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Berufliche Entscheidungen: Wie viel Mitspracherecht für den Partner?

Berufliche Entscheidungen: Wie viel Mitspracherecht für den Partner? Attila Albert

Für eine neue Stelle in eine andere Stadt ziehen, für eine Selbstständigkeit die finanzielle Sicherheit aufgeben: Wenn Medienprofis sich verändern wollen, betrifft das häufig auch Partner und Kinder. Karrierecoach Attila Albert über die Balance zwischen Eigeninteressen und Rücksichtnahme.

Berlin – In den ersten Berufsjahren sind Offenheit und Flexibilität noch leicht. Ergibt sich ein gutes Jobangebot in einer anderen Stadt, muss möglicherweise nur ein WG-Zimmer gekündigt und ein Koffer gepackt werden. Später sieht das anders aus, müssen auch die Interessen des – meist ebenso berufstätigen – Partners und eventueller Kinder berücksichtigt werden. Eine gewisse Sattheit kommt dazu. Man möchte eigentlich weder sich noch den anderen Familienmitgliedern den Umzug, Arbeitgeber- bzw. Schulwechsel zumuten, ebenso wenig den Wechsel des Freundeskreises oder des Sportvereins.

 

Aber es gibt immer wieder spannende Karriere-Optionen, bei denen Medienprofis denken: „Wäre ich Single, würde ich sofort zusagen.‟ Der attraktive Job ist nur leider an einem anderen Ort und erfordert wieder mehr zeitlichen Einsatz. Dazu kommen finanzielle Risiken – die neue Probezeit oder umso mehr, wenn Sie in die Selbstständigkeit wechseln wollen. All das betrifft auch den Partner, der damit ein Mitspracherecht verdient. Nur dürfen dessen Wünsche nicht dazu führen, dass Sie sich jahrelang nicht mehr verändern können. Wie findet man die Balance, wie redet man darüber? Dazu einige Gedanken.

 

Interessenkonflikte sind normal
Selbst in der besten Beziehung ist es normal, dass die Partner gelegentlich unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie es weitergehen soll und was der andere dafür in Kauf nehmen müsste. Bewerten Sie das nicht sofort so, dass Sie sich „auseinandergelebt‟ hätten. Ärgern Sie sich auch nicht direkt über vermeintlichen Egoismus, wenn Ihr Partner scheinbar gar nicht versteht, was Sie wollen. Möglicherweise zeigt sich hier nur, dass Sie sich verändert oder lange nicht mehr über Ihre Wünsche gesprochen haben.

 

Eigenen Standpunkt klären
Bevor Sie das Gespräch mit Ihrem Partner suchen, sollten Sie sich weitgehende Klarheit darüber verschaffen, was Sie selbst wollen. Sind Ihre Vorstellungen noch recht diffus und unsicher, passiert es sonst schnell, dass sie beiseite gewischt oder zerredet werden. Auch substantielle Diskussionen und beidseitig befriedigende Kompromisse sind nur möglich, wenn Sie Ihre Ziele und Vorstellungen kennen und vertreten. Zwar kann das gemeinsame Gespräch klärend sein, aber Sie sollten es vorbereitet beginnen.

 

Offen mit dem Partner sprechen
Erstaunlich häufig reden Paare über alles Mögliche, aber nach einigen gemeinsamen Jahren oft nicht mehr über das, was ihnen wirklich wichtig ist – über ihre Träume und Wünsche, die über das Alltägliche hinausgehen. Irgendwann stellen sie sich trotzdem heraus, und dann ist die Überraschung oft groß: „Warum hast du mir das denn nicht früher gesagt?‟ Erwarten Sie nicht, dass sich Ihr Partner schon denken kann, was Sie wollen, weil Sie sich lange kennen. Sprechen Sie Ihre Wünsche und Ziele zumindest nun offen und klar aus.

