Journalismus
B.Ü.

"Lügenpresse"-Vorwürfe: "Zeit"-Chefredakteur will mit Transparenz und Selbstkritik gegenhalten

"Lügenpresse"-Vorwürfe: "Zeit"-Chefredakteur will mit Transparenz und Selbstkritik gegenhalten Giovanni di Lorenzo. Foto: ifp/Felix Sturm

Mehr Aufklärung über die Arbeit der Medien und mehr Vielfalt in den Redaktionen hat "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo beim Görres-Abend in der katholischen Journalistenschule ifp in München gefordert.

München - In seinem Vortrag mit dem Titel "Wider den Vorwurf der Lügenpresse: Was heute Medienethik sein könnte" setzte sich di Lorenzo vor über 120 Gästen mit der gegenwärtigen Medienkritik auseinander. Der Journalismus in Deutschland gehöre zwar zur "unabhängigsten der Welt" und ermögliche eine "noch nie dagewesene Meinungsvielfalt", erklärte der Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit".


Zugleich aber hätten die Medien selbst zum Vertrauensverlust in Teilen der Bevölkerung beigetragen. Die Art mancher Skandalberichterstattung der letzten Jahre komme einer Verurteilung gleich und stelle eine "Neuauflage des mittelalterlichen Prangers" dar, kritisierte er und nannte als Beispiel den Sturz von Bundespräsidenten Christian Wulff 2012. Misstrauen und Häme, die Medien gesät hätten, fielen auf sie selbst zurück. "Wir sollten uns dringender denn je fragen, welche Rolle wir Journalisten in der Gesellschaft spielen wollen", sagte Giovanni di Lorenzo. "Wir dürfen das einmal in uns gesetzte Vertrauen nicht verspielen."


Der Journalist beklagte eine "Tendenz zum Gleichklang" in der deutschen Medienlandschaft. Eine Ursache erkenne er darin, dass viele Redaktionen zu ähnlich sozialisiert seien. Neue Mitarbeiter würden oft danach ausgesucht, ob sie zum vorhanden Redaktionsteam passten. Dem Vertrauensverlust sollten die Medien dadurch begegnen, dass sich Journalisten für Fehler entschuldigten. "Um unser Verhältnis zum verunsicherten und skeptischen Teil der Bevölkerung dauerhaft zu bessern, sind kleine Schritte nötig. Wir sollten mit den Skeptikern sprechen, wir sollten die Zweifler mit Transparenz überzeugen", sagte di Lorenzo. Er warb zugleich für eine hochwertige Ausbildung von Journalisten, die sich an einer Haltung und der Kenntnis journalistischer Darstellungsformen orientiere. "Qualitätsjournalismus muss die Menschen dazu befähigen, sich ihr eigenes Urteil bilden zu können", stellt di Lorenzo in der katholischen Journalistenschule fest.

 

Hintergrund: Görres-Abend


Mit dem Görres-Abend erinnert die katholische Journalistenschule ifp zusammen mit der Görres-Gesellschaft an den katholischen Journalisten und Lehrer Joseph Görres (1776 - 1848). Der von ihm gegründete Rheinische Merkur war eine der einflussreichsten Zeitungen seiner Zeit. Die letzte Ruhestätte fand Görrres auf dem Alten Südlichen Friedhof in München. Wenige Meter entfernt lernen heute jungen Frauen und Männer im ifp den Beruf des Journalisten. (B.Ü.)