Pressefreiheit

Journalisten im Irak täglich in Lebensgefahr

Vergangene Woche wurden wieder zwei Journalisten getötet. Die hohe Zahl ist nicht nur auf die Grausamkeit des Kampfes zurückzuführen, sondern auch auf einen Mangel an Schutzausrüstung für Journalisten, ihren Mangel an vorherigem Training und Erfahrung.

Vergangene Woche wurden bei einer Minenexplosion in der umkämpften irakischen Stadt Mossul der irakisch-kurdische Journalist Bakhtiar Haddad und sein französischer Kollege Stéphane Villeneuve getötet. Zwei weitere französische Journalisten wurden verletzt. Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über die Nachricht und fordert dringend, stärkere Schutzmaßnahmen für Journalisten umzusetzen. „Niemand soll für seinen Beruf mit dem Leben bezahlen“, meint ROG-Präsidentin Rubina Möhring.

Während der Berichterstattung über Anti-Terrorismus-Operationen im Bezirk Ras Al-Jadah in der vom Islamischen Staat besetzen nordirakischen Stadt Mossul kam es zu einer Minenexplosion mit zwei Toten. Bakhtiar Haddad, ein kurdischer Journalist und Mittelsmann, der schon für viele französische Medienhäuser gearbeitet hatte, verstarb noch am Ort der Explosion. Schon in der Vergangenheit hatte er mit gefährlichen Arbeitsbedingungen als Journalist zu kämpfen: Im vergangenen Jahr wurde in Frankreich medizinisch behandelt, nachdem er in Fallujah während seiner Arbeit angeschossen wurde.

Stéphane Villeneuve, ein französischer Journalist, war gemeinsam mit seiner Schweizer Kollegin Véronique Robert im Auftrag von France 2 für die Sendung Envoyé Spécial vor Ort. Begleitet wurden sie vom freien französischen Journalisten Samuel Forey, der für die Medien Figaro, Télérama und Inrocks von der Schlacht um Mossul berichtete. Die vier waren gemeinsam mit irakischen Militärkräften in vom Islamischen Staat besetzten Gebieten in der Altstadt am Westufer des Tigris unterwegs, als sie die Explosion traf.

Villeneuve, Robert und Forey wurden sofort in ein US-Militärkrankenhaus in der südlich von Mossul gelegenen Stadt Al-Qayyara gebracht. Villeneuve erlag dort seinen schweren Verletzungen. Véronique Robert wird mit schweren Verletzungen behandelt, ihr leicht verletzter Kollege Samuel Forey konnte nach Bagdad evakuiert werden.

„Der Irak ist eines der gefährlichsten Länder für Journalisten“, so ROG-Präsidentin Rubina Möhring. „Umso wichtiger ist es, endlich die internationalen Bemühungen voranzutreiben, JournalistInnen besser vor Gewalt zu schützen. Wir fordern, dass die UN das Thema endlich ernst nimmt und einen Sonderbeauftragten zum Schutz der Informationsfreiheit und damit auch der Journalisten weltweit ernennt. Die zahlreichen Beschlüsse dazu müssen umgesetzt werden, damit Reporteren ihren Beruf ohne Angst um ihr Leben ausüben können.“

Seit Anfang 2014 wurden im Irak 26 Journalisten getötet, laut Zählung von ROG waren es seit der Schlacht um Mossul mit dem Islamischen Staat seit Oktober 2016 allein drei. Viele Journalisten wurden außerdem im Verlauf der Berichterstattung über Kämpfe zwischen dem Islamischen Staat und der irakischen Armee und ihren Verbündeten verwundet.

Ein Großteil der Kämpfe in Mossul, der zweitgrößten irakischen Stadt, spielt sich in engen Gassen ab, die die Gefahren für Journalisten zusätzlich erhöhen. Dort sind sie Scharfschützen, Artilleriegeschützen, Minen und Explosionen ausgesetzt.

Pierre Barbancey, ein Redaktionsmitglied von L’Humanité, der seit 17 Jahren aus dem Irak berichtet, beschrieb seinen letzten Aufenthalt im Dezember 2016 so: „Es ist unmöglich, sich sicher zu fühlen. Auch wenn man denkt, man sei außerhalb einer Kampfzone, könnte ein Auto mit Sprengstoff aus dem Nichts auftauchen oder eine Mörsergranate könnte einen jederzeit treffen.“

Zurzeit hält etwa der IS in Mossul zehn irakische Journalisten fest. Sie sind seit knapp zwei Jahren verschleppt. Alle anderen Medienhäuser wurden vom Islamischen Staat 2014 geschlossen.

Eine Handvoll freier Journalisten, mit permanentem Stützpunkt in der 85 Kilometer östlich gelegenen Stadt Erbil, und ein Dutzend irakischer sowie ausländischer Journalisten berichtet trotz allem weiter über die entscheidende Schlacht von Mossul. Dabei müssen sie sich an eine immer gefährlicher werdende Umgebung anpassen.

Seit Beginn der Landoffensive um den westlichen Teil zurückzuerobern, haben sich laut dem Sprecher des Joint Operations Command (JOC), Brigadegeneral Yahia Rasoul, 226 Medienteams, 84 davon aus dem Ausland, registriert.
Trotzdem ist es schwer, etwas über die genaue Zahl der Journalisten momentan vor Ort zu sagen, da sie nicht verpflichtet sind, sich bei einer Behörde zu melden.

Ziad Al-Ajili, Chef der in Bagdad sitzenden Journalistic Freedom Observatory (JFO), hat traurige Daten gesammelt: „Neun Journalisten wurden in der Schlacht um Mossul getötet und 46 irakische und ausländische JournalistInnen wurden verwundet.“ Die hohe Zahl ist nicht nur auf die Grausamkeit des Kampfes zurückzuführen, sondern aus seiner Sicht auch auf einen Mangel an Schutzausrüstung für Journalisten, ihren Mangel an vorherigem Training und Erfahrung.

Pierre Barbancey fast die Lage so zusammen: „Die Umstände für Berichterstattung aus dem Irak werden zunehmend schwieriger und komplizierter.“

Der Irak nimmt auf der Rangliste der Pressefreiheit 2017 Platz 158 von 180 Ländern ein.

In Zusammenarbeit mit der UNESCO veröffentlicht Reporter ohne Grenzen einen Sicherheitsguide für JournalistInnen, erhältlich in Französisch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Er enthält praktische Hinweise zur Minimierung von Risiken für Reporter, die aus gefährlichen Regionen berichten.