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Trust me, I´m lying − Podiumsdiskussion mit Bundesjustizministerin Katarina Barley

Trust me, I´m lying − Podiumsdiskussion mit Bundesjustizministerin Katarina Barley

Unter dieser Überschrift hatte der Landesverband Berlin/Brandenburg der DPRG am 18. April zu einer Podiumsdiskussion mit prominenter Besetzung beim Tagesspiegel eingeladen. Prominent deshalb, weil mit Justizministerin Katarina Barley nicht nur die ranghöchste Verbraucherschützerin anwesend war, sondern mit Bernhard Rohleder, dem Hauptgeschäftsführer des Bitkom, ein hoher Vertreter des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Prominente Mitdiskutantin an diesem Abend war Laura Himmelreich, die Chefredakteurin von VICE.com. Diejenigen, die Laura Himmelreich noch mit Dirndl und Rainer Brüderle in Erinnerung hatten, sollten sich noch wundern, aber dazu später mehr.

Sabine Clausecker, die Landesvorsitzende und Co-Vorsitzende der DPRG, eröffnete den Abend mit einer kurzen Vorstellung der DPRG. Sie erklärte, dass der DPRG mit über 2.000 Mitgliedern in neun Landesgruppen und 15 Arbeitskreisen nicht nur aus Konsumentensicht, sondern vor allem aus professioneller Sicht der Frage nachgehen wolle, wie man im digitalen Medienzeitalter mit Fake News und hate speech umgehen solle. Bei einer ausdifferenzierten Medienlandschaft mit vielen Kanälen brauche es „digital maturity“, denn gewaltfreie Kommunikation sei ein erklärtes Ziel der DPRG, betonte Clausecker.

Katarina Barley durfte nach einer kurzen Einführung der Gäste durch den gastgebenden Moderator Sebastian Turner, Verleger des Tagesspiegel, als erstes ein paar einleitende Bemerkungen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz NetzDG, machen. In der Entstehungsphase und auch danach hatte das NetzDG viele Kritiker auf den Plan gerufen. Barley unterstrich, dass das Gesetz noch unter der Ägide ihres Vorgängers, Heiko Maas, zustande gekommen sei, sie es aber ebenso für notwendig und wichtig erachte. Schon vorher hätte es die Pflicht gegeben, strafbare Inhalte zu entfernen. Aber nur in einem Prozent der Fälle sei dies geschehen, weshalb das NetzDG notwendig wurde. „Das Netz ist kein rechtsfreier Raum“, betonte die Justizministerin; und Meinungsfreiheit ende „dort, wo strafbare Inhalte beginnen.“ Jeder könne im Netz zur Angriffsscheibe werden, verteidigte Barley das NetzDG und fügte hinzu: „Jeder hat den Schutz des Gesetzes verdient.“

Bernhard Rohleder wirkte anfangs noch recht unprätentiös, dieser Eindruck relativierte sich spätestens nach seiner ersten Aussage: „Wir vertreten 2.500 Unternehmen und davon ist Facebook nicht einmal das wichtigste.“ Rohleder wies auf die Genese des NetzDG hin, welches nach einem Doppelinterview der damaligen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) initiiert worden war. „Ist es Aufgabe der Wirtschaft, die Strafbarkeit von Inhalten festzustellen? Und mit welchem Personal? Verrutschen hier nicht die Koordinaten?“ fragte er kritisch und bemerkte „die Regierung spielt hier Richter und Polizist, das kann nicht sein.“

Laura Himmelreich wies auf ein allgemeines Missverständnis hin: „Das Internet ist nicht Facebook!“ Sie fragte, warum Facebook vom NetzDG betroffen sei, Spielplattformen oder andere Foren wie beispielsweise Tumblr nicht. Die Probleme würden dadurch nicht gelöst, sondern verschoben, erklärte sie. Zudem erführe man nicht, weshalb ein Post gelöscht und weshalb Meinung zensiert werde. Als Beispiel führte sie gelöschte Inhalte von Satire-Magazinen auf. Transparenz sei daher notwendig, sonst käme das Gesetz mit der Meinungsfreiheit in Konflikt.

Nach diesen einleitenden Statements wurden die genannten Aspekte durch Nachfragen des Moderators Sebastian Turner noch ausführlicher diskutiert. Die bereits bekannten Kritikpunkte am NetzDG wurden wiederholt. Auch wenn ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz aufgrund der rasanten Zunahme von Fake news und Hate speech notwendig wurde, so scheint es weiterhin Schwächen zu haben − und viele Kritiker. Das Gesetz ist nun mehr als 100 Tage in Kraft. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Gesetz auf die Diskussionskultur im Netz auswirkt. Ein älterer Zuhörer aus der gut besuchten Podiumsdiskussion warf ein, dass es möglicherweise ohne ergänzende pädagogische Maßnahmen für mehr Medienkompetenz nicht gehen würde. „Digital maturity“, wie Sabine Clausecker es einleitend formulierte, sei ein wichtiger Aspekt, aber „Stoff für eine weitere Veranstaltung“. Mit diesen Worten schloss Verleger Sebastian Turner und verabschiedete die Gäste des gelungenen Abends.

Titelfoto v.li.n.re.: Sebastian Turner, Katarina Barley, Bernhard Rohleder, Laura Himmelreich

Sabine Clausecker

v.li.n.re.: Sebastian Turner, Katarina Barley, Bernhard Rohleder, Laura Himmelreich

 

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