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Vereinsamt im Homeoffice: So finden Journalistinnen und Journalisten neue Lebensfreude

Vereinsamt im Homeoffice: So finden Journalistinnen und Journalisten neue Lebensfreude Mediencoach Attila Albert

Viele Medienprofis hatten sich immer gewünscht, von zu Hause aus arbeiten zu können. Dabei dachten sie aber meist an ein bis zwei Tage pro Woche. Nach fast einem Jahr daheim fühlen sich manche daher inzwischen einsam und leer. Mediencoach Attila Albert über Schritte zu neuer Lebensfreude.

Berlin – Die Redakteurin einer Lokalzeitung hatte sich gefreut, als ihre Redaktion vor einem Jahr ins Homeoffice geschickt wurde. Sie hatte seit längerem anstrengende Konflikte mit ihrem Chef und sich im Newsroom nie wohlgefühlt. Plötzlich war sie nur noch per Telefon mit der Redaktion in Kontakt und konnte zu Hause ungestört arbeiten. Aber zunehmend belastete sie die Einsamkeit: Sie saß allein vor dem Computer, tagsüber wie abends. Sie war alleinstehend. Aber an Dating war angesichts geschlossener Lokale und des Ansteckungsrisikos nicht zu denken. Ihre Reisen – bisher die Höhepunkte ihres Jahres – fielen aus. Sie fühlte sich ideen- und antriebslos.

 

Der Ressortleiter eines Wochenmagazins lebte nach seiner Scheidung im Haus seiner Mutter, die stark pflegebedürftig war. Das war für ihn, trotz der Unterstützung durch den Pflegedienst, eine hohe Belastung. Es tat ihm weh, ihren körperlichen und geistigen Verfall ständig miterleben zu müssen. Die Arbeit hatte ihn abgelenkt, dazu seine Aktivitäten vom Sportverein bis zu Barbesuchen mit Freunden. Nichts davon war nun seit Monaten möglich. Er saß nur mit seiner Mutter im Haus. Dazu kam morgens die Pflegehilfe, die er als unsympathisch empfand, auch wenn er froh über ihre Unterstützung war. Sie störte ihn zudem beim Arbeiten, denn dafür nutzte er aus Platzgründen den Küchentisch.

 

Wichtiger Teil des Soziallebens fehlt

Für viele Medienprofis ist das Homeoffice inzwischen zur echten Belastung geworden. Zwar hatten sie diese Möglichkeit immer ersehnt. Aber dabei dachten die meisten an ein bis zwei Tage pro Woche, verbunden mit all den Angeboten (z. B. Sport, Ausgehen, Reisen), die das Leben abwechslungsreich und interessant machen. Für sich allein wäre selbst das dauernde Homeoffice noch erträglich. Aber oft kommen zusätzliche Belastungen hinzu. Die Kinder sind selbst bei einer Öffnung länger als sonst zu Hause, weil die Kita oder der Hort ihre Öffnungszeiten reduziert haben. Ein Ex-Partner lebt noch mit in der Wohnung, der Umzug verzögert sich wegen der aktuellen Lage. Nebenan ist eine laute Dauerbaustelle.

 

Vielen haben die vergangenen Monate gezeigt, dass die Redaktion einen wichtigen Teil ihres Soziallebens darstellt. Man spricht mit Kollegen, wird auch einmal eine private Sorge los, geht gemeinsam in die Kantine oder trinkt einen Kaffee zusammen. Von all den fehlenden privaten Aktivitäten – und sei es ein Besuch in der Bibliothek oder im Kino – gar nicht zu sprechen. Wenn das dauerhaft wegfällt, wird es einsam und reizarm. Für Alleinstehende ebenso wie für diejenigen, die in einer Beziehung leben. Zoom-Calls und Netflix sind kein Sozialleben. Die Umstände schränken viele Möglichkeiten ein. Aber schon kleine Schritte geben mehr Lebensfreude und Kraft.

 

  • Zuerst: Kein schlechtes Gewissen, wenn es Ihnen derzeit nicht so gut geht. Das kann jedem passieren und ist ganz unabhängig davon, was Sie sonst beruflich oder privat leisten. Es ist auch kein Trost, dass es anderen eventuell schlechter geht. Die Umstände sind für alle nicht einfach, aber sie werden sich auch wieder ändern.
  • Bleiben Sie mit Freunden, Verwandten und Kollegen in Kontakt. Keine Daueranrufe, in denen Sie nur über die Coronakrise und Probleme sprechen. Das zieht weiter runter. Melden Sie sich bei jedem gelegentlich einmal. Sprechen Sie ungefähr so viel, wie Sie dem anderen zuhören – und auch über schöne, lustige, gute Themen.
  • Gehen Sie jeden Tag eine Viertelstunde aus dem Haus, auch wenn Sie nichts zu erledigen oder keine Lust darauf haben. Ein wenig Bewegung, Tageslicht und frische Luft heben die Stimmung. Statt einsamer Waldgänge besser in die Stadt, wo Sie andere Menschen, Schaufenster, Kunstwerke o.ä. auf neue Ideen bringen.
  • Wenn Sie inzwischen jeden Tag in T-Shirt und Jogginghose verbringen: Ziehen Sie sich auch für kleine Erledigungen (z. B. Einkauf oder Post) oder ein kleines „Goodie“ (z. B. Kaffee und Cookie von Starbucks) etwas Schönes an. Es tut gut, schon solch eine Kleinigkeit für sich zu tun, und auch andere werden Sie mit Freude sehen.
  • Möglicherweise können Sie kleine Rituale für sich entwickeln, die den aktuellen Umständen ihre Schwere nehmen. Ich treffe mich z. B. derzeit alle zwei Wochen sonntagmorgens mit einem Freund vor einem französischen Bistro. Bei einem Cappuccino und einer Zimtschnecke reden wir draußen, das belebt und regt an.
  • Finden Sie ein Projekt, dass Sie immer schon mal angehen wollten, für das aber sonst nie Zeit war. Vielleicht wollen Sie längst an einem Drehbuch oder Roman schreiben, eine Fremdsprache besser können oder einen Businessplan für Ihren „Exit“ entwerfen? Probieren Sie es jetzt – schon für die Zeit nach der Krise.
  • Falls Sie allein leben: Eventuell finden Sie jemanden, dem Sie ein wenig helfen könnten. Es muss nicht viel sein, z. B. ein- bis zweimal im Monat einen Einkauf übernehmen, auf das Kind aufpassen oder einfach nur ein bisschen zuhören. Das lenkt Sie von Ihren eigenen Sorgen ab, bereichert und ist sinnstiftend für Sie.

 

Vielfach ist eine derartige Krise ein Hinweis darauf, dass gewisse Lebensmodelle in normalen Zeiten ausreichend gut funktioniert haben. Aber nicht mehr, wenn sich die Umstände ändern. Das kann Anlass sein, grundsätzlich neu zu denken und etwas zukünftig anders zu machen. Beim Dating pragmatischer herangehen, mehr Freunde außerhalb des Arbeitsplatzes zu finden, ein Hobby oder eine andere Passion (z. B. kleines Nebengeschäft) zu entwickeln. Sehen Sie die schwierige Phase daher als zwar unerwünschten, aber wertvollen Hinweis auf das an, was Ihnen wirklich wichtig ist.

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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