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Gehalt & Co: Wie Journalistinnen und Journalisten besser verhandeln

Gehalt & Co: Wie Journalistinnen und Journalisten besser verhandeln Mediencoach Attila Albert

Mehr Gehalt, einen besseren Titel, mehr vertragliche Freiheiten: Vielen Medienprofis fällt Verhandeln schwer. Mediencoach Attila Albert gibt sechs Empfehlungen, um die typischen Fehler zu vermeiden.

Berlin – „Wieso bietet man mir als erfahrenem Redakteur ein Jahresgehalt von 36.000 Euro an, das ich für unverschämt halte?“ – „Darf ich 90.000 Euro und einen besseren Titel verlangen, obwohl ich erst vor zwei Jahren für weniger unterschrieben habe?“ – „Kann ich jeden zweiten Montag frei fordern, damit ich meine Kinder leichter sehen kann?“ Viele Fragen von Medienprofis berühren einen Bereich, der ihnen oft unangenehm ist: Verhandlungen mit ihren Arbeitgeber. Selbst bei bestehenden Tarif- oder Rahmenverträgen wird individuell verhandelt, und zwar von der Bewerbung über die gesamte Zusammenarbeit hinweg.

 

Sechs Überzeugungen scheinen mir besonders wichtig, um dabei erfolgreich zu sein. Sie korrigieren typische Missverständnisse, die mir in meinen Coachings mit Medienprofis immer wieder begegnen. Lassen Sie sich von diesen Empfehlungen für die anstehenden Verhandlungen in Ihrem beruflichen und privaten Leben anregen.

 

1. Erst Angebot haben, dann entscheiden

„Ich überlege, ob ich mich dort bewerben sollte, bin aber nicht sicher...“ Viele Medienprofis verlieren sich in derartigen Grübeleien, die nur unnötig Zeit und Aufmerksamkeit kosten. Der Fehler: In dieser Phase entscheiden Sie sowieso noch nicht, ob Sie die Stelle wirklich annehmen würden. Sie kennen entscheidende Aspekte (z. B. Gehalt, genaue Arbeitsinhalte, Team, Erwartungen) noch gar nicht – geschweige denn, dass Sie ein konkretes Angebot vorliegen hätten. Empfehlung: Wenn Ihnen eine Stellenanzeige oder ein Arbeitgeber interessant erscheinen, probieren Sie es einfach. Bei einer Absage haben Sie die Gewissheit, es zumindest versucht zu habe. Werden Sie eingeladen, können Sie Ihre offenen Fragen klären und, falls Sie wirklich ein Angebot erhalten, danach entscheiden.

 

2. Auch der Arbeitgeber bewirbt sich

„Das Vorstellungsgespräch war eine Katastrophe! Furchtbare Atmosphäre, oder habe ich es vermasselt?“ Manche Medienprofis erleben die erste Begegnung mit einem potentiellen neuen Arbeitgeber als Fiasko. Der Fehler: Die Situation vor allem danach zu beurteilen, ob Sie etwas falsch gemacht haben, weil Sie die Stelle wirklich wollen oder brauchen. Doch der Arbeitgeber stellt sich im Gespräch ebenfalls vor, bewirbt sich auch bei Ihnen. Empfehlung: Lassen Sie die Atmosphäre des Gesprächs auf sich wirken, nehmen Sie Ihr Gefühl ernst. Macht Ihr Gegenüber es Ihnen leicht, Unsicherheiten und Ängste schnell zu überwinden? Können Sie sich zeigen und ausdrücken, wie Sie wirklich sind? Wenn Ihnen schon beim Kennenlernen unwohl ist, ist die Chance hoch, dass Sie nicht zueinander passen.

 

3. Ohne Alternative kein Verhandeln

„Kann ich mehr verlangen oder schade ich mir damit? Andere würden doch sicher auch für weniger hier arbeiten.“ Sowohl bei Bewerbungen wie bei einem bestehenden Vertrag scheuen sich viele, mehr zu fordern. Mehr Geld, einen besseren Titel, mehr Freiheiten wie z. B. feste freie Tage, wie sie Pendler und alle mit geteiltem Sorgerecht oft brauchen. Der Fehler: Beim Verhandeln in moralischen Kategorien (Dankbarkeit, Gerechtigkeit, Fairness) zu denken. Hier geht es um Angebot und Nachfrage, also um Verhandlungsmacht. Empfehlung: Machen Sie sich klar, dass Sie nur verhandeln können, wenn Sie eine Alternative haben, besser mehrere. Ansonsten müssen Sie alles hinnehmen. Richten Sie also zuerst alle Anstrengungen darauf, sich Alternativen zu schaffen. Etwa durch mehr Netzwerken, Bewerbungen woanders oder eine nebenberufliche Selbstständigkeit.

