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Kreativität statt Krise: Warum neue Ideen gerade jetzt zählen

Kreativität statt Krise: Warum neue Ideen gerade jetzt zählen Attila Albert

In vielen Redaktionen herrscht Ideenmangel – und Resignation. Karrierecoach Attila Albert erklärt, wie Medienprofis ihre Kreativität neu entfachen, Denkblockaden überwinden und wieder ins Machen kommen.

Berlin – Herausfordernde Zeiten stellen viele persönliche Kompetenzen auf die Probe, eine aber ganz besonders: Die eigene Kreativität, die mehr als schöpferischer Ausdruck ist. Sie verhilft dazu, vorhandene Probleme zu lösen und dadurch erfolgreicher zu sein und besser zu leben. Wer beispielsweise mit seiner Arbeit nicht mehr hinterherkommt, kann sich neue Abläufe überlegen, die einfacher und effektiver sind. Wessen redaktionelle Formate immer weniger Resonanz finden, der kann gefragtere Alternativen entwickeln. Wer als Freier zu wenig verdient, kann sich neue Tätigkeitsfelder oder andere Angebote überlegen. All das ist Kreativität: Gedankliche Bemühung, eine Schwierigkeit zu überwinden.


Viele Menschen beschäftigen sich allerdings gerade in schwierigen Zeiten, beruflich wie privat, lieber mit anderen. Sie belassen es bei Problembeschreibungen, erläutern lange, warum es gar keine Lösung geben könne, suchen Schuldige oder fordern, das zuerst andere etwas tun müssten. In den meisten Meetings kann man Teammitglieder beobachten, die so argumentieren. Sie haben dafür ihre Gründe, aber keine guten. Wer Probleme lösen und damit loswerden will, muss Kreativität entwickelnund zum eigenen Vorteil einsetