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Mehr innere Ruhe: So erholen sich Medienprofis, auch wenn viel los ist

Mehr innere Ruhe: So erholen sich Medienprofis, auch wenn viel los ist Attila Albert

Medienprofis sind besonders anfällig für Rastlosigkeit. Sie stehen ständig unter Zeit- und Erfolgsdruck und sind aufwühlenden, oft beunruhigenden Nachrichten ausgesetzt. Umso wichtiger ist Selbstfürsorge. Mediencoach Attila Albert sagt, wie Sie trotz allem ruhig und gelassen leben.

Berlin – Die Redakteurin einer Regionalzeitung konnte sich kaum noch erinnern, wann sie sich zuletzt für längere Zeit entspannt und zuversichtlich gefühlt hatte. Ihr Job stresste und frustrierte sie seit Jahren. Sie hatte gleichzeitig das Gefühl, ihren Partner, die Kinder und sich zu vernachlässigen. So ging sie etwa kaum noch zum Sport oder mit Freundinnen aus. Stattdessen checkte sie selbst abends noch ständig die Nachrichten und scrollte durch LinkedIn, was sie sowohl aufregte wie ermüdete. Sie fand einfach keine Ruhe mehr.

 

Schon berufsbedingt haben Medienprofis ein erhöhtes Risiko für Rastlosigkeit. Das heißt: körperliche und seelische Nervosität, innerliche Anspannung und Erregung. Sie stehen ständig unter Zeit- und Erfolgsdruck und sind aufwühlenden, oft beunruhigenden Nachrichten ausgesetzt. Umso wichtiger ist Selbstfürsorge, und die muss nicht originell oder kompliziert sein, etwa ganz spezielle Methoden umfassen, die gerade modern sind. Sie beginnt damit, die eigene Erholung als lebensnotwendig, damit zwingend festzulegen.

 

Selbstverständlich ist es zuerst wichtig, objektive Überlastung zu erkennen, etwa wegen ständiger Unterbesetzung der Redaktion oder widersprüchlichen Zielvorgaben. Langfristig müssen Sie dafür eine Lösung (z. B. Jobwechsel oder Teilzeit) für sich finden, wenn Sie gesund bleiben wollen. Gleichzeitig können Sie schon jetzt vieles tun, um wieder zur Ruhe zu kommen. Hier einige gedankliche und praktische Anregungen dafür.

 

Erholung wöchentlich einplanen

Erholung beginnt damit, sie zeitlich einzuplanen. Jeder hat vielfältige Verpflichtungen und Wünsche, beruflich wie privat. Der Job kostet Aufmerksamkeit, ebenso Partner und Kinder, wenn vorhanden, Haushalt, Einkäufe und Erledigungen sowieso. Man will zudem Freunde treffen, zum Sport, sich weiterbilden und etwas unternehmen. Wenn Ihre Erholung da nicht immer zuletzt kommen soll, blockieren Sie Termine dafür in Ihrem Kalender.

 

Legen Sie im Wochenplan feste Zeiten fest, die – neben dem Schlaf – Ihrer Erholung dienen. Zum Beispiel: Komplett arbeitsfreier Sonntag (ähnlich dem klassischen Sabbat) plus drei arbeitsfreie Abende unter der Woche, 18 bis 21 Uhr. An einem unternehmen Sie etwas mit dem Partner, an einem etwas mit Freunden, an einem etwas allein. Dazu werktags: 30 Minuten Mittagspause ohne Kollegen und Handy, dafür nach dem Essen kurz rausgehen.

 

Positive Routinen praktizieren

Generell werden Sie schon wissen, was Sie entspannt und beruhigt. Meist sind es kleine, unspektakuläre Routinen, bei denen Sie gar nicht viel machen müssen. Zum Beispiel: ein regelmäßiger Abendspaziergang mit dem Partner, immer zur selben Zeit schlafen gehen, davor eine halbe Stunde lesen. Ihr Berufsleben als Medienprofi ist aufregend und anstrengend, Ihr Privatleben darf für den Ausgleich ruhig und berechenbar sein.

 

Gleichzeitig sollten Sie erkennen, auf welche Art Sie negativ auf Stress reagieren. Beispiele hierfür: zu viel essen oder trinken, den ganzen Abend mit dem Handy spielen (wahlloser Nachrichten-Konsum, Chats, Gaming), endlos Netflix-Serien schauen. Das gibt kaum einer ganz auf. Aber es fällt leichter, wenn Sie z. B. den Partner oder einen Freund bitten, Sie dabei zu unterstützen, Sie etwa zweimal pro Woche zum Sport zu begleiten.

