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Woher kommt ein Straftäter – neue Richtlinie seit einem Jahr

Vor einem Jahr hat der Presserat die Richtlinie 12.1 überarbeitet. Sie regelt, wann die Herkunft eines Straftäters genannt werden kann. Es gab danach nicht nur Beifall, aber Proteststürme blieben aus.

Berlin (dpa) − Nach langen Diskussionen hat der Deutsche Presserat die Richtlinie zur Herkunftsnennung im Pressekodex 2017 geändert. Der erste Jahrestag der Neuformulierung des Textes (22. März) steht bevor. Für die Überarbeitung gab es nicht nur Beifall. Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), fand die alte Formulierung besser, nach der eine Herkunftsnennung nicht wie nun bei einem „begründeten öffentlichen Interesse“, sondern bei einem „begründeten Sachbezug“ legitim ist. „Aber die neue Formulierung ist auch nicht wirklich schädlich“, sagte Überall der Deutschen Presse-Agentur.

 

War es richtig, die Formulierung, die Herkunftsnennung sei nur bei einem begründeten Sachbezug gerechtfertigt, zu überarbeiten?
Ich war schon damals dagegen, die Richtlinie überhaupt zu ändern. Das, was dann gekommen ist, war aber nur eine moderate Änderung und machte auch den Eindruck, dass sie, was das Ansinnen angeht, nicht schädlich ist. Die Frage liegt aber auf der Hand: Musste man sie an der Stelle überhaupt ändern? Weil das natürlich mehr Verunsicherung und Interpretationsspielraum gegeben hat.

 

Helfen denn die Leitlinien nicht, die im Mai zusätzlich veröffentlicht wurden?
Daran gibt es die Kritik, dass sie nicht umfassend genug seien. Aber dann muss man als Verlag dem Presserat seine Zweifelsfälle mal schildern und so eine Fallsammlung auch aktualisieren. Wenn man tatsächlich Zweifelsfälle hat, dann würde ich mir wünschen, dass man dann nicht darauf wartet, ob sie sanktioniert werden, sondern dass man sich beim Presserat meldet und dass man dort in eine vertiefte Diskussion kommt.

 

Was finden Sie an der neuformulierten Richtlinie schlechter?
In der Vergangenheit konnte man sanktionsfrei darüber berichten, wenn man einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen Herkunft oder Nationalität auf der einen und Tat auf der anderen Seite herstellen konnte, Beispiel italienische Mafia. Da käme keiner auf die Idee zu sagen, da rede ich jetzt drumrum oder erwähne das gar nicht. Aber wenn dieser Zusammenhang nicht da ist, was hilft es mir bei der Einordnung, wenn ich weiß, das ist der Mensch aus Afghanistan, aus der Schweiz, ein katholischer Bayer oder ein evangelischer Sachse? Was hilft mir das bei der Beurteilung der Tat?

 

Sie finden also, dass der begründete Sachbezug das bessere Kriterium ist?
Er ist besser, er ist präziser, aber die neue Formulierung ist auch nicht wirklich schädlich. Wir müssen anerkennen, es gibt nicht wirklich einen Proteststurm. Es gibt höchstens Einzelne, die sich gegen die neue Regelung beschweren.

 

Heißt das, in der Praxis macht es bei der Entscheidung über die Herkunftsnennung keinen großen Unterschied, ob man die alte oder die neue Formulierung heranzieht?
Ich denke ja, die Änderung hat auch den Befürwortern der alten Richtlinie nicht wehgetan. Das Ergebnis sehen wir ja, in einem Jahr hat es jetzt nicht regelmäßig irgendwelche riesengroßen Probleme deswegen gegeben. Wir kommen aber an der grundsätzlichen medienethischen Frage nicht vorbei, egal, wie wir das Kind nennen.

 

ZUR PERSON: Frank Überall ist seit November 2015 Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Der 46-jährige Medien- und Politikwissenschaftler aus Köln hat langjährige Erfahrung als freier Journalist, vor allem beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) und bei der ARD. Er ist Professor für Journalismus an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin).

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