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BR-Intendant: „Noch im Prozess der Überlegungen“ − dritte Amtszeit?

Für den Bayerischen Rundfunk stehen im zweiten Halbjahr große Weichenstellungen an. Kandidiert Intendant Ulrich Wilhelm erneut? Steigt der Rundfunkbeitrag? Wie verteilen sich die Einsparungen bei den Öffentlich-Rechtlichen zwischen ARD und Landesanstalten?

München (dpa) − Der Bayerische Rundfunk steckt im Umbruch: digitaler Wandel, Sparzwänge, personelle Fragen. Die zweite Amtszeit von Intendant Ulrich Wilhelm neigt sich dem Ende zu. Fortsetzung offen.

 

Die vergangenen zwei Jahre als ARD-Vorsitzender haben Zeit und Kraft gebunden. Was müssen Sie nun mit voller Energie als Intendant für den Bayerischen Rundfunk (BR) angehen?

Ulrich Wilhelm: Am meisten Aufmerksamkeit wird weiterhin die Digitalisierung fordern, die jetzt durch Corona noch einmal einen gewaltigen Schub erlebt hat. Dass wir den Menschen in allen Lebenslagen auf allen Geräten hochwertige Angebote des BR zur Verfügung stellen, das ist eine Daueraufgabe. 

 

Stichwort Daueraufgabe − im Januar 2021 endet Ihre zweite Amtszeit als BR-Intendant. Streben Sie eine dritte an?

Ich bin noch im Prozess der Überlegungen. Zehn Jahre in einem öffentlichen Amt sind immer eine lange Zeit. Auf der anderen Seite ist die Aufgabe nach wie vor hochspannend, und sie erfüllt mich mit großer Freude. Hier muss ich genau abwägen und zu einer Entscheidung kommen.

 

Und wieviel Zeit bleibt noch für diese Überlegungen?

Ich gehe davon aus, über den Sommer bis zur Sitzung des Rundfunkrats im Oktober. Das entspräche zeitlich dem, was auch in anderen Anstalten üblich ist.

 

Der Rundfunkbeitrag soll nach einer Empfehlung, der die Länder noch zustimmen müssen, zum nächsten Jahr steigen, erstmals seit 2009. Von heute 17,50 auf 18,36 Euro monatlich. Die Öffentlich-Rechtlichen müssen dennoch sparen. Im ARD-Programm oder bei den Länderanstalten?

Wir werden dies in beiden Feldern tun müssen, weil die Teuerungsrate nicht ausgeglichen wird, auch wenn 2021 eine Beitragserhöhung kommt. Ich selber trete auch in Zukunft nicht für eine einseitige Einsparung bei den gemeinsamen Programmen ein, sondern für einen Gleichklang, also dass wir bei regionalen wie bei nationalen Angeboten gleichermaßen sparen. Anders ist die Last für viele Sender nicht zu bewältigen. Wir werden das aber nur einstimmig entscheiden können. Und diese Beschlüsse stehen im späten Sommer an.

 

Konkret: Wo muss bei der ARD gespart werden und wo beim BR?

Das wird bei der ARD viele Etats betreffen: Alles wird auf dem Prüfstand stehen, die Gemeinschaftsaufgaben, die Film-Tochter Degeto, die Sportrechte. Aber umgekehrt geht es auch nicht ohne eine Reihe von Kürzungen in den dritten Programmen, im Hörfunk, bei den Klangkörpern, bei dem vom BR allein finanzierten Bildungskanal ARD-alpha. Wir haben beim BR seit Jahren überproportional bei Verwaltung und Technik gespart und Tarifabschlüsse unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes verhandelt. Bis zuletzt haben wir versucht, das Programm zu schonen. Das kommt nun an seine Grenze. 

 

Wann fallen dazu die Entscheidungen?

Wir werden das für den BR erst bis zur Dezembersitzung des Rundfunkrats ausarbeiten können. Ich sehe den Schwerpunkt der Kürzungen eher in den Jahren 2022 bis 2024. Wegen der Abstimmungen in den Landtagen werden wir wohl erst im Dezember Klarheit zur Beitragserhöhung haben. Das Jahr 2021 wird sicher auch noch von den Auswirkungen von Corona geprägt sein. 

 

Eine wichtige Entscheidung steht für das weltweit renommierte BR-Symphonieorchester an. Nach dem Tod von Chefdirigent Mariss Jansons im Dezember suchen Sie einen Nachfolger. Wer wird es?

In der Liga der Spitzendirigenten gibt es bei jeder Verpflichtung einen erheblichen Vorlauf. Das war seinerzeit auch bei Mariss Jansons so. Mir ist eine sorgfältige interne Abstimmung mit den Musikern des Symphonieorchesters wichtig. In der Zeit der Vakanz laden wir spannende Gast-Dirigenten ein. Unser Symphonieorchester hat beste Referenzen in der ganzen Welt − viele wollen hier dirigieren. Durch die Pandemie kamen viele Konzerte nun leider nicht zustande. 

 

Ab wann könnte es wieder einen Chefdirigenten geben?

Dirigenten von Weltrang sind meist langfristig gebunden und können daher nicht kurzfristig wechseln. Ich gehe aber davon aus, dass im Laufe der nächsten zwölf Monate eine Entscheidung gelingt. Dann haben wir eine klare Perspektive bis zum Vertragsbeginn.

 

Was wird durch Corona in Gesellschaft und Medien anders?

Es hat sich bewahrheitet, dass nicht immer der Markt allein gerechte Lösungen schafft. Ich erwarte eine Renaissance öffentlicher Güter und der Rolle des Staates. Dazu gehört auch, dass wir uns bei der digitalen Infrastruktur eine reine Abhängigkeit von US-Plattformen nicht leisten können. Das ist Daseinsvorsorge − so wie öffentliche Straßen und Schulen. 

 

Was erwarten Sie hier von Berlin und besonders von der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im zweiten Halbjahr?

Ich erhoffe mir, dass die Bundesregierung für Denkanstöße offen ist. Sie passen hervorragend zur Merkel-Macron-Initiative. Wir werden in den nächsten Wochen ein Papier mehrerer Institutionen vorlegen − unter anderem aus Medien, Technologie, Infrastruktur, aber auch aus der Wissenschaft. Die entscheidende Frage ist: Nimmt Europa den Kampf überhaupt auf? Aus meiner Sicht brauchen wir europäische digitale Souveränität gerade jetzt.

 

ZUR PERSON: Der gebürtige Münchner Ulrich Wilhelm (58) ist seit 2011 BR-Intendant. Neben Bayern ist Berlin für ihn zur zweiten Heimat geworden. Der Jurist und Journalist war vor dem Wechsel an die BR-Spitze Regierungssprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).