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PR Report

Fünf Thesen zum PR-Arbeitsmarkt 2022

Fünf Thesen zum PR-Arbeitsmarkt 2022 Thomas Lüdeke ist auf die Vermittlung von PR-Jobs spezialisiert.

Personalberater Thomas Lüdeke (PRCC) über überzogene Erwartungen, Altersdiskriminierung und die Flucht in die Selbstständigkeit. Was PR-Einsteiger wissen müssen.

1. Viel Bewegung im Markt
Fakt ist: Es gibt so viele offene Stellen in Kommunikation und Marketing wie selten zuvor – und zwar auf allen Ebenen, in Unternehmen wie in Agenturen. Und das im gesamten deutschsprachigen Raum. Und es gibt ebenso viele Kandidatinnen und Kandidaten, die einem Wechsel aufgeschlossen gegenüberstehen, teilweise befeuert durch Corona-bedingte Umstrukturierungen, teilweise aber auch ganz freiwillig.
 
Was uns das Leben als Headhunter in der Theorie einfacher machen müsste, erschwert es aber paradoxerweise in der Praxis. Beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – gucken eher, ob sich nicht doch noch was Besseres findet. Beide Seiten haben Erwartungen, die sich auf dem Papier oft decken, aber in der Realität meilenweit auseinander liegen.
 
Beispiel: Flexibilität. Arbeitnehmer haben Homeoffice-Regelungen lieb gewonnen. Und sind wir ehrlich: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es hybrid funktioniert. Was sich anfangs wie ein großes Experiment angefühlt hat, ist inzwischen (in den meisten Fällen) souveräne Routine. Arbeitgeber hingegen verstehen unter Flexibilität leider immer noch häufig, dass man flexibel genug sein muss, jeden Tag ins Büro zu kommen.
 
Wir raten beiden Seiten, offen zu bleiben und immer im Hinterkopf zu haben: Den perfekten Job gibt es ebensowenig wie den perfekten Kandidaten oder die perfekte Kandidatin. Und manchmal entwickeln sich aus Konstellationen, die anfangs nicht nach einem idealen Match aussahen, am Ende die besten Arbeitsverhältnisse.
 
2. Change bleibt Dauerzustand
Wer immer noch glaubt, dass sein heutiger Job in der Kommunikation oder im Marketing in fünf Jahren noch der gleiche ist, sollte sich warm anziehen. Blicken wir von heute aus fünf Jahre zurück, hat sich die Branche so stark entwickelt, dass wir gar nicht wüssten, wo wir mit der Auflistung anfangen sollen – und diese Dynamik wird uns erhalten bleiben.
 
Unter den zahlreichen Entwicklungen ist glücklicherweise auch die, dass die Wertschätzung guter Kommunikation zunimmt. Heute werden nicht mehr Low-Performer in die Kommunikation versetzt, „weil man da nicht viel kaputt machen kann“. Heute werden Kommunikations-Profis und High Potentials eingestellt, um das Beste herauszuholen und Reputation abzusichern.
 
Bestes Beispiel für das Umdenken in der Führungs-Etage: CEO-Kommunikation. Früher häufig belächelt, gehört es inzwischen zu den standardmäßigen Anforderungen. Und auch die interne Kommunikation, in der Vergangenheit insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen oft als unnötig abgetan, ist spätestens im Aufwind, seit mobiles Arbeiten das neue Normal ist.
 
Wir empfehlen, einen groben Master-Plan im Kopf zu haben (der aber nicht in Stein gemeißelt sein sollte). Ein Mix an Aktivitäten führt meistens zum größten Erfolg: hochwertige Weiterbildungen, Peer-to-peer-learning im eigenen Netzwerk, Selbststudium und natürlich Ausprobieren.
 
3. Jung, wild und digital?
Mit einem gewissen Erstaunen sehen wir nahezu täglich, dass in mancher Kommunikationsabteilung ein Großteil der etablierten Teams durch jüngere (und vermeintlich digitalere) Kolleginnen und Kollegen ersetzt wird. Die pauschale Verurteilung erfahrener Leute als nicht digitalaffin ist gefährlich – und in vielen Fällen schlicht falsch. Manch ein jüngerer hat größere digitale Defizite als ältere Kollegen.
 
Was aber noch viel wichtiger ist: Von der reinen Umsetzung im Tagesgeschäft mal abgesehen, muss digitales Know-How im Unternehmenskontext etabliert werden. Und genau dabei bringen seniorigere Kolleginnen und Kollegen oft einfach den umfassenderen Weitblick und die Diplomatie der Erfahrung mit. Denn der beste Impuls verebbt, wenn er nicht in die Gesamtstrategie des Unternehmens passt und/oder nicht in der richtigen Form bei den Entscheiderinnen und Entscheidern präsentiert wird. Wie so oft im Leben gilt, dass der Mittelweg zum Ziel führt.
 
Ältere Semester pauschal als zu analog und zu teuer abzustempeln, bringt genauso wenig wie das vorschnelle Einstellen junger, kostengünstiger Kandidatinnen und Kandidaten ohne nennenswerte Berufserfahrung. Wer genau hinguckt und Klischees außer Acht lässt, wird bei der Zusammenstellung eines schlagkräftigen Teams die besten Karten haben.
 
4. Viele gute Leute gehen in die Selbständigkeit
Was früher oft als Überbrückung zwischen Arbeitsverhältnissen diente, wird zunehmend zur bevorzugten Arbeitsweise: Interims-Mandate und Freelancer-Einsätze. Immer mehr Kommunikations-Profis gehen bewusst den Weg in die Selbständigkeit, um von den Chancen und Vorteilen zu profitieren, die sich für Freiberufler am Markt ergeben – auf Top-Ebene ebenso wie auf Expertenlevel.
 
Dem Arbeitsmarkt stehen sie als potenzielle Angestellte damit nicht mehr zur Verfügung. In der Konsequenz verschärft sich der viel zitierte Kampf um die Köpfe so noch weiter, denn die meisten Unternehmen bevorzugen nach wie vor Festanstellungen.
 
Wir raten Freiberuflern oft, sich bietende Joboptionen gewissenhaft zu durchdenken. Maximale Flexibilität und das Arbeiten auf eigene Rechnung haben unbestritten ihren Charme. Akquise, finanzielle Unsicherheiten und ein fehlendes Team sind Faktoren der Solo-Selbständigkeit, die auf die Dauer auch ermüden können. Eine spannende Joboption sollte also nicht per se abgelehnt werden, nur weil es sich um eine Festanstellung handelt.
 
Auf der anderen Seite sollten Unternehmen offen sein für die Kompetenzen und Kapazitäten von Freiberuflern. Oft bringen sie die nötigen Impulse von außen, um wirklich etwas zu erreichen und bei temporären personellen Engpässen können Freelancer sehr erfolgreich zur Entlastung des Stammpersonals beitragen. Letztlich gilt auch hier: Die Mischung macht es, will man die Leistungsfähigkeit einer Abteilung beispielsweise auch bei Ausfällen oder Nachbesetzungsproblemen nicht verlieren.
 
5. Diversität ist allgegenwärtig – und wichtig
Am Thema Diversität scheiden sich die Geister. Die einen halten die Diskussion für komplett überflüssig, denn „am Ende geht es ja um Kompetenz, egal, wer sie mitbringt“. Darüber besteht wohl kaum ein Zweifel, aber, so sagen die anderen, an vielen Stellen ist dieser Wunsch-Zustand eben noch lange nicht erreicht.
 
In der Kommunikation hat schon vor Jahren der Blick in die Studiengruppen gezeigt: Die Branche ist weiblich dominiert. Und während so manches Unternehmen auf der operativen Ebene (unfreiwillig) rein weibliche Kommunikations-Teams beschäftigt und gern auch mal männliche Verstärkung einstellen würde, sind die Führungsetagen doch lange ein reiner Männer-Club gewesen.
 
Dass die Debatte Früchte trägt, zeigt sich im Dax: Mittlerweile sind immerhin 19 – und damit fast 50 Prozent – der Kommunikations-Verantwortlichen weiblich. Und auch in der „zweite Reihe“ tragen zunehmend Frauen die Verantwortung.
 
Unabhängig von der Frage des Geschlechts würde aber manch einem Unternehmen grundsätzlich mehr Offenheit für Diversität auch in anderen Bereichen guttun, etwa in der Frage des Ausbildungshintergrundes. Je nach Branche darf sich unserer Ansicht nach auch gerne auch mal jemand mit natur- oder betriebswissenschaftlichem Hintergrund in die Kommunikation „verirren“ – womit vermutlich auch automatisch ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis erreicht werden würde.
 
Autor: Thomas Lüdeke ist Managing Partner bei der PRCC Personalberatung. Das Unternehmen ist auf die Vermittlung von PR-Jobs spezialisiert.
 
Dieser Beitrag ist zuerst bei prreport.de erschienen. Exklusive und aktuelle Nachrichten aus der Kommunikationsszene gibt es jeden Mittwoch und Freitag als Newsletter. Kostenlos abonnieren unter http://www.prreport.de/newsletter/


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