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„Anlass zur Besorgnis“: Bundesregierung kritisiert Drohungen gegen Türkei-Korrespondenten Hasnain Kazim

Die Bundesregierung verurteilt die heftigen Attacken auf Spiegel-Online-Korrespondent Hasnain Kazim. „Schärfe und Umfang der Drohungen hatten ein Ausmaß angenommen, das Anlass zur Besorgnis gab“, erklärte eine Regierungssprecherin gegenüber NEWSROOM. Von Bülend Ürük.

Berlin - Die heftigen Angriffe gegen ihren Türkei-Korrespondenten hatten die Verantwortlichen bei „Spiegel Online“ dazu bewogen, den erfahrenen Auslandsreporter zurück nach Deutschland zu holen. Inzwischen ist Hasnain Kazim wieder in Istanbul, wie er auf Anfrage bestätigte.

Grund für die Todesdrohungen waren regierungskritische Beiträge über das Grubenunglück in Soma. Kazim hatte einen Bergmann in Soma in einer Überschrift bei "Spiegel Online" mit den Worten zitiert: "Scher Dich zum Teufel, Erdogan!"

 


"Spiegel-Online"-Korrespondent Hasnain Kazim ist zurück in Istanbul, wie er gegenüber NEWSROOM bestätigte. Foto: privat

 

 

Hetzjagd auf deutschen Journalisten

Regierungsanhänger und regierungsnahe Medien erweckten danach den Eindruck, "Der Spiegel" selber wünsche den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Teufel. Diesen Vorwurf wiederholte Erdogan bei seinem Auftritt in Köln sogar persönlich.

Unter dem Hashtag #ScherDichZumTeufelDerSpiegel begann eine Kampagne gegen das Magazin und Kazim. Er habe inzwischen rund 10.000 E-Mails, Tweets und Facebook-Nachrichten wie "Wenn wir Dich auf der Straße sehen, schneiden wir Dir die Kehle durch“ erhalten, sagte der Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur. Zudem sei er als „jüdischer Feind“ Erdogans beschimpft worden.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte empört auf die Morddrohungen. "Es ist unerträglich, dass Parteigänger Erdogans mit Einschüchterungen versuchen, die Pressefreiheit abzuschaffen", kritisierte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Er erinnerte daran, dass in der Türkei mehr als 30 Journalisten wegen angeblicher terroristischer Umtriebe in Haft säßen.

Bundesregierung lehnt Einschüchterung ab

Erstmals äußert sich die Bundesregierung nun zu der Situation des Türkei-Korrespondenten: „Grundsätzlich lehnt die Bundesregierung jede Art von Einflussnahme auf journalistische Berichterstattung ab, insbesondere Versuche der Einschüchterung gegenüber Korrespondenten, die ihrer Chronistenpflicht nachkommen“, so eine Regierungssprecherin auf Nachfrage.

Während sich die Bundesregierung von einigen Medien für ihre vermeintliche Untätigkeit im Kampf um die Pressefreiheit kritisiert wurde, waren die Diplomaten im Hintergrund alles andere als untätig: „Das Auswärtige Amt hat diese Kampagne gegen den deutschen Korrespondenten gegenüber Gesprächspartnern im türkischen Außenministerium problematisiert, die Sorge über die Gefährdung des Korrespondenten ausgedrückt und damit die Bitte verbunden, alles Notwendige und Mögliche zu unternehmen, um dessen Sicherheit zu gewährleisten. Die türkische Seite hat das deutsche Anliegen entgegengenommen und zugesagt, die Sorge um die Sicherheit des Journalisten ernst zu nehmen."

Hat Frank-Walter Steinmeier mit Ahmet Davutoglu gesprochen?

Zu weiteren Einzelheiten, ob beispielsweise Außenminister Frank-Walter Steinmeier persönlich bei seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu intervenierte, wollte sich die Sprecherin nicht äußern.

Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass sich die deutsche Bundesregierung zum Thema Pressefreiheit in der Türkei eingebracht hat: „Wir haben in der Vergangenheit wiederholt unsere Sorge angesichts von Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pressefreiheit in der Türkei zum Ausdruck gebracht – in den vergangenen Wochen zum Beispiel hinsichtlich des Umgangs mit sozialen Medien im Internet.“

Das Thema Pressefreiheit, so die Regierungssprecherin, sei „fester Bestandteil unseres bilateralen Dialogs mit der Türkei.“

Bülend Ürük