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Russland verbietet Deutsche Welle − Büro in Moskau muss schließen

Russland verbietet Deutsche Welle − Büro in Moskau muss schließen Zankapfel

Moskau reagiert drastisch im Streit um ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT DE: Die Deutsche Welle wird in Russland verboten. Das dürfte die ohnehin schon angeschlagenen deutsch-russischen Beziehungen weiter belasten.

Moskau (dpa) − Russland hat der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland, ein Sendeverbot erteilt. Zudem verfügte das russische Außenministerium am Donnerstag die Schließung des Korrespondentenbüros in Moskau und den Entzug der Akkreditierungen der Journalisten. Damit reagierte Moskau auf ein Sendeverbot des deutschsprachigen Programms seines Staatssenders RT DE.

 

Die Deutsche Welle (DW), die in Russland seit 2005 Sendelizenzen hat, protestierte gegen die „Überreaktion“ der russischen Regierung und kündigte rechtliche Schritte an. Das Vorgehen des Außenministeriums in Moskau belastete die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen Berlin und Moskau weiter.

 

DW-Intendant Peter Limbourg sagte einer Mitteilung zufolge: „Wir werden hier in einer Weise zum Spielball gemacht, wie es Medien nur in Autokratien erfahren müssen.“ Der Sender sprach von einer „absurden Reaktion“. „Bis uns die Maßnahmen offiziell zugestellt werden, berichten wir weiter aus unserem Büro in Moskau“, sagte Limbourg weiter. „Selbst, wenn wir es letztendlich schließen müssten, würde unsere Berichterstattung über Russland dadurch nicht beeinträchtigt. Vielmehr würden wir die Berichterstattung deutlich verstärken.“

 

Von einer Sprecherin des deutschen Außenministeriums hieß es: „Die Maßnahmen, die die russische Regierung heute gegen die Deutsche Welle angekündigt hat, entbehren jeglicher Grundlage und stellen eine erneute Belastung für die deutsch-russischen Beziehungen dar.“ Sollten die von der russischen Regierung verfügten Maßnahmen gegen die Deutsche Welle tatsächlich umgesetzt werden, würde dies die freie Berichterstattung unabhängiger Journalistinnen und Journalisten in Russland, der gerade in politisch angespannten Zeiten eine besondere Bedeutung zukomme, in erheblichem Maße einschränken.

 

Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, bezeichnete das DW-Sendeverbot als „in keiner Weise hinnehmbar“. Während RT DE ohne Lizenz sende und keine Zulassung beantragt habe, werde DW nun eine vorhandene Lizenz entzogen. Die Deutsche Welle sei zudem staatsfern organisiert. Der deutsche Staat nehme keinen Einfluss auf die Programmgestaltung.

 

Die Spitzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland − ARD, ZDF und Deutschlandradio − zeigten sich solidarisch mit der Deutschen Welle. Die ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger, ZDF-Intendant Thomas Bellut und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue teilten in einem Statement mit: „Hier wird freie, unabhängige Berichterstattung radikal eingeschränkt, um politischen Druck auszuüben. Dass damit zugleich die Pressefreiheit zum Faustpfand gemacht wird, erfüllt uns mit großer Sorge.“

 

DW hat nach eigener Darstellung in Russland ihre Lizenzen für ihre Fernsehsender DW English bis 2025 und DW Deutsch bis 2027, die über Astra-Satelliten ausgestrahlt werden. Im deutschen Programm gibt es demnach auch ein Fenster in russischer Sprache mit insgesamt 18 Stunden pro Woche. Diese Sendungen würden auch über mehrere russische Anbieter verbreitet. Kremltreue Politiker und Propagandisten hatten das russische Programm der Deutschen Welle immer wieder angefeindet.

 

In Deutschland hatten die Regulierer der zuständigen Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) bei den Medienanstalten die Veranstaltung und die Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE untersagt. Als Grund für das am Mittwoch veröffentlichte Verbot wurde das Fehlen einer Sendelizenz angeführt.

 

Das russische Außenministerium sprach lediglich von einer „ersten Etappe“. Dazu gehöre auch ein Verfahren, um die Deutsche Welle zum „ausländischen Agenten“ zu erklären. Zudem sollten Vertreter staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen der Bundesrepublik, die mitgewirkt hätten an dem Vorgehen gegen RT DE, auf eine schwarze Liste kommen. Die Liste werde nicht veröffentlicht. Allerdings könnten die Aufgelisteten künftig nicht mehr einreisen nach Russland.

 

Der Moskauer DW-Büroleiter Juri Rescheto sagte in einem Interview seines Senders: „Wir haben von dem russischen Außenministerium klipp und klar gesagt bekommen, dass wir ab morgen (Freitag) 9.00 Uhr Moskauer Zeit nicht mehr arbeiten dürfen als Journalisten.“ Die Akkreditierungskarten müssten dann im Außenministerium abgegeben werden.

 

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verurteilte das Sendeverbot. Es gebe keinerlei Rechtfertigung für diese „drastische Zensurmaßnahme“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Er forderte von der Bundesregierung deutlichen Protest. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz verlangte von Kanzler Olaf Scholz (SPD), dieser müsse bei seinem anstehenden Russland-Besuch auf eine Rücknahme des Sendeverbots drängen.

 

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff erklärte, DW sei „eben gerade kein Staatssender wie Russia Today, sondern bietet ein unabhängiges Programm“. Die Entscheidung zeige einmal mehr, dass sich die russische Regierung von universellen Werten wie Demokratie und Meinungsfreiheit entferne und das Land weiter in die Selbstisolierung bewege. Lambsdorff sagte: „Gerade jetzt muss deshalb das russischsprachige Angebot der Deutschen Welle im Internet gestärkt werden.“

 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte bei ihrem Treffen mit ihrem Kollegen Sergej Lawrow im Januar in Moskau erklärt, dass in Deutschland kein Staatsfunk erlaubt sei. Das gilt demnach etwa auch für die USA. In Deutschland hat die Regelung wegen der Rolle der Staatsmedien im Nationalsozialismus auch historische Gründe.

 

Der Kreml kritisierte dessen ungeachtet die Entscheidung zu RT DE. „Die Situation ist vollkommen klar: Einem russischen Massenmedium, ich würde sogar sagen, einem internationalen Massenmedium, wird die Ausstrahlung in Deutschland verboten. Das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Freiheit des Wortes“, sagte Sprecher Dmitri Peskow. Das russische Außenministerium kündigte weitere Schritte an. So wurden die Vertreter deutscher Medien in Moskau aufgefordert, bis kommenden Dienstag darüber zu informierten, ob sie auf direktem oder indirektem Weg − etwa über Werbung − Geld vom deutschen Staat erhalten.

 

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nichts sage zum Sendeverbot für RT DE und nicht eintrete für die Medienfreiheit. RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan hatte am Mittwoch vorgeschlagen, gegen die Deutsche Welle in Russland vorzugehen.

 

RT − früher Russia Today − sendet etwa in den USA und anderen Ländern etwa auch auf Spanisch und Arabisch und sieht sein deutschsprachiges Programm als Beitrag zur Meinungsvielfalt in Europa. Kritiker werfen RT Kremlpropaganda und Desinformation vor.

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