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Oscar Tiefenthal plädiert für „Qualitäts-Charta“ der Journalistenschulen

Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule in Berlin, fordert eine „Qualitäts-Charta“ der Journalistenschulen. Den Zeitungsverlagen wirft er vor, zu oft ihr eigenes „Ausbildungs-Süppchen“ zu kochen.

Berlin - Die Ausbildungslandschaft für den Journalistenberuf in Deutschland ist so zerklüftet wie die Schweizer Berge. Bevor wir über Zertifizierung reden, brauchen wir einen Diskurs über die notwendigen Ausbildungsinhalte und die Ausbildungsqualität. Die Realität ist: Gemeinsame Qualitätsstandards existieren nicht.

24 Journalistenschulen, etwa 3.000 Volontäre in den Verlagen und Anstalten sowie rund 120 Studienangebote mit journalistischer Ausrichtung an Hochschulen und Universitäten gibt es.

 

Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule.

 

Vergleichbarkeit in Inhalt und Qualität herzustellen und dazu eine neutrale und glaubwürdige Zertifizierungs-Institution zu finden, dürfte nahezu unmöglich sein. Zumal die Ausbildungsinhalte und die Qualität der einzelnen Ausbildungsanbieter oft drastisch auseinanderliegen.

Insbesondere in der akademischen Ausbildung finden sich viele Angebote, die als realistische Vorbereitung auf den Journalistenberuf schlicht nicht tauglich sind.

Nur noch fünf grundständige Ausbildungen nach dem erfolgreichen und praxisnahen Dortmunder-Modell finden sich. Der Bologna-Prozess an den Hochschulen hat in den letzten Jahren wesentlich zu einer Entfernung der Studienangebote von der journalistischen Berufspraxis beigetragen.

Eine aussagekräftige Zertifizierung in diesem Bereich halte ich für sehr schwierig, auch wenn es etwa durch den MedienCampus Bayern interessante Ansätze gibt.

Die Mehrheit der Berufseinsteiger geht noch immer den Weg des klassischen Verlags-Volontariats. Die Eckpunkte der Ausbildung legt ein mittlerweile 24 Jahre alter Tarifvertrag fest.

Die damals definierten Ausbildungs-Inhalte sind heute nicht mehr zeitgemäß. Festgelegt wurde die Verpflichtung der Ausbildungsbetriebe einen vierwöchigen überbetrieblichen Volontärkurs im ersten Jahr und zwei Wochen im zweiten Jahr zu ermöglichen. Insgesamt sechs Wochen Grundlagenausbildung sind kaum ausreichend den gestiegenen Anforderungen im Beruf gerecht zu werden.

 

Unser Gastautor: Oscar Tiefenthal leitet seit 2009 die Evangelische Journalistenschule in Berlin. Tiefenthal, Jahrgang 1956, hat Rechts- und Politikwissenschaften in Hamburg studiert, bevor er bei der Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ (HAN) Mitte der 1980er Jahre volontiert hat. Danach war er in verschiedenen Funktionen bei Axel Springer tätig, unter anderem bei „Bild“ und „Welt am Sonntag“. Von 2002 bis 2009 war er Stellvertreter des Chefredakteurs beim „Nordkurier“ in Neubrandenburg.

 

Doch selbst daran hält sich heute kaum noch ein Verlag. Viele Verlage haben sich aus Kostengründen aus dem Tarifvertrag verabschiedet und kochen ihr eigenes Ausbildungssüppchen, meist wenig systematisch.

In diesem Bereich wären gemeinsame Standards und eine Art Gütesiegel sehr hilfreich, um Berufseinsteigern die Orientierung zu erleichtern. Daran ist aber nicht zu denken, bevor nicht Verlegerverbände und Gewerkschaften endlich ihre Hausarbeiten erledigen und den bestehenden Tarifvertrag den Realitäten anpassen.

Nur eine Minderheit findet den Berufszugang über eine der verlagsgebundenen oder freien Journalistenschulen.

Die Qualität der Ausbildung hängt dort wesentlich von der Qualität der Trainer ab. Hier wünsche ich mir regelmäßige und gemeinsame Train-the-Trainer-Seminare und eine intensive Diskussion über die Curricula.

Unter den Journalistenschulen ist eine Verständigung über gemeinsame Qualitätsstandards durchaus denkbar. Wir brauchen ein deutliches Signal, um die unverzichtbare Diskussion über Inhalt und Qualität der Ausbildung zu befeuern.

Eine gemeinsame „Qualitäts-Charta“ der Journalistenschulen wäre ein guter Anfang.

Oscar Tiefenthal

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