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dpa

Reporter ohne Grenzen: Fall Khashoggi könnte Schule machen

Noch ist der Fall nicht aufgeklärt, der Journalist Jamal Khashoggi wird nach wie vor vermisst. Reporter ohne Grenzen fordert Konsequenzen − auch von der Bundesregierung.

Berlin (dpa) − Der Fall des mutmaßlich ermordeten saudischen Regimekritikers Jamal Khashoggi könnte anderen Ländern in schlimmer Hinsicht als Vorbild dienen, befürchtet Reporter ohne Grenzen. In allen Gesprächen − auch mit Exiljournalisten − sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur, zeichne sich ab: „Der Fall geht ganz schön in die Knochen.“ Nun habe er die Befürchtung, „dass das letztlich überall passieren könnte − und dass das als Inspiration dient für andere Länder, genauso brutal vorgehen zu können.“ 


Nach Mihrs Einschätzung hat der Fall eine neue Dimension. „Insbesondere hinsichtlich des Tatorts, nicht wegen der Tat selbst, denn Ermordungen von Journalisten erleben wir beinahe täglich.“ Khashoggi, der als Kolumnist für die „Washington Post“ gearbeitet hatte, wollte am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul Papiere für seine Hochzeit abholen. Seitdem ist er verschwunden. Laut Medienberichten gehen türkische Behörden davon aus, dass er im Konsulat getötet wurde.

Einen solchen Fall, dass in einer ausländischen Botschaft in einem fremden Land, mutmaßlich ein Journalist ermordet wurde, habe er bisher nicht gekannt, sagte Mihr. Er kritisierte, die Bundesregierung habe aus Rücksicht auf Saudi-Arabien viel zu lange für eine Stellungnahme gebraucht. Der Fall Khashoggi sei dem Versuch der Wiederannäherung beider Länder nun in die Quere gekommen, sagte Mihr.

 

Wichtig sei für die Zukunft, die Ermittlungsmechanismen in solchen Fällen zu verbessern. „Wir setzen uns für einen Uno-Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten ein“, erklärte Mihr. „Der Bundestag hat im vergangenen Jahr die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen.“ Die Bundesregierung scheine aber nicht bereit zu sein, den Vorschlag umzusetzen.

 

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sieht in der mutmaßlichen Ermordung des Journalisten einen Einschüchterungsversuch: „Wenn die Details alle stimmen, ist das nicht nur Rache an Khashoggi gewesen, sondern auch ein Warnsignal an alle, die kritisch über das Regime berichten“, sagte der DJV-Vorsitzende Frank Überall der Deutschen Presse-Agentur. „Ich kann mir das nicht anders erklären. Sie mussten damit rechnen, dass diese Details öffentlich werden.“ Er finde den Fall unglaublich und erschütternd, sagte Überall.

 

„Es ist aber immer noch vieles völlig unklar − nicht einmal die Frage, ob der Journalist womöglich doch noch lebt, wird von den saudischen Behörden eindeutig beantwortet.“ Es mute wie ein „Treppenwitz“ an, dass ausgerechnet die türkische Polizei und Justiz den Fall federführend aufklären solle, die im Umgang mit Journalisten nicht als Hort der Fairness bekannt sei.

 

Der Fall reiht sich nach Überalls Einschätzung außerdem ein in eine Reihe anderer Fälle − angesichts von zahlreichen getöteten Journalisten in diesem Jahr. „Die Hemmschwelle, sich kritischer Recherche und Berichterstatter durch Mord zu entledigen, scheint zu sinken“, warnte Überall. Das sei eine dramatische Herausforderung für die gesellschaftliche Freiheit.

 

„Wir haben in Deutschland auch viele Kolleginnen und Kollegen im Exil, die von hier aus journalistisch arbeiten, beispielsweise aus der Türkei“, so der DJV-Vorsitzende. „Ich beschäftige mich als DJV-Vorsitzender gerade intensiv mit der Frage, wie sicher sich diese Kolleginnen und Kollegen fühlen können.“ Er sei sicher, dass das Thema bald auf die Agenda der Bundespolitik kommen werde.