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Ulrike Kaiser: "Zertifizierungen sind kein Allheilmittel"

"Die Auseinandersetzung mit Fragen der Qualitätssicherung ist bereits ein Wert an sich", erklärt Ulrike Kaiser. Mit klaren Worten schaltet sich die stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands in die Newsroom.de-Diskussion um die Zertifizierung von journalistischer Weiterbildung ein.

Düsseldorf - Darüber brauchen wir uns wirklich nicht zu streiten: Journalismus gleicht keiner Schraubenproduktion. Bei der Schraubenproduktion lässt sich Qualität exakt messen. Material, Länge, Durchmesser, Gewicht, Stabilität – alles kann normiert werden; die Qualität der Schrauben erweist sich dann als gut, wenn sie uniform die Vorgaben erfüllen. Eine Schraube entspricht der anderen.

Journalismus als geistige Arbeit setzt sich hingegen jeden Tag aufs Neue in unterschiedlich anspruchsvollen Medien mit wechselnden Themen und Situationen auseinander. Journalismus zielt auf kreative Vielfalt und gerade nicht auf Gleichheit seiner Produktionsergebnisse.

 

Die stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende Ulrike Kaiser ist Sprecherin der Initiative Qualität im Journalismus (IQ). Foto: DJV/Anja Cord

 

Analog lässt sich auch die Aus- und Weiterbildung im Journalismus nicht in exakt definierte Normen pressen – weder von der Form her noch bezogen auf die Inhalte. Das will in der Aus- und Weiterbildungsdebatte erkennbar auch niemand.

Selbst wenn darin von Qualitätssicherung und Standards, von Zertifizierung und Gütesiegeln die Rede ist: Dies mit einer Normierung der Inhalte gleichzusetzen, gar mit verdeckter Medienkontrolle, entspräche einem groben Missverständnis. Vielmehr gelten Lob und Preis generell, aber auch Brief und Siegel auf Basis eines Prüfverfahrens als probate Mittel der Qualitätsförderung. Und um die dreht sich die Ausbildungsdebatte

Das neue DJV-Memorandum empfiehlt eine Vereinbarung von Qualitätsstandards in der journalistischen Aus- und Weiterbildung und freiwillige Zertifizierung beispielsweise von Volontariaten.

Die Vorteile solcher Gütesiegel liegen auf der Hand.

Anbieter von Aus- und Weiterbildung fördern interne Qualitätskontrolle durch kritische Bestandsaufnahme, Vermittlung neuer Ideen für Curricula und Best-Practice-Beispiele, die als Vorbild zur Optimierung eigener Ausbildungsaktivitäten dienen.

Auszubildende bzw. Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Weiterbildung erhalten Orientierungshilfe in einem Angebotsdschungel, den Oscar Tiefenthal an dieser Stelle bereits beschrieben hat.

Es geht um Diskurs, Transparenz, Qualitätssicherung und Qualitätsförderung, Orientierung, Kooperation und Koordination zwischen Bildungsinstituten, Ausbildern, Praktikern, dem journalistischen Nachwuchs und Wissenschaftlern. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Ganz und gar nicht geht es um „Lust an der Kontrolle“, wie Christian Sauer im Newsroom.de-Beitrag befürchtet.

Freiwilligkeit, Selbstkontrolle und (selbstverständlich) Staatsferne bleiben Schlüsselbegriffe.

Nicht von ungefähr haben sich die Befürworter eines intensiveren Qualitätsdiskurses Anfang des Jahrtausends vehement (allerdings erfolglos) gewehrt gegen die amtlich verordnete Zertifizierung von journalistischen Bildungsträgern, die in den Genuss öffentlicher Zuschüsse kommen wollen.

 

Unser Gastautorin: Ulrike Kaiser, Jahrgang 1952, ist Sprecherin der Initiative Qualität im Journalismus (IQ). Die freie Medienfachjournalistin ist stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Von 1985 bis 2007 war Kaiser Chefredakteurin des Gewerkschaftsorgans „Journalist“, davor war sie als Bildungsreferentin am Hagener Haus Busch tätig. Die Diplom-Pädagogin hat bei der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ volontiert, als Redakteurin gearbeitet und im Anschluss an der Universität Bielefeld Pädagogik, Psychologie und Soziologie studiert. Die preisgekrönte Journalistin engagiert sich ehrenamtlich in journalistischen und medienpolitischen Gremien, ist zudem Mitglied der LfM-Medienkommission und des Rats für deutsche Rechtschreibung.

 

Die freiwillige (!) Zertifizierung hingegen bietet sich als ein möglicher Weg unter mehreren an.

Unsinnig, Zertifizierungen als Allheilmittel zu sehen. Zertifizierungsverfahren (das suggeriert schon der Begriff) sind aufwendig und kosten Geld. Zeit und Geld aber haben die Bildungsinstitute eh zu wenig. Allerdings kann ein Zertifizierungsprozess, so er professionell, verantwortlich und diskursiv gestaltet wird, deutliche Hinweise geben auf Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten, auf Perspektiven für die Arbeit, das kollegiale Miteinander und das Standing nach außen.

Zertifizierungen beziehen sich ohnehin weitgehend auf Rahmenbedingungen der Institution (Ausstattung, Personal), und nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Seminare.

Christian Sauer merkt zu Recht an, dass sich das einzelne Angebot, das Miteinander in einem Seminar, die Empathie eines Weiterbildners der Zertifizierung entziehen. Allerdings kann geprüft und diskutiert werden, ob es beispielsweise systematisches Feedback zwischen Teilnehmern, Institut und Trainern gibt, ob die einzelnen Weiterbildner entsprechend vorgebildet sind, intern gecoacht werden und selbst Gelegenheit zur Weiterbildung (Train the Trainer) bekommen. Die Auseinandersetzung mit diesen und anderen Faktoren der Qualitätssicherung ist bereits ein Wert an sich.

Qualitätssicherung und Qualitätsförderung lässt sich auch auf anderen Pfaden erreichen. So bildet die freiwillige Selbstverpflichtung auf gemeinsame Transparenzregeln, wie sie die Leiterinnen und Leiter der wichtigsten journalistischen Bildungsinstitute nach langem Diskussionsprozess vereinbart haben, einen Anfang zu mehr Offenheit und Service.

Formaler als die Selbstverpflichtung und ähnlich aufwendig wie ein Zertifizierungsverfahren präsentiert sich das Qualitätssiegel, das ein Expertengremium des MedienCampus Bayern in München auf Antrag an Institutionen der Medienausbildung verleiht.

Und die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Rundfunk (aer) in Frankfurt bemüht sich mit einer plural zusammengesetzten Jury, Vorbilder für Volontariate im Privatfunk zu ermitteln und auszuzeichnen, um auch dort Impulse für Ausbildungsqualität zu setzen.

Die Qualität all solcher Initiativen muss sich daran bemessen lassen, wie fundiert ihre eigenen Ansprüche sind, ob sie (juristische) Konflikte durch ablehnende Bescheide wagen und ob ihre Entscheidungen dem kritischen Blick der Branche Stand halten.

Dieser kritische Blick richtet sich zunehmend auf die Aus- und Weiterbildungssituation im Journalismus generell.

Das jüngste Herbstforum der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) ergab im Oktober 2013 deutliche Zweifel daran, dass die Ausbildung von heute adäquat auf den Journalismus von morgen vorbereitet.

Die Kritik zielte insbesondere auf das Volontariat und auf als schmalspurig erscheinende Hochschulstudiengänge.

Eines einte die Experten weitgehend: Sie halten eine breite Debatte über Aus- und Weiterbildung für notwendig. Diese einzuleiten und dabei unterschiedlichste Mittel zu erörtern ist Ziel des DJV-Memorandums.

Aus purer Lust am Journalismus und an seiner Qualität.

Ulrike Kaiser

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