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Die neuen 10 Gebote der Süddeutschen Zeitung

Die neuen 10 Gebote der Süddeutschen Zeitung „SZ“-Chefredakteurin Judith Wittwer

Der Redaktionsausschuss der „Süddeutschen Zeitung“, der Anliegen der Redaktion gegenüber Chefredaktion und Verlag vertritt, präsentiert ein Zehn-Punkte-Papier. Wie die „SZ“ damit ihren Kulturkampf entschärft.

München – „In einer Zeit des stetigen technischen und damit verbundenen journalistischen Umbruchs stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis der Redaktion der ,Süddeutschen Zeitung‘, nach ihren Aufgaben und den vielfältigen Wegen der internen Zusammenarbeit immer wieder neu“, so der „SZ“-Redaktionsausschuss, der mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern gemeinsam mit Kollegen aus der Redaktion das „Grundlagenpapier“ verfasst hat. Beteiligt waren Katja Auer, Karoline Meta Beisel, Heiner Effern, Carolin Gasteiger, Max Hägler, Ulrike Heidenreich, Sebastian Herrmann, Lena Jakat und Matthias Kolb.

 

Diese 10 Punkte sollen die Richtung weisen, „in die sich die ,SZ‘ entwickeln muss, um auch in Zukunft an der Spitze des Qualitätsjournalismus zu stehen“:

 

1. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „Süddeutschen Zeitung“ begreifen sich über alle Ressorts und Veröffentlichungskanäle hinweg als eine Redaktion.

 

2. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der „SZ“ hören einander zu, unabhängig von Alter, Geschlecht, Hierarchie und Betriebszugehörigkeit. „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen sich als gleichwertig: Autorinnen und Autoren ebenso wie jene Kolleginnen und Kollegen, die recherchieren, produzieren und programmieren, visualisieren und redigieren. Durchlässigkeit und Austausch in und zwischen den Ressorts und Teams werden gefördert. Junge Redakteurinnen und Redakteure haben im Haus eine Perspektive, die ihren Fähigkeiten und Talenten entspricht, und eine Bezahlung, von der sie gut leben können. Freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden fair behandelt. Führungskräfte arbeiten transparent und sind für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar und ansprechbar. Sie befähigen diese, eigenverantwortlich zu handeln. Rollen und Aufgaben sind klar verteilt, Abläufe sind nachvollziehbar. Das Arbeiten in Teams wird forciert, das Profil als Autorenzeitung wird erhalten. Stetige Debatten über Inhalte und Qualität von Texten sind essenziell. Dazu gehört eine Kultur konstruktiver Kritik.“

 

3. Die „Süddeutsche Zeitung“ ist ein vertrauter, unbestechlicher, neugieriger, offener, kluger und wenn möglich heiterer Freund und Begleiter.

 

4. Die tiefe regionale Verankerung ist ein Alleinstellungsmerkmal, das die „SZ“ in Stil und Ton besonders prägt.

 

5. Die „Süddeutsche Zeitung“ versteht sich als Leuchtturm in einer unruhigen und unübersichtlichen Welt. „Die ,SZ‘ bietet ihren Leserinnen und Lesern Orientierung, ohne sie zu bevormunden, und weiß um die wachsende Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit der Leserinnen und Leser auf sich zu ziehen. Sie ordnet stets schnell und gründlich ein. Die Gewichtung und auch das Weglassen von Themen auf allen Ausspielwegen erfolgen mit kühlem Kopf, Gelassenheit und im Dialog unter Kolleginnen und Kollegen.“

 

6. Ein guter Text ist ein guter Text, egal, ob dieser digital ausgespielt oder gedruckt wird. „Die wichtigsten Kriterien für einen Text sind nicht rechts/links, Mann/Frau, progressiv/konservativ, sondern ob ein Text den journalistischen Standards entspricht.“

 

7. Die Redaktionsmitglieder sind offen für die journalistischen Möglichkeiten neuer Kanäle und Technologien. „Die Redakteurinnen und Redakteure begreifen den digitalen Raum als Experimentierfläche und wollen selbstbewusster Vorreiter für digitalen Qualitätsjournalismus sein, vom multimedialen Longread bis hin zur Podcast-Serie – ohne dabei auf jeden Trend aufzuspringen. Getragen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei von einer Kultur, die Innovationen fördert und Scheitern erlaubt. Kolleginnen und Kollegen werden für die Anforderungen des digitalen Journalismus aus- und weitergebildet. Das Bestreben ist es, digitale Kultur in gleichem Maße zu verstehen und abzubilden wie die analoge Kultur.“

 

8. Die Redaktion versteht Zahlen und Daten als Chance und nutzt sie, ohne sich zu deren Sklaven zu machen. „Die digitale Metrik ist ein wichtiger Anhaltspunkt zur Themenfindung und -setzung. Die Redaktion versteht sie als Möglichkeit, um Lesegewohnheiten und Interessen zu begreifen. Wir wollen stärker als bislang zu den Leserinnen und Lesern gehen, wir wollen für unsere Inhalte werben und in interdisziplinären Teams aus Redaktion und Verlagsabteilungen arbeiten. Die ,SZ‘ darf sich nicht nur am Erfolg von Einzeltexten orientieren, sondern muss in ihrer Gesamtheit und auf allen Kanälen den Anspruch haben, die Welt möglichst umfassend abzubilden. Die ,SZ‘ wird niemals Themen weglassen, nur weil sie keinen kommerziellen Erfolg versprechen. Die Qualität eines Textes und dessen kommerzieller Erfolg sind grundsätzlich getrennt zu betrachten.“

 

9. Die ,SZ‘-Identität ist in allen ihren Produkten – ob analog oder digital – deutlich spürbar. „Die digitale Metrik ist ein wichtiger Anhaltspunkt zur Themenfindung und -setzung. Die Redaktion versteht sie als Möglichkeit, um Lesegewohnheiten und Interessen zu begreifen. Wir wollen stärker als bislang zu den Leserinnen und Lesern gehen, wir wollen für unsere Inhalte werben und in interdisziplinären Teams aus Redaktion und Verlagsabteilungen arbeiten. Die ,SZ‘ darf sich nicht nur am Erfolg von Einzeltexten orientieren, sondern muss in ihrer Gesamtheit und auf allen Kanälen den Anspruch haben, die Welt möglichst umfassend abzubilden. Die ,SZ‘ wird niemals Themen weglassen, nur weil sie keinen kommerziellen Erfolg versprechen. Die Qualität eines Textes und dessen kommerzieller Erfolg sind grundsätzlich getrennt zu betrachten.

 

10. Leserinnen und Nutzer verändern sich ebenso rasant wie die Redaktion. Es gilt, ein neues und offenes Verhältnis auf Augenhöhe zu begründen. 

 

Hintergrund: Bei der „Süddeutschen Zeitung“ hatte es im vergangenen Jahr einen Machtkampf gegeben. Beteiligt waren die damalige Digitalchefin Julia Bönisch und die Print-Chefredakteure Kurt Kister und Wolfgang Krach. „kress pro“-Chefredakteur Markus Wiegand titelte in seiner Kolumne: „Zu viele Vorurteile und zu viel Gift“. In der Folge verließ Bönisch die ,SZ‘ in Richtung Stiftung Warentest und die Chefredaktion der „Süddeutschen“ wurde frisch aufgestellt: Judith Wittwer steht nun ab Sommer an der Spitze und leitet zusammen mit dem bisherigen Chefredakteur Wolfgang Krach die Redaktion. Kurt Kister gibt seine Führungsrolle ab. Die neue Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ soll vollständig integriert arbeiten und sich nicht mehr in getrennte Zuständigkeiten für Print und Online aufteilen.