 

Keine Angst, ehrlich zu sein
Den wenigsten sind offene Konfrontationen angenehm, sie möchten auch niemanden absichtlich verletzen oder enttäuschen. Das darf aber nicht so weit gehen, dass Sie Ihre Wünsche verschleiern oder herunterspielen. Beispiel: Sie wollen ein Angebot in einer anderen Stadt unbedingt annehmen, behaupten jedoch, sie könnten es „sich eventuell vorstellen‟, um Ihren Partner nicht sofort dagegen aufzubringen. Aber nur, wenn Sie ehrlich sind, kann sich der andere eine Meinung dazu bilden und Sie besser verstehen.

 

Grundüberzeugungen bewahren
Bei aller Kompromissbereitschaft, ohne die eine Beziehung nicht möglich ist, gibt es einen persönlichen Wesenskern, der nicht verhandelbar sein sollte – Grundüberzeugungen, die gesetzt sind, auch wenn sich der liebste Mensch etwas anderes wünscht. Ordnen Sie Ihre Wünsche daher, am besten in Form einer schriftlichen Liste: Was ist für Sie zwingend, was wünschenswert und wo haben Sie keine Präferenzen? Damit sind Ihre Prioritäten klar, und Sie wissen, wo Sie im Streitfall hart bleiben, wo flexibel und wo völlig neutral.

 

Optionen systematisch vergleichen
Häufig steht man vor mehreren Möglichkeiten, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben, was Entscheidungen bald unübersichtlich macht. Vergleichen Sie dann systematisch: Schreiben Sie alle Optionen in eine Tabelle und beurteilen Sie alle nach denselben Kriterien. Sie könnten „gut”, „neutral‟ oder „schlecht‟ vergeben – oder alternativ Punkte auf einer Skala von 1-5, je nachdem, wie gut das Kriterium jeweils erfüllt ist. Addieren Sie dann spaltenweise. So sehen Sie klar, welche Option in der Summe am besten wäre.

 

Anderen auch einmal etwas zumuten
Es ist praktisch ausgeschlossen, dass sich alle Interessenkonflikte innerhalb der Beziehung und Familie durch Gespräche auflösen lassen. Daher sollte jeder auch Zugeständnisse machen, aber mit einer Abstufung. Beispiel: Damit der Hauptverdiener – finanzieller Träger der Familie – nicht jahrelang pendeln muss, ist es hinnehmbar, dass die Kinder bei passender Gelegenheit mit umziehen und die Schule wechseln, auch wenn sie das nicht wollen. Achten Sie darauf, dass jeder seinen Beitrag leistet, nicht immer nur einer.

 

Eigene Ausweichmanöver erkennen
Möglicherweise erkennen Sie, dass es Ihnen schwerfällt, für Ihre Interessen einzutreten. Sie entschuldigen sich vielleicht ständig dafür, haben ein schlechtes Gewissen oder gar Angst, sie überhaupt zu äußern, geschweige denn, durchzusetzen. Das ist eine hervorragende Gelegenheit, nicht nur den konkreten Sachverhalt anzugehen, sondern auch ein wenig an sich zu arbeiten: Die Ursachen Ihrer Ausweichmanöver zu erkennen und zu beseitigen. Dafür sind Coaching, Mentoring oder Therapie geeignete Wege.

 

Ständiges Nachgeben dem anderen zuliebe ist nicht „partnerschaftlich‟, rücksichtsloses Durchsetzen ebenso wenig. Insbesondere, wenn Sie einen wesentlichen – oder gar den größten – Teil zum Einkommen beitragen, ist es allerdings für die langfristige materielle Sicherheit Ihrer Familie entscheidend, dass Ihre Arbeitskraft erhalten bleibt und Sie sich beruflich weiterentwickeln, um gefragt zu bleiben. Keine Angst also vor dem Gespräch, auch wenn Sie es anfangs scheuen: Es ist wichtig für Sie und alle anderen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Endlich mal was Neues

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

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