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Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann: "Hyperlokaler Journalismus hat Zukunft"

Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann: "Hyperlokaler Journalismus hat Zukunft" Christian Vollmann

Auf globaler Ebene hat Journalismus heute keine Chance mehr, dafür aber auf hyperlokaler Ebene. Das sagt Nebenan.de-Gründer Christian Vollmann. Von Maria Segat.

Nürnberg - Beim 24. Forum Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit den Nürnberger Nachrichten vom 20. bis 22. Juni in Nürnberg berichtet Christian Vollmann, welche Chance das Lokale in der immer globaler werdenden Welt auch für lokale Tageszeitungen bringt.


Ihre Plattform nebenan.de verbindet Menschen mit ihrer Nachbarschaft. Könnte man nicht auch einfach beim Nachbarn klingeln?


Christian Vollmann: Das ist absolut richtig, aber die Wahrheit ist, dass das kaum noch jemand macht. Letztlich haben wir ein digitales Werkzeug gebaut, das diese Hemmschwelle senkt: Es fällt uns leichter, in ein digitales Tool zu schreiben “Kann mir jemand eine Bohrmaschine leihen?”, weil dann niemand Nein sagen muss, sondern sich eben nur die Leute melden, die mir gerne ihre Bohrmaschine leihen.


Mit ihrem Fokus auf nachbarschaftliche Gemeinschaft scheinen Sie einen Nerv zu treffen – pro Monat registrieren sich etwa 50.000 neue Nutzer. Ist das Lokale in einer immer globaler werdenden Welt der wichtigste Bezugspunkt?


Christian Vollmann: Wir sind da tatsächlich am Zeitgeist dran, der wohl durch viele Faktoren begründet ist: demographischer Wandel, Urbanisierung, Kommerzialisierung, steigende Mieten und das alles in einer Zeit, in der Spannungen durch die Filterblasen auf Facebook und co. immer weiter verschärft werden. Da erinnern sich die Leute plötzlich zurück, dass man gemeinsam doch auch vieles ohne Geld lösen kann. Wir glauben daran, dass die Vernetzung auf hyperlokaler Ebene den Zusammenhalt der Gesellschaft als Ganzes stärken kann.


Sehen Sie im hyperlokalen Fokus auch eine Chance für den Journalismus?

 

Christian Vollmann: Ich glaube sehr stark daran, dass die Zukunft des Journalismus im Lokalen liegt, denn auf globaler Ebene ist er in meinen Augen mehr oder weniger austauschbar geworden. Die Geschichten, die die Menschen bewegen, finden in ihrem direkten Umfeld statt.


Sie verstehen ihr lokales Netzwerk auch als Gegenspieler zum globalen Player Facebook. Der ist für viele Medien heute einer der wichtigsten Ausspielkanäle.

 

Christian Vollmann: Das Problem bei solchen Netzwerken liegt ja darin, dass sie Extrempositionen belohnen. Also: Wer am lautesten schreit, bekommt man meisten Reichweite, mit allen negativen Konsequenzen – Stichwort Fake News. Für den Journalismus ist es eine große Gefahr, sich darauf einzulassen.

 

Sie wollen Ihr Nachbarschaftsnetzwerk bald monetariseren. Dann kann der Bäcker von nebenan seine Kundschaft direkt zu erreichen. Besetzen Sie da eine Lücke, die die lokalen Tageszeitungen hinterlassen haben?

 

Christian Vollmann: Ja, im Grunde schon. Zur Nachbarschaft gehören eben auch die Gewerbetreibenden. Das wollen wir nutzen und ihnen anbieten, ihr Einzugsgebiet ohne Streuverlust zu erreichen: In der Tat etwas, das früher in Lokalzeitungen stattgefunden hat.


Wenn sich die Anzeigen, wie auch Sie erwarten, also weiter ins Digitale verlagern – wie wird also der lokale Journalismus, an dessen Zukunft Sie so fest glauben, wirtschaftlich bleiben?

 

Christian Vollmann: Das ist wohl die Frage nach dem Heiligen Gral. Wenn man nicht massiv umdenkt, wird es glaube ich schwierig, langfristig zu überleben. Ich plädiere dafür, Dinge einfach auszuprobieren, auch wenn nicht alles klappt. Aber wir suchen selber ja noch nach unserem Modell, deswegen bin ich schwerlich in der Situation, Ratschläge zu erteilen.


Lesen Sie Zeitung?

 

Christian Vollmann: Ich hatte lange die Süddeutsche Zeitung abonniert, aber die Zeiten sind vorbei. Natürlich lese ich heute viel die Start-Up-Presse. Meine Eltern lesen außerdem die Erlanger Nachrichten, da schaue ich gerne rein, wenn ich mal Zuhause bin. Aber für eine gedruckte Tageszeitung fehlt mir einfach die Zeit.

 

Newsroom.de-Tipp: Der Vortrag von Christian Vollmann beim 24. Forum Lokaljournalismus am Donnerstag, 21. Juni 2018, wird ab 14.30 Uhr live dokumentiert auf blog.drehscheibe.org/  und auf Twitter #FoLoJo18.

 

Zur Person: Christian Vollmann ist Unternehmer und arbeitet seit 1999 im digitalen Umfeld. Er hat mehrere Internetunternehmen selbst gegründet (iLove, MyVideo, eDarling) bzw. als Business Angel mitgeholfen, diese aufzubauen (z.B. ResearchGate, Trivago, StudiVZ, Code University). Insgesamt war er seit 2005 an mehr als 75 Gründungen beteiligt. Vom Business Angel Netzwerk Deutschland wurde er dafür zum Business Angel des Jahres 2017 gekürt. 

Aktuell gründet Vollmann mit Nebenan.de ein soziales Netzwerk für Nachbarn. Dort vernetzen sich bereits mehr als 800.000 Nachbarn in 6.000 Nachbarschaften in ganz Deutschland. In Frankreich ist das Unternehmen mit MesVoisins.fr ebenfalls Marktführer. (B.Ü.)

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