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Investigativ-Reporter Hans-Martin Tillack verlässt „Stern“

Investigativ-Reporter Hans-Martin Tillack verlässt „Stern“ Hans-Martin Tillack

Der Umbau beim „Stern“ hinterlässt tiefe Spuren. Hans-Martin Tillack verlässt das G+J-Magazin nach 27 Jahren. Zuletzt war er im Berliner Büro für investigative Recherche verantwortlich. Was Tillack zum Abschied sagt und warum sein Abgang für Kritik in der Branche sorgt.

Berlin – „Über 27 Jahre war ich beim ,Stern‘, in Bonn, in Brüssel, in Berlin. Viele Jahre hat mir diese Redaktion sehr gute Recherchebedingungen geboten. Dafür bin ich dankbar. Jetzt freue ich mich darauf neue Wege zu gehen. Beruflich bin ich künftig hier zu erreichen: hmt(at)hmtillack.de“, schreibt Hans-Martin Tillack auf Twitter.


Er verantwortete zuletzt im Berliner Büro des „Stern“ die investigative Recherche. Von 1999 bis 2004 war er EU-Korrespondent des „Stern“ in Brüssel. Zuvor arbeitete er als Bonn-Korrespondent der „taz“ und dann des „Stern“. Zu Tillacks Schwerpunkten gehörten die Themen politische Korruption, Lobbyismus und Rüstungsexporte.

 

Tillacks Abschiedspost auf Twitter sorgt für ein großes Echo in der Branche:

Dirk Liedtke, Redakteur für Digitales beim „Stern“, schreibt auf Twitter: „Du hinterlässt eine große Lücke, lieber Hans-Martin. Weiterhin viele gute Recherchen!“

 

Der Journalist und Recherche-Dozent Andreas Maisch sieht in Tillacks Abgang einen großen Verlust für „Stern“ und Gruner+Jahr.

 

Niddal Salah-Eldin, derzeit in Elternzeit und bald wieder Führungskraft bei Axel Springer, kommentiert: „What a run. Sie können sehr stolz sein. Der Name ist und bleibt ein Qualitätsversprechen. Ich habe Ihre Texte immer mit Gewinn gelesen. Alles Gute auf neuen Wegen!“

 

Auch Jonathan Sachse von Correctiv bedankt sich bei Tillack „für die großartige Arbeit, die begann, als ich noch in der Grundschule war“. Sachse ist gespannt, welche Medien künftig von Tillacks Recheren profitieren dürfen.

 

Der langjährige „Handelsblatt“-Chefredakteur Bernd Ziesemer, hofft auf weitere gute Geschichten Tillacks, „wo auch immer!“

 

Für die Journalistin Grit Hartmann hat Tillacks Abgang einen bitteren Beigeschmack: „Selbst schuld @stern.de. Eine ziemliche Schande für das Blatt.“

 

Werner Hinzpeter, Stellvertretender Chefredakteur bei Stiftung Warentest, gibt Tillack mit auf den Weg: „Ich kann aus eigener Erfahrung berichten: Es gibt intelligentes (und gutes) Journalist:innenleben außerhalb des Grunerversums!“

 

Philipp Blanke, Online-Redakteur bei der „Berliner Morgenpost“, twittert: „Eine Medienmarke, die Sie ziehen lässt, rechnet offenbar nicht damit, noch lange bedeutungsvoll zu existieren. Wenn die Leute obsolet sind, die eine Marke prägen, ist eher früher als später die Marke obsolet.“

 

Auch Christian Fuchs, Autor im Ressort Investigative Recherche und Daten von „Zeit“ und Zeit Online, übt Kritik: „Da wird geschieden, was für mich immer zusammengehört hat. Wie kurzsichtig vom ,Stern‘, weil Deine grandiosen Lobby-Recherchen nun andere Medien schmücken werden. Good luck!“

 

Hintergrund für die Kritik ist der Neustart beim „Stern“

Die gesamte Berichterstattung über die deutsche Politik und die Wirtschaft in „Stern“, „Capital“ und „Business Punk“ kommt nun aus dem gemeinsamen Hauptstadtbüro, in dem Redakteure und Reporter von „Capital“ und aus dem bisherigen Berliner „Stern“-Büro arbeiten. Die Redakteure im Ressort Politik und Wirtschaft in Hamburg sollen „zum Großteil andere Aufgaben beim stern übernehmen“, so die Ankündigung von Gruner + Jahr am 19. Januar 2021.

 

Anfang März haben Helen Bömelburg und Stefan Schmitz, die bisher in einer Doppelspitze das „Stern“-Ressort Politik und Wirtschaft geleitet hatten, frische Führungsaufgaben bekommen.

 

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete Ende Januar, dass sich Hans-Martin Tillack in einer der Redaktionsversammlungen zu Wort gemeldet hätte. „Man habe ihm Altersteilzeit angeboten, so habe er es geschildert, aber unter der Bedingung, dass er nicht mehr über Politik und Wirtschaft schreibe. Einen Investigativ-Spezialisten dieses Kalibers von Politik- und Wirtschaftsthemen abziehen zu wollen, wäre ungefähr so, als würde der FC Bayern seinen Torjäger Robert Lewandowski zum Platzwart degradieren“, hieß es im „SZ“-Bericht.

 

„Stern“-Chefredakteur Florial Gless stellte in der „SZ“ klar: „Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass der ,Stern‘ nicht mehr politisch ist. Es mache Sinn, die Politik in Berlin anzusiedeln“, so Gless. Auch dass de r„Capital“-Chef von Buttlar künftig die politischen Inhalte bestimmen soll, weist Gless zurück. „Über das, was im stern berichtet wird, entscheiden einzig und allein Anna-Beeke Gretemeier und ich.“ Gretemeier und Gless bilden eine Doppelspitze beim „Stern“. Horst von Buttlar führt das gemeinsame Hauptstadtbüro von „Stern“, „Capital“ und „Business Punk“, zugleich ist er Mitglied der „Stern“-Chefredaktion.

 

Weiter sagte Gless in der „SZ“ zu dem Umbau: „Für uns ist das nicht leicht, aber wir stehen zu dieser Entscheidung. Da wachse etwas Neues, "das wird ein Team.“