 

Unnötige Konflikte vermeiden

In unserer Wissens- und Informationsgesellschaft erfahren wir von unzähligen Ereignissen, wann und wo sie sich auch abspielen. Häufig betreffen sie uns gar nicht persönlich, wir haben auf sie auch keinen Einfluss, fühlen uns aber trotzdem betroffen. Hier empfiehlt sich: Wählen Sie bewusst aus, womit Sie sich beschäftigen wollen (indem z. B. ständig darüber lesen, darüber diskutieren). Die Zeit und Kraft werden Ihnen woanders fehlen.

 

Ein guter alternativer Ansatz ist, sich ein konkretes Anliegen auszuwählen, für das Sie sich aber mindestens zwei Stunden pro Monat bis maximal zwei Stunden pro Woche im Ehrenamt (Verein, Initiative) praktisch einsetzen wollen. Damit verändern Sie wirklich etwas zum Guten. Unterlassen Sie es dafür, sich alle anderen Sorgen und Probleme der Welt aufzuladen und für etwas verantwortlich zu fühlen, für das Sie es gar nicht sind.

 

Positive Verhaltensweisen üben

Wer ewiger Negativität entkommen will, muss bei sich anfangen. Bemühen Sie sich dafür um ein positives Auftreten. Auch das ist nicht schwierig: Gehen Sie höflich, respektvoll und freundlich mit anderen um. Sehen Sie empathisch über Schwächen hinweg, verzeihen Sie Fehler großzügig. Vermeiden Sie einen harschen, vorwurfsvollen oder schnippischen Ton, ständiges Kritisieren und Streiten. Damit wird auch Ihr eigenes Leben ruhiger.

 

Mit Beschönigung hat das nichts zu tun, sondern eher mit der persönlichen Einstellung zum Leben und Ihren Mitmenschen: Womit – und mit wem – wollen Sie sich vor allem beschäftigen und welche Wirkung wird das auf Sie und andere haben? Wenn bestimmte Menschen (z. B. Chef, Kollegen) Sie ständig ärgern und Ihnen kritikwürdig erscheinen, sollten Sie sich von ihnen trennen oder Ihre Einstellung zu Ihnen ändern.

 

Ärgernisse möglichst reduzieren

Überdenkt man generell den eigenen Alltag, sind es oft gar nicht dramatische Einzelfälle, die besonders belasten, sondern ärgerliche Kleinigkeiten, die sich wiederholen. Versuchen Sie, diese zu reduziereren, wo es nur geht. Überlegen Sie, was Sie stört und sich ändern oder abstellen ließen. Notieren Sie sich am besten fortlaufend auf einer Liste, was Sie immer wieder nervt und belastet. So können Sie das schrittweise angehen, wie es passt.

 

Ich habe beispielsweise meine Twitter- und Instagram-Konten gelöscht, weil mich beide Plattformen auf unterschiedliche Art auslaugen und ihr Nutzen das für mich nicht aufwiegt. Ich lösche auch alle Handy-Apps, die unerwünschte Benachrichtigungen senden, und habe weniger als fünf Newsletter abonniert. Als Kunde wähle ich Unternehmen (z. B. Bank), die mich nicht in Callcenter oder komplizierte Vertragsmodelle zwingen.

 

Akzeptieren, was nicht zu ändern ist

Trotz aller Bemühungen wird das Leben nie perfekt. Wer nur innere Ruhe finden kann, wenn es keine Probleme und schwierige Menschen mehr gibt, wird niemals glücklich und zufrieden sein. Ein gewisser Grad an Akzeptanz gehört also dazu: Anerkennen, was sich nicht ändern lässt – oder sehr viel Zeit brauchen wird, eventuell mehr, als Ihr eigenes Leben umfasst. Aber auch die Einsicht, dass vieles langfristig gar nicht so bedeutsam ist.

 

Gelassenheit bedeutet, sich nicht über alles den Kopf zu zerbrechen, ob Sie etwa wirklich richtig essen, in der Partnerschaft oder bei der Kindererziehung ja keinen Fehler machen oder ständig (vermeintlich) einen Beitrag zur Rettung des Planeten leisten. Sondern einige Schwerpunkte zu setzen, das Machbare zu erledigen, dann aber loslassen und darauf vertrauen, dass es nie allein an Ihnen hängt. So erholen und stärken Sie sich und können die nächsten Herausforderungen gedanklich klar und ruhig angehen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Beruflich überlastet

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.