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2026: Neustart statt Dauerstress – Wie Medienprofis der Überlastung entkommen

2026: Neustart statt Dauerstress – Wie Medienprofis der Überlastung entkommen Attila Albert

Immer mehr Journalistinnen und Journalisten arbeiten am Limit. Mediencoach Attila Albert erklärt, warum so viele Fachleute in die Ressourcenfalle geraten – und welche Strategien wirklich helfen, um 2026 mit mehr Klarheit, Fokus und Belastbarkeit zu starten.

Berlin – Die letzten Wochen des Jahres sind – da nun immer mehr Projekte abgeschlossen werden und sich der Blick auf die Feiertage richtet – eine gute Gelegenheit für einen persönlichen Rückblick. Wie war das Jahr? „Anstrengend“, werden viele Medienprofis wieder einmal sagen und sich danach daran erinnern, dass sie schon seit Jahren diesen Eindruck haben. Manche müssen auch einräumen: „Eigentlich schaffe ich das alles gar nicht, zumindest nicht auf Dauer.“ Gerade in einer Zeit, in der ständig von „Nachhaltigkeit“ und „Achtsamkeit“ geredet wird, arbeiten erstaunlich viele Berufstätige weder nachhaltig noch achtsam sich selbst gegenüber. Der Abschluss des Jahres kann der Anlass sein, es sich für 2026 anders vorzunehmen.


Genaue Ursache der Überlastung ermitteln

Überlastung kann viele Ursachen haben, daher sollte am Anfang immer eine genaue Analyse stehen: Woran liegt es, dass man ständig zu viel zu tun hat und deswegen gestresst ist? Viele Faktoren können für sich oder in Kombination eine Rolle spielen: Mangelhafte Ausrüstung (z. B. zu langsamer Computer, ungeeignete Software), fehlende Ressourcenplanung (z. B. mehr Aufgaben, als das Team leisten kann, zu geringes Budget für externe Unterstützung), schlechte Arbeitsorganisation (z. B. unklare Anweisungen, ständige Unterbrechungen) oder unzureichendes Selbstmanagement (z. B. ständig allen helfen wollen, keine Grenzen setzen). All das lässt sich per Absprache lösen bzw. lernen.
(Ausführlich zum Abgrenzen in beruflichen und privaten Beziehungen mit einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis in meinem Ratgeber „Ich mach da nicht mehr mit“.)


Gelegentlich kommen Medienprofis bei diesen Überlegungen auch zum Schluss, dass es an ihnen liegt: Sie haben einfach genug von dieser Tätigkeit; ihre persönlichen Interessen und Prioritäten passen nicht mehr dazu. Dieser innere Konflikt belastet und stresst sie, gar nicht so sehr der Job. Zwei häufige Ursachen hier: Drängende private Verpflichtungen (z. B. kleine Kinder, pflegebedürftiger Angehöriger), bei denen man während der Arbeit gedanklich immer wieder ist. Oder der Betreffende hätte sich längst weiterentwickeln müssen, hat die Veränderung aber bisher gescheut. So arbeitet er routiniert, aber lustlos und häufig genervt, weil er gar nicht mehr hin sein will. Hilfreich hier: Eine Karriereberatung.


Auf das Entscheidende konzentrieren

Prioritäten sind selbstverständlich immer entscheidend, um einer Überlastung zu entgehen. Das ist jedem klar, stößt jedoch oft an Grenzen. So dürfen Angestellte vieles gar nicht selbst entscheiden, sondern müssen den Anweisungen ihrer Vorgesetzten folgen. Hier empfiehlt es sich, das Gespräch zu suchen und ruhig und sachlich zu argumentieren (z. B. wie lange eine bestimmte Aufgabe realistisch dauern wird, warum man dafür andere streichen sollte). In solchen Gesprächen ist es entscheidend, immer auch genau zuzuhören und auf die Zwischentöne zu achten: Dringt man durch, wird das eigene fachliche Urteil akzeptiert und berücksichtigt? Wenn nicht, fehlt auf Dauer die Basis für eine gute Zusammenarbeit.


Ebenso häufig ist das Fehlen von klaren Kriterien, nach denen die Prioritäten festgelegt werden. Nur diese schaffen eine klare, objektiv nachvollziehbare Entscheidungsbasis dafür, was man zuerst angeht und was dafür zurückstehen muss. Beispiel: Ein freier Journalist mit geringen und sogar sinkenden Umsätzen müsste sich ganz auf die Akquise von neuen Kunden und Aufträgen konzentrieren, auch wenn vieles andere „interessant“ ist. Ein weiteres wichtiges Kriterium: Sich auf das konzentrieren, was man selbst beeinflussen kann. Wer drängende eigene Probleme hat, sollte sich zum Beispiel nicht ständig gedanklich mit den Problemen anderer oder mit den jeweils aktuellen Weltkrisen beschäftigen.


Nicht mehr alles selbst machen wollen

Ein Teil der Sparmaßnahmen in den Unternehmen bestand in den vergangenen Jahren darin, mehr Aufgaben ins Team zurückzuverlagern und weniger Externe zu beauftragen. Beispiel: Der Student, der bisher abends die Zeitungsseiten prüfte und korrigierte, wurde gestrichen. Die Aufgabe fällt seitdem zusätzlich den Redakteuren zu. Im Einzelfall waren das immer nur hier und da kleine Zusatzaufgaben, doch sie haben sich inzwischen derart summiert, dass sie das Team überlasten. Hier empfiehlt sich ein mindestens jährlicher interner Workshop allein zu der Frage, welche Aufgaben man selbst bewältigen kann, was eventuell doch wieder ausgelagert oder ganz gestrichen werden kann.


Individuell sollten Medienprofis in Absprache mit ihren Vorgesetzten entscheiden, was ihre Kernaufgaben sind. Idealerweise mit der anteiligen Verteilung in der Stellenbeschreibung und in den Jahreszielen (Protokoll des Mitarbeitergesprächs) festgehalten und anschließend fortlaufend überprüft. Das macht es leichter, zusätzliche Aufgaben abzulehnen bzw. darauf zu drängen, dass andere sie übernehmen, etwa auch wieder freie Mitarbeiter. Gerade, wer persönlich hilfsbereit ist und gern kooperativ arbeitet, muss im heutigen Umfeld lernen, professionelle Grenzen zu setzen. Auch im Privaten lässt sich vieles an externe Helfer delegieren, um sich auf das Entscheidende konzentrieren zu können.


Realistischen Zeitbedarf einkalkulieren

Häufig wird von Medienprofis mit ihrem Fokus auf die Tagesproduktion vergessen, dass zu jeder Aufgabe neben der reinen Umsetzung viele weitere Arbeitsschritte gehören: Planung, Vorbereitung, Abstimmung, Dokumentation und Ablage, für Selbständige dazu das eigene Marketing und die Abrechnung – und dafür immer Absprachen und weitere Kommunikation (z. B. Terminvereinbarungen, Nachfragen, Kalendereinträge). Dieser Zeitbedarf muss der reinen Produktionszeit aufgeschlagen werden, 40 Prozent plus sind völlig realistisch. Besonders wichtig ist das für Journalisten, die erstmals auch PR-Aufträge und damit auch einen Teil des Projektmanagement übernehmen, um sich nicht ganz zu verkalkulieren.
Zur Selbstkontrolle empfiehlt es sich immer, die geleisteten Arbeiten und den Zeitbedarf in 15-Minuten-Schritten zu notieren, zumindest probeweise einmal über einen Monat. Es ist für einen selbst erstaunlich, wie sehr sich vermeintliche Kleinigkeiten – hier ein Anruf, dort eine E-Mail – summieren.

 

Daneben lassen sich mit solch einem Protokoll auch bisher verborgene Zeitfresser identifizieren. Beispiel: Kollegen, die einen regelmäßig „um einen Gefallen bitten“ („Kannst du nicht mal schnell…?“), einen in Wahrheit aber ungeplant und zeitlich nicht budgetiert beauftragen. Jede externe Ablenkung senkt die eigene Produktivität, ebenso das ständige gedankliche Umschalten auf eine neue Aufgabe.


Prüfen, ob KI-Nutzung wirklich Zeit spart

Die Anbieter von KI-Anwendungen – und die Arbeitgeber, die diese einführen – versprechen, dass sich damit viel Zeit sparen ließe und man effektiver arbeiten können. Vergessen wird dabei oft der zusätzliche Zeitbedarf für die Prüfung und Korrektur der KI-Ergebnisse, die vielfach eigentlich nicht akzeptable Fehlerraten und weitere Qualitätsmängel aufweisen. Als Angestellter muss man sie meist trotzdem nutzen, sollte aber trotzdem für sich prüfen, ob man in der Summe damit wirklich Zeit spart. Wenn nicht, bietet es sich zumindest in den üblichen Evalierungsgesprächen an, das anzusprechen. Nur so lassen sich die Anwendungen und Arbeitsprozesse verbessern bzw. im Einzelfall ganz überdenken.
Generell haben sich in den meisten Redaktionen über die Jahre zu viele digitale Plattformen, Werkzeuge und Kanäle angesammelt, die jeweils Zeit für die Nutzung, Pflege (z. B. der Eintrag bzw. Daten) und Wartung brauchen. Auch das addiert sich und sollte deshalb mindestens jährlich hinterfragt werden: Was kann weg, weil es nicht mehr relevant ist oder der Aufwand in keinem guten Verhältnis zum Nutzen steht? Im Privaten gilt auch das ebenso: Regelmäßig alle eigenen Webanwendungen (z. B. Browser-Lesezeichen und -Erweiterungen), Apps auf dem Handy, Online-Benutzerkonten aller Art, Newsletter-Abos usw. durchsehen und alles löschen, was einen unnütz beschäftigt und aufhält.

 

Zur vergangenen Kolumne: Mehr Erfolg durch Spezialisierung

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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