Journalismus
Wirtschaftsjournalist:in

"Wir brauchen keine Scoops"

"Wir brauchen keine Scoops" Claus Döring steht für einen anderen Journalismus.

Fast sein ganzes Berufsleben hat Claus Döring bei der „Börsen-Zeitung“ verbracht. 21 Jahre lang war er ihr Chefredakteur. Spekulationen und sensationsheischende Schlagzeilen sind ihm ein Gräuel. Jetzt wurde der 64-Jährige vom Branchenmagazin "Wirtschaftsjournalist:in" für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Herzlichen Glückwunsch zur Auszeichnung für Ihr Lebenswerk. Sie haben bei der „Börsen-Zeitung“ die Chefredaktion abgegeben, sind aber noch Kolumnist und moderieren Veranstaltungen. Klingt so, als ob diese Auszeichnung für Sie zum richtigen Zeitpunkt kommt.

 
Claus Döring: Auszeichnungen kommen immer zum richtigen Zeitpunkt. (lacht) Aber Spaß beiseite: Es kommt darauf an, wofür man ausgezeichnet wird. Mein journalistisches Leben ist noch nicht zu Ende, insofern hätten Sie sich mit der Auszeichnung auch noch Zeit lassen können. Aber die Verantwortung für eine Zeitung und für eine Redaktion liegt ­hinter mir. Insofern lässt sich auch das „­Lebenswerk“ einschätzen.

Abgesehen von den ersten fünf Jahren bei der „Rheinpfalz“ haben Sie Ihr ganzes Berufsleben bei der „Börsen-Zeitung“ verbracht. Warum wollten Sie nie wechseln?

Weil ich bei der „Börsen-Zeitung“ sehr schnell Verantwortung und immer wieder neue Aufgaben übernehmen konnte. Und als Chefredakteur hatte ich Gestaltungsmöglichkeiten und genoss eine Unabhängigkeit, die ich bei anderen größeren Verlagen wohl nicht gehabt hätte. Ob man als Chefredakteur Spaß an der Arbeit hat und gerne bleibt, hängt auch immer von den Gesellschaftern und der Verlagsführung ab.

21 Jahre waren Sie Chefredakteur – von 2000 bis 2021. Welche waren die wichtigsten Jahre?

Das waren die ersten Jahre des Jahrtausends, die uns politisch die Einführung des Euro und dessen Bewährungsprobe brachten. Und an den Kapitalmärkten gab es in Deutschland den „Neuen Markt“ mit einem Boom an Börsengängen und einem nicht weniger spektakulären Platzen dieser Blase. Ebenso wichtig waren die Jahre 2007 und 2008 mit der Finanzkrise, insbesondere der Lehman-Pleite, und der nachfolgenden Eurokrise. Ja und zum Schluss meiner Amtszeit kam dann noch die Covid-Pandemie. Die brachte uns viele neue Themen, erforderte aber auch eine Neuorganisation unserer täglichen Arbeit. In der Anfangsphase waren ja praktisch alle im Homeoffice, auch die komplette Redaktion. Und die „Börsen-Zeitung“ ist trotzdem jeden Tag erschienen, nicht nur online, sondern auch gedruckt in vollem Umfang.

Was war die wichtigste Geschichte Ihres Lebens?

Da gab es nicht „die“ Geschichte, die alles überstrahlt hätte. Ich war ja auch nicht Chefreporter, sondern Chefredakteur. Für mich waren gute Geschichten der Redaktionskolleg(inn)en genauso wichtig wie die eigenen.
 
Was ist die beste Geschichte, die Sie je geschrieben haben?

Ich habe da kein Ranking. Am Ende zählt auch nicht die eigene Wahrnehmung, sondern die der Leser.

„Was bei uns steht, stimmt auch“, lautet ein Credo, das Sie geprägt haben. Unfehlbar wie der Papst aber waren Sie vermutlich dann doch nicht. Jetzt können Sie es ja verraten: Was war Ihr größter Fehler?

Fehler werden Sie auch in der „Börsen-Zeitung“ finden, vermutlich jeden Tag. Das Zitat will sagen, dass wir uns bei der „Börsen-Zeitung“ in der Berichterstattung an Fakten halten und keine Spekulationen als Tatsachen verbreiten. Dass wir Sachverhalte genau recherchieren und im Zweifel lieber von einer Veröffentlichung absehen. Als „Arbeitsmittel“ der Entscheider in der Finanzbranche steht die Verlässlichkeit unserer Inhalte ganz oben.
 
Und Ihre Fehler?

Da handelt es sich nicht um falsche Geschichten oder Berichte, sondern um Fehleinschätzungen – die aber natürlich in Kommentaren ihren Niederschlag fanden. Zum Beispiel war ich von der strategischen Sinnhaftigkeit der Daimler-Chrysler-Fusion überzeugt – am Ende war es ein Flop. Falsch eingeschätzt habe ich auch die Hürden von Bayer bei der Monsanto-Übernahme. Und unterschätzt habe ich auch die Politisierung der Europäischen Zentralbank über die Jahre. Sonst hätte ich die Euro-Einführung seinerzeit etwas kritischer gesehen.


Das komplette Interview von Wolfgang Messner mit Claus Döring lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Magazins "Wirtschaftsjournalst:in".