vor- und Nachteile vergleichen

Ewig verschleppte Entscheidungen, zu denen man sich zugleich selbst drängt, sind keine Charakter- oder Willensschwäche. Sondern beruhen meist auf einem Denkfehler: Dem reinen Abwägen von Vorteilen des aktuellen Jobs (z. B. solides Gehalt, sichere Stelle, vertraute Kollegen und Themen) mit den Risiken eines Wechsels (z. B. Probezeit nicht bestehen, sich im neuen Arbeitgeber irren). Solch ein Vergleich führt fast immer zum Ergebnis: „Dann bleib‘ ich doch lieber erstmal.“ Gegen den Frust tröstet man sich mit Konsumausgaben und will dann schon aus finanziellen Gründen nichts riskieren.

 

Im mittleren Alter rechtfertigen manche ihre Passivität auch mit einer gewagten Kalkulation: Würde man Altersteilzeit (ab 55 Jahre) und vorgezogene Rente (ab 63) kombinieren, dürfte man doch schon ab Anfang 50 nur noch abwarten! Das vernachlässigt allerdings die hohen Einbußen für die Altersteilzeit (meist 25 bis 30 Prozent weniger gegenüber dem bisherigen Einkommen) und die vorgezogene Rente (60 bis 70 Prozent weniger). Vor allem aber verschenkt man so ohne Not seine möglicherweise wertvollsten Lebensjahre und die letzten Möglichkeiten, sich noch einmal beruflich auszuprobieren und einzubringen.

 

Prioritäten setzen, nach ihnen handeln

Der Blick in den eigenen Kalender, auf die eigenen Kreditkarten- und Bankauszüge zeigt einem die wahren eigenen Prioritäten. Er relativiert dabei fast immer die beiden häufigsten Ausreden: „keine Zeit“ und „kein Geld“ (z. B., um einen notwendigen Abschluss doch noch nachzuholen, in Teilzeit zu gehen, sich nebenbei selbstständig zu machen). Was wirklich fehlt, ist meist etwas anderes: Ein persönliches Ziel, das so attraktiv ist, dass man dafür seine – immer begrenzten – Ressourcen umschichten würde. Anfangs nur ganz vorsichtig und in bescheidenem Maße, bald aber ermutigt und entschlossener.

 

Wer zögert, weil sein aktueller Job „eigentlich nicht schlecht“ ist, hat damit auch fast immer recht. Nur sollte man sich einen Wechsel sowieso nicht als einen radikalen Abbruch denken, mit dem man alles bisher Erreichte aufgibt. Der Normalfall ist ein überlegter, schrittweiser Übergang: Weiterführen, was einem gefällt (nur an anderer Stelle), dabei verändern, was nicht mehr passt (daher die andere Stelle). Was genau beides für Sie ist, sollten Sie präzise herausarbeiten. Was gefällt Ihnen, was soll anders werden? Etwa in Bezug auf Gehalt, Aufgaben und Themen, Chefs und Kollegen, Firmenklima usw.

 

Häufige Angestellten-Fallen vermeiden

Gerade langjährig angestellte Medienprofis – manchmal 20 oder 30 Jahre im selben Unternehmen – haben einige typische Herausforderungen. Sie erschweren einen Wechsel tatsächlich, müssen aber kein ewiges Hindernis bleiben.

  • Hohe Lebenshaltungskosten: Ein gutes Gehalt ist eine wichtige Anerkennung, aber immer auch die Versuchung, sich damit einzurichten und nur mehr zu wollen. Schon kleine Einsparungen geben Ihnen mehr Freiheit, sich zu bewegen.
  • Anspruchsdenken, das Sie festhält: Jeder will bewahren, was er erreicht hat (z. B. die teure Mietwohnung, einen bestimmten Job-Titel, die lange Vertragslaufzeit). Verhindern Sie aber, deswegen zu erstarren. Werden Sie bewusst mutiger!
  • Selbsttäuschung als Rechtfertigung: Wenn es „im Moment nicht so gut läuft“, der Job „eigentlich nicht schlecht ist“, Sie „erst einmal“ abwarten wollen – werden Sie präzise. Was stört Sie seit wann, was soll genau anders werden, bis wann?
  • An ungünstige Prioritäten gewöhnt: Sie wollten schon lange wechseln. Aber der Partner kommt beruflich nie zurecht, die Kinder wollen ein Jahr ins Ausland, den teuren Urlaub erwarten alle? Hier dürfen Sie einmal mehr an sich denken.
  • Fehlende Routine bei der Jobsuche: Wer sich lange nicht mehr konsequent beworben hat (ca. sechs Bewerbungen pro Monat), ist oft unsicher bei Anschreiben, Lebenslauf, Vorstellungsgesprächen. Lassen Sie sich hier bei Bedarf beraten.
  • Schwaches Profil: Wer Jahrzehnte beim selben Arbeitgeber oder gar im selben Job war, tut sich schwer damit, überzeugend zu vermitteln, trotzdem dynamisch und flexibel zu sein. Hier brauchen Sie für sich eine „Story“, die das vermittelt.

 

Bisherige Ausweichstrategien beenden

Häufig „überlegen“ langjährig angestellte Medienprofis an der falschen Stelle: Nämlich, bevor überhaupt etwas zu entscheiden wäre. Sie denken etwa lange darüber nach, ob Sie sich auf eine bestimmte Stellenanzeige (oder überhaupt) bewerben sollten – anstatt es zuerst einmal zu tun und über ein konkretes Angebot zu entscheiden, wenn Sie es erhalten sollten. Natürlich empfehlen sich keine wahllosen Bewerbungen, sondern nur innerhalb persönlicher Parameter (z. B. Arbeitsort, Tätigkeit, Ebene). Aber eine gewisse Flexibilität und praktische Aktivität braucht es, am besten fest im Kalender eingeplant.

 

Am meisten hilft es den ewig Unentschlossenen, ihre bisherigen Ausweichstrategien zu erkennen und ihnen nicht mehr so häufig nachzugeben. Sie reagieren Frust oder Langeweile auf Twitter und Facebook ab? Öffnen Sie lieber ein Dokument, in dem Sie Ihre Karriere- oder Geschäftsidee einmal aufschreiben. Sie sind gestresst oder erschöpft und planen deshalb ständig den nächsten Urlaub? Investieren Sie lieber in etwas, das das Grundproblem löst (z. B. Karriereberatung, professionelle Unterlagen für den Headhunter). Sie langweilen sich bei den Kantinen-Gesprächen voller Klagen über die Firma und den Chef? Suchen Sie sich Menschen, die Sie wieder begeistern und ermutigen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: 6 Praxistipps, die Journalistinnen und Journalisten jetzt weiterhelfen

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.