 

4. Die Probezeit gilt für beide Seiten

„Ich habe Bedenken wegen der Probezeit. Was, wenn ich sie nicht bestehe?“ Die Sorge, eine feste Anstellung aufzugeben und danach vielleicht ganz ohne Arbeit dazustehen, ist verständlich. Der Fehler: Diese Sicht vergisst, dass die Probezeit auch für den Arbeitgeber gilt. Vielleicht wollen Sie gar nicht bleiben! Dass sich der Arbeitgeber in der Probezeit wieder trennt, kommt selten vor, denn er muss den Bewerbungsprozess dann ebenfalls wieder neu beginnen. Empfehlung: Sehen Sie die Probezeit als Praxistest für beide Seiten. Welche Versprechen waren realistisch, welche nicht? Behalten Sie sich die Freiheit, direkt wieder zu gehen, wenn es gar nicht passt. Sinnvoll dafür: Eine finanzielle Reserve für drei bis sechs Monaten, und das lockere Fortführen von Bewerbungen bis zum Ende der Probezeit.

 

5. Sie können immer wieder gehen

„Ich halte es nicht mehr aus! Die Firma macht mich fertig.“ Manche Medienprofis sind vom ersten Tag an unglücklich im neuen Job. Bei anderen entwickelt sich der Wunsch, wieder zu wechseln, nach einigen (oder vielen) Jahren. Der Fehler: Mit der Einstellung zu leben, Sie müssten sich ewig in einem Job quälen. Natürlich hat jeder seine finanzielle Verpflichtungen und praktischen Zwänge. Aber mittelfristig können Sie immer auch etwas anderes finden. Empfehlung: Vergessen Sie nie, dass ein Arbeitsvertrag eine freiwillige Verpflichtung ist, die Sie immer auch wieder beenden können, wenn Sie unglücklich damit sind. Werden Sie in diesem Fall aber wirklich aktiv: Klären Sie, was passt und was Sie stört – und bewerben Sie sich aktiv. Fünf bis zehn Bewerbungen pro Monat sind dafür ein guter Schnitt.

 

6. Netzwerken ist kein Selbstzweck

„Ich müsste mehr an meinem Netzwerk arbeiten. Aber dafür fehlt mir die Zeit, und wenn ich ehrlich bin, auch die Lust.“ Gerade langjährig angestellte Medienprofis kennen vielfach nur wenige in konkurrierende Unternehmen und Formaten (Print, Digital, Radio, TV). Exakt dort aber könnten sie bei Bedarf am ehesten einen neuen Job finden. Der Fehler: Vergessen, dass Netzwerken kein Selbstzweck ist. Sie gehen nicht mit Leuten einen Kaffee trinken, weil Sie gerade nichts zu tun haben. Empfehlung: Legen Sie sich ein Ziel fest (z. B. mehr Leute im Corporate-Publishing-Bereich zu kennen). Identifizieren Sie dafür wichtige Unternehmen, Standorte, Personen. An einem festen Termin, z. B. jeden Freitag nach der Mittagspause, könnten Sie zwei bis vier bestehende und neue Kontakte anrufen bzw. anschreiben.


Falls Sie bisher Hemmungen haben, von anderen etwas zu fordern oder deren Angebote abzulehnen: Erinnern Sie sich daran, wie oft Sie von anderen Absagen und Ablehnungen erhalten haben, mit denen Sie auch klarkommen mussten. Zudem entscheidet Ihr Gegenüber (z. B. der Chefredakteur oder Ressortleiter) sowieso nicht über sein eigenes Geld, sondern Firmenmittel. Möglicherweise verhandelt er eher aus Ehrgeiz hart mit Ihnen, und um zu sehen, wie weit er bei Ihnen kommt. Bleiben Sie also höflich und respektvoll in der Form, aber klar und konsequent in der Sache.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Passt Ihr Arbeitgeber wirklich zu Ihnen?

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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