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Wenn der Journalismus dich auffrisst

Wenn der Journalismus dich auffrisst Attila Albert

Mediencoach Attila Albert über die Gefahr, sich vom Alltag auffressen zu lassen – und warum es entscheidend ist, die eigene Lebensrichtung bewusst zu wählen, bevor andere sie bestimmen.

Berlin – Die alltäglichen Verpflichtungen, beruflich wie privat, sind schon zahlreich genug, um einen ständig beschäftigt zu halten. Die meisten empfinden sie zudem als anstrengender als früher: Der Arbeitgeber scheint sich nur noch im Umbruch zu befinden, Kolleginnen und Kollegen melden sich häufiger krank. Erledigungen wie Behördengänge und die Suche nach einem Arzt sind schwieriger geworden. Die Weltlage besorgt und belastet. So hat man bereits genug damit zu tun, seinen Alltag zu bewältigen – und vergisst oder verschiebt deswegen immer wieder eine wichtige Grundsatzfrage: Wie es eigentlich für einen weitergehen soll.


Fast erscheint diese Überlegung wie ein frivoler Luxus, wie eine Tagträumerei, die man sich „gerade jetzt“ nicht erlauben sollte oder kann. Ebenso denken viele in unserer Zeit der Enttäuschung und Ernüchterung: Hat es überhaupt Sinn, sich etwas vorzunehmen, wenn man es vielleicht gar nicht erreicht? Aber wer nicht weiß, was und wohin er will, lässt andere – die Umstände und Zufälle – entscheiden. Eine Rolle spielen sie immer, aber jeder hat auch Spielräume, etwas zu entscheiden und zu gestalten – und so die Chance zu erhöhen, sein Ziel zu erreichen. Daher braucht es die Klarheit, wo man steht und wohin man will.


Es ist zu wenig, nur gegen etwas zu sein
„Will ich mein Leben überhaupt so, wie es gerade ist?“ ist ein Aspekt der Überlegungen. „Was will ich vielleicht nicht mehr, was wünsche ich mir stattdessen?“ Gerade der letzte Teil fällt denjenigen, die vor allem auf Ablehnung fokussiert sind, schwer. Sie wissen – wegen vieler innerer und äußerer Kämpfe – zwar genau, wogegen sie sind. Aber es ist für sie fast unmöglich, eine positive Vision zu formulieren, wie es stattdessen sein sollte. Das hat Folgen. Wer sich ständig in Konflikten aufreibt, will zwar „endlich weg“, landet aber nicht selten bald wieder in derselben Situation, weil er es gar nicht mehr anders kennt und kann.


Daher braucht es einen positiven Gegenentwurf: eine Vorstellung des zukünftigen Lebens in allen Aspekten – Beruf, Einkommen, Beziehung und Familie, Wohnort und Freizeit usw. –, so konkret und so stimmig wie möglich. Er hält fast immer Elemente des aktuellen Lebens; kaum jemand sucht den kompletten Bruch, aber zukünftig vielleicht anders gewichtet und ausgestaltet. Beispiel: Eine Redakteurin möchte zwar weiterhin journalistisch arbeiten, aber nicht mehr täglich in die Redaktion müssen und ihren Takt stärker selbst bestimmen. Ein Umzug aufs Land – mehr Grün, mehr Ruhe und geringere Kosten – und selbstständiges, projektbezogenes Arbeiten von dort aus wäre dann vielleicht ein passendes Ziel.


Ein ruhigeres Leben kann auch ein Ziel sein
Eine häufige Fehlannahme ist, dass das wohl bedeute, man müsse sich immer das nächste Ziel setzen und mehr erreichen („sich optimieren“). Für manche ist das ein erstrebenswertes und passendes Lebensmodell: die ständige Herausforderung – wenn auch mit Erholungsphasen und Pausen. Andere wünschen sich für ihre Zukunft aber das Gegenteil: weniger Erfolgs- und Zeitdruck, weniger Verpflichtungen und Termine, mehr Ruhe und Zeit. Beides hat seine Berechtigung, seinen Preis und seine Konsequenzen. Zwar gibt es objektiv gute und schlechte Ziele, aber ansonsten viel Raum für eigene Präferenzen.


„Was würdest du an meiner Stelle machen?“, fragen manche die Menschen in ihrem Umfeld. „Was rätst du mir?“ Das ist verständlich, aber nicht sehr empfehlenswert – auch wenn es sich um persönlich geschätzte Ratgeberinnen und Ratgeber (Eltern, Freunde) handelt. Sie haben oft ganz andere Vorstellungen davon, wie ein gelungenes Leben aussieht und was sie glücklich machen würde, kennen sich auch fachlich vielfach nicht gut aus. Hilfreicher sind hier kompetente, neutrale Gesprächspartner wie ein Mentor oder eine Karriere- bzw. Lebensberaterin. Zu einem gewissen Grad ist es hilfreich, sich die Lebensentscheidungen anderer anzuschauen und für sich zu prüfen. Danach muss man aber seinen eigenen Weg finden und gehen.


Die kleinen Chancen des Alltags nutzen
Lebensziele mögen anfangs unrealistisch erscheinen, sind es aber auf den zweiten Blick meist nicht. Viele sind sogar recht konventionell: Karriere machen, heiraten und eine Familie gründen, ein Unternehmen starten, ein Haus kaufen, in ein anderes Land ziehen. Unzählige haben das bereits erreicht – man kann es also selbst mit der berechtigten Hoffnung angehen, es ebenso zu schaffen. Ich selbst habe als Coach schon viele Medienprofis begleitet, die einen Lebenstraum hatten, der unmöglich oder zumindest sehr schwierig schien. Jahre später blickten sie zurück und konnten für sich feststellen: geschafft.


Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Richtungsentscheidung – wohin man also im Leben will. Damit bekommt alles ein Ziel: die wenigen großen Entscheidungen, ob man z. B. diese Weiterbildung beginnt oder jenes Stellenangebot annimmt, und die unzähligen kleinen Entscheidungen des Alltags – ob man sich z. B. lieber dem Knatsch in der Redaktion oder daheim Instagram oder Netflix widmet, oder besser anderem, das einen weiterbringt. Wie man irgendwann selbst feststellt, gehen die Lebensjahre schnell vorbei. Man will später nicht zurückblicken und feststellen müssen, dass man sie vergeudet und „das falsche Leben gelebt“ hat.

 

Zur vergangenen Kolumne: Jobhopper oder Karriereprofi?“

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

www.media-dynamics.org 

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