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dpa

Fall Chaschukdschi 3: Was wir wissen − und was wir wissen wollen

Gab es wirklich ein „kill team“? Was zeigen die Audio- und Video-Aufnahmen von der Exekution, die die Türkei angeblich besitzt?

Istanbul/Washington/Riad (dpa) − Das Verschwinden des saudischen Regierungskritikers und Journalisten Dschamal Chaschukdschi in Istanbul ist einer der spannendsten und zugleich grausigsten Kriminalfälle des Jahres. Gleichzeitig gibt es viel Aufregung um wenig Handfestes.

WAS WIR WISSEN

Gesichert ist eigentlich nur eines: Am 2. Oktober betrat Dschamal Chaschukdschi das Konsulat seines Landes in Istanbul, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Seitdem ist er verschwunden. Fast alle weiteren Informationen, die seither ans Licht kamen, wurden unter Berufung auf nicht genannte Quellen scheibchenweise in türkischen oder US-amerikanischen Medien veröffentlicht. In vielen Fällen beriefen sich die Medien, darunter die renommierte „Washington Post“, für die Chaschukdschi im selbstgewählten US-Exil schrieb, auf „türkische Regierungsvertreter“.

HIER GIBT ES FRAGEN

1. Gab es wirklich ein „kill team“?

Die türkischen Behörden gehen davon aus, dass Chaschukdschi von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando getötet wurde. So berichten es zumindest regierungsnahe türkische Medien. Die Zeitung „Sabah“ veröffentlichte am 10. Oktober zum Beispiel Bilder von Verdächtigen, die aus Kameras an der Passkontrolle an Flughäfen zu stammen scheinen. Unter der Überschrift „15-köpfige Mörder-Truppe“ wurden in „Sabah“, aber später auch der Regierungszeitung „Yeni Safak“ und anderen Medien einige der Saudis namentlich identifiziert.

Darunter soll ein Mann namens Salah Mohammed A. Tubaiki sein. Verfolgt man die Tubaiki-Spur zurück, findet sich ein Mann dieses Namens und mit einem zumindest ähnlich aussehenden Bild unter anderem in Artikeln der renommierten saudi-arabischen Zeitung „Al-Sharq al-Awsat“ und auf der Webseite der Naif-Universität. Dort wird er als hochrangiger Rechtsmediziner des Innenministeriums mit militärischem Rang vorgestellt. Medienberichten zufolge könnte er angereist sein, um Beweise verschwinden zu lassen. Aus saudi-arabischen Medien verlautete allerdings später, dass die Türkei harmlose Touristen verunglimpfe.

2. Wie ist der Mord passiert?

Hier gibt es viele widerstreitende Darstellungen. Türkische Regierungsvertreter haben US-Zeitungen wie der „New York Times“ erzählt, Chaschukdschi sei nach seinem Tod in kleine Stücke zersägt worden. Es gab aber auch Geschichten über wilde Schreie aus dem Konsulat, ein Säurebad oder eine Entführung durch einen Tunnel aus der Botschaft heraus und dann nach Saudi-Arabien. Die Zeitung „Yeni Safak“ berichtete in den vergangenen Tagen, man suche an verschiedenen Orten der Stadt nach der Leiche.

3. Was zeigen die Audio- und Video-Aufnahmen von der Exekution, die die Türkei angeblich besitzt?

Das weiß keiner. Keines der Medien, die bisher darüber berichtet haben, hat sie zu Gesicht bekommen. Das hatte zu der Vermutung geführt, dass die Türkei das Konsulat vielleicht verwanzt hatte, es aber nicht zugeben wollte. Eine andere Lösung stellte am Samstag die regierungsnahe „Sabah“ vor, die berichtete, dass Chaschukdschi seine eigene Exekution mit der Computer-Uhr des Herstellers Apple an seinem Handgelenk aufgezeichnet habe. „Der Zeitraum, in dem sich das Attentäter-Team mit Chaschukdschi beschäftigt hat, wurde Minute für Minute aufgezeichnet“, schrieben die Autoren. Experten bezweifeln das aber aus technischen Gründen. Die Darstellung lässt auch offen, woher die angeblich existierenden Video-Aufnahmen stammen sollen.

4. Ermittler durften das Konsulat durchsuchen − was hat das gebracht?

Bisher wenig − öffentlich zumindest. Neun Stunden lang waren die türkischen Ermittler zusammen mit saudi-arabischen Kollegen in der Nacht auf Dienstag im Konsulat zugange. Zuvor hatten die Saudis die Durchsuchung aufgehalten, bis Außenminister Mevlüt Cavusoglu sich am Samstag öffentlich über die mangelnde Zusammenarbeit der Saudis beschwerte. Stunden später sagte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, man schaue sich mögliche Spuren „giftiger Substanzen“ genauer an. Die seien überstrichen worden. Im Lauf des Dienstags wird die türkische Polizei auch die Residenz und die Fahrzeuge des saudischen Konsuls in Istanbul durchsuchen.