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Stress im Team: Wie sage ich anderen am besten, dass sie nerven?

Stress im Team: Wie sage ich anderen am besten, dass sie nerven? Attila Albert

Selbst beim besten Arbeitgeber gibt es immer auch einige Vorgesetzte und Kollegen, die einen nerven und stressen. Attila Albert sagt, wie Sie individuell angemessen reagieren.

Berlin – Die Redakteurin eines Wochenmagazins fand ihre Chefredakteurin manchmal unerträglich: Derb im Auftreten, rücksichtslos und eitel. Aber sie war nun mal die Chefin, und andere schätzten sie als entscheidungsstark und selbstbewusst. Ihr Schreibtischnachbar schimpfte seit Jahren auf die Redaktion, war aber immer geblieben. Immerhin war er so auf seine Art zuverlässig. Die Sekretärin vermied Arbeit, wo sie nur konnte, war wegen ihrer mütterlichen Art aber überall beliebt. Gelegentlich, wenn sich die Redakteurin wieder einmal von allen genervt fühlte, dachte sie an einen Wechsel. Aber wäre es woanders nicht ähnlich?

 

Selbst beim besten Arbeitgeber gibt es Vorgesetzte und Kollegen, die einen frustrieren oder ärgern. Da zahlt sich eine Kompetenz aus: Auch gut mit Menschen auskommen und arbeiten zu können, die anders sind als man selbst. Gleichzeitig muss man manchmal offen ansprechen, was einen nervt und stresst. Nicht zuerst, um sich emotional zu entlasten. Sondern, um eine neue gemeinsame Basis zu finden, eventuell sogar eine Veränderung anzuregen. Je nach Typ Ihres Gegenübers empfiehlt sich dabei eine andere Strategie. (Ausführlich dazu in meinem neuen Ratgeber „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!“).

 

1. Ewige Opfer: Verantwortung bewusst zurückgeben

Diese Nervensägen deprimieren mit ihrem Jammern und ihrer hoffnungslosen Weltsicht. Ständig klagen sie über ihre Lage, an der sie aber angeblich nichts ändern können: „Ich habe schon alles versucht.“ Wer Ratschläge gibt, hört Ausreden: „So einfach ist das nicht.“

Beste Gegenstrategie: Nicht mehr trösten oder helfen. Fassen Sie wiederkehrende Klagen zusammen: „Du sagst ja sehr oft, dass …“ Fragen Sie danach: „Was planst du als nächstes?“ Keine Tipps, auch wenn es Sie dazu drängt! Geben Sie die Verantwortung bewusst immer wieder zurück: „Ich bin gespannt, wie du es angehst.“ Mehr ist nicht Ihre Aufgabe.

 

2. Verbissene Rechthaber: Zustimmen, dann für sich gewinnen

Mit ihrer Angriffslust und Besserwisserei erschöpfen diese Nervensägen andere. Sie sind immer im Kampfmodus, obwohl das gar nicht sein müsste. Zu allem müssen sie „Haltung zeigen“, ihre Meinung kundtun und anderen aufdrängen: „Ich sage nur, wie es ist!“

Beste Gegenstrategie: Nicht einschüchtern oder unter Druck setzen lassen. Stimmen Sie ihnen entspannt zu, ohne sich ihre Ansichten zu eigen zu machen oder Ihre Entscheidungen davon beeinflussen zu lassen. „Eine interessante Perspektive! Toll, dass du so engagiert dafür kämpfst.“ Irgendwann erschöpfen sie sich und werden kompromissbereit.

 

3. Schlaffe Zögerer: Akzeptieren, dass viele so leben wollen

Mit ihrer ewigen Unentschlossenheit und Passivität frustrieren diese Nervensägen. Sie wissen zwar genau, was sie nicht wollen. Aber sie schaffen es nicht, sich Ziele zu setzen und sie zu verfolgen: „Ich überlege noch, das muss reifen.“ Das kann Jahre dauern.

Beste Gegenstrategie: Akzeptieren, dass sie trotz ihres Nörgelns insgesamt zufrieden sind und ihr Leben zumindest vorerst so weiterführen wollen. Sie brauchen keine Informationen oder Tipps von Ihnen, um sich endlich zu bewegen. Wenn Sie das auf Dauer stört, zeigt Ihnen das, dass Sie aus Ihrem Umfeld herausgewachsen sind, sich verändern sollten.

 

4. Fürsorgliche Helferseelen: Ermutigen, auch an sich zu denken

Diese Nervensägen ersticken andere mit aufgedrängter Fürsorge und Hilfe. Dafür erwarten sie auch noch Lob und Dankbarkeit. Auf Zurückweisung reagieren sie verletzt: „Ich meine es doch nur gut!“ Schon haben Sie ein schlechtes Gewissen und entschuldigen sich.

Beste Gegenstrategie: Bedanken Sie sich für das Engagement. Entscheiden Sie danach aber fallweise, welche Hilfsangebote Sie wahrnehmen und welche Sie freundlich ablehnen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben oder sich zu rechtfertigen. Ermutigen Sie die anderen stattdessen dazu, mehr an sich zu denken, um sich nicht zu überlasten.

 

5. Übermotivierte Problemlöser: Von ihnen lernen, aber mit Grenzen

Mit totaler Leistungsbereitschaft und Aktionismus stressen diese Nervensägen. Ständig präsentieren sie ehrgeizige Strategien, vollgepackte Aktionspläne, To-do-Listen. Wer da nicht mithalten kann oder will, hört vorwurfsvoll: „Du solltest an deiner Motivation arbeiten!“

Beste Gegenstrategie: Schauen Sie sich ab, was für Sie sinnvoll ist (z. B. bestimmte Arbeitsmethoden, Organisationstechniken, Werkzeuge). Sagen Sie gleichzeitig klar, wenn es zu viel wird: „Ich komme darauf zurück, wenn ich das verarbeiten kann.“ Kein schlechtes Gewissen, wenn Sie Erholung brauchen oder persönlich andere Prioritäten haben.

 

6. Selbstgerechte Weltverbesserer: An den eigenen Maßstäben messen

Diese Nervensägen verkünden hochfliegende Forderungen, wie die Welt sein sollte, meinen damit aber vor allem andere. Sich sehen sie davon ausgenommen, weil sie vermeintlich bereits durch ihre moralische Führung vorangehen: „Wir setzen damit ein Zeichen!“

Beste Gegenstrategie: Messen Sie sie an den selbsterklärten Ansprüchen und ziehen Sie sie in die praktischen Schwierigkeiten und Folgen ihrer Ideen hinein. Stellen Sie sich dazu notfalls dumm: „Wie soll ich das genau machen, wie fangen wir‘s an? Das zwingt sie dazu, Verantwortung für Umsetzung und Ergebnis zu übernehmen, Kompromisse einzugehen.

 

7. Abgehobene Welterklärer: Zu mehr Empathie ermutigen

Mit ihrer analytischen Sichtweise und inneren Distanz lassen diese Nervensägen andere frösteln. „Auf Einzelschicksale kann eben nicht immer Rücksicht genommen werden!“ Sie sehen die Dinge zwar objektiv und richtig, wirken aber oft kühl und unbeteiligt.

Beste Gegenstrategie: Ermutigen Sie dazu, dem Urteil eigene praktische Konsequenzen folgen zu lassen, wenn es nicht bei interessanten, aber wirkungslosen Überlegungen bleiben soll. Erinnern Sie sie zudem daran, dass nicht alle das Leben so abgeklärt sehen, sondern aus unterschiedlichsten, oft emotional gefärbten Perspektiven (Nervensägentypen 1 bis 6).

 

Wer im Job gut unterschiedlichen Persönlichkeiten im Job umgehen kann, arbeitet effektiver und entspannter. Er reagiert auf anstrengende Chefs und Kollegen nicht mehr reflexartig immer gleich, sondern weiß, was jeweils am effektivsten wäre. Das hilft, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen und sich nicht unnötig aufzureiben. Etwa Veränderungen einzufordern, die andere nicht bieten wollen oder können. Gleichzeitig wird dabei klar, ob die Unternehmenskultur eventuell generell nicht passt und man bewusst wechseln sollte. Auch dort wird nicht jeder perfekt sein, aber zumindest so, dass man sich beidseitig arrangieren kann.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Anstrengende Chefs

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.