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Springers Bilanz: Warum das Ende des Wirtschaftstitels ein Alarmzeichen ist

Springers Bilanz: Warum das Ende des Wirtschaftstitels ein Alarmzeichen ist Wolfgang Messner

Mit der „Bilanz“ wird das jüngste Kind der Wirtschaftspresse beerdigt. Das Magazin wurde kaum fünf Jahre alt. Es könnte die letzte große Gründung eines Wirtschaftstitels im Print gewesen sein. Ein Kommentar von „Wirtschaftsjournalist“-Chefredakteur Wolfgang Messner.

Hamburg – Wer die Redaktion der „Bilanz“ in Hamburg aufsuchen wollte, wurde Zeuge eines merkwürdigen Procedere. Erst klingelte man an der Tür, dann wurde man zu einer Sekretärin durchgestellt, die aber nicht mehr in Hamburg, sondern schon in Berlin saß. Diese rief Chefredakteur Klaus Boldt an, der wie einst Kevin ganz allein zu Hause war. Boldt war da schon sein einziges festes Redaktionsmitglied. Oft aber war selbst der Chefredakteur nicht mehr in Hamburg, sondern ebenfalls in Berlin anzutreffen. Springers edles Prestigeobjekt war am Ende ein Magazin ohne Redaktion. 

Als der Axel Springer Verlag das Heft zunächst als Supplement, später dann am Kiosk gestartet hatte, war das noch ganz anders. Die Macher zündeten ein Feuerwerk der Superlative. Im Interview mit dem „Wirtschaftsjournalist“ (04#2015) jazzten sich die vom „Manager Magazin“ geholten Arno Balzer (Herausgeber) und Klaus Boldt (Chefredakeur) gegenseitig hoch, als ob sie zu viel von Verbotenem geraucht hätten. 

 

Kostprobe gefällig? Boldt zu Balzer: „Du bist für mich einer der besten Netzwerker in Deutschland. Wahrscheinlich der beste.“ Balzer zu Boldt: „Und genau diese Kombination macht die Marke ,Bilanz‘ zum Mercedes unter den Wirtschaftsmagazinen.“ Hey, come on! Geht es nicht auch ein bisschen kleiner? Wohl nicht. „B&B“ schwadronierten vom „größten und aufregendsten Wirtschaftsmagazin Kontinentaleuropas“, und dass auch nur deshalb, weil sie der Auflage der „Welt“ beilagen, die mehr als 200.000-fach gedruckt wurde. 

 

Das Problem war nur, dass die „Bilanz“ von dem Hosting viel zu wenig hatte. Es haperte im Vertrieb und auch das Marketing war kaum existent. Springer hat nie wirklich in sein Wirtschaftsmagazin investiert. Highlights wie die Liste der „500 reichsten Deutschen“, die Boldt gar auf 1.000 verdoppelte, gingen unter. Auch die gut recherchierten und geschriebenen Geschichten von B&B & Co. wurden viel zu wenig registriert. 

 

Das ist mehr als schade, denn beide sind Edelfedern und gehören zur Crème de la Crème des Wirtschaftsjournalismus in Deutschland mit hervorragenden Netzwerken. Boldt ist vermutlich einer der originellsten Schreiber der Branche. Um so unverständlicher, dass sie den Mund so voll nahmen. Denn dass es nicht so leicht sein würde, das Magazin im Markt zu etablieren, musste allen von Anfang an klar sein. Bedauerlich auch, dass die beiden Macher sich ausgiebig Zeit nahmen, im „Wirtschaftsjournalist“-Interview für das Magazin und sich zu trommeln, als nun aber das Ende gekommen war, jeden Kommentar ablehnten. 

 

Für die Wirtschaftspresse ist das Aus der „Bilanz“ ein Alarmzeichen. Es könnte sein, dass das Magazin die letzte Neugründung im Print in diesem Segment war. Der Markt ist zwischen „Capital“, „Manager Magazin“ und „WiWo“ verteilt. Die Wirtschaftsmedien sind im Vergleich zu den Wonnejahren nach 2000 heute fast schon anzeigenfrei, neue Titel reine Illusion. 

 

Der aktuelle „Wirtschaftsjournalist“ befasst sich in seiner Titelgeschichte ausführlich mit dem Ende der „Bilanz“. Es gibt sieben Fragen und sieben Antworten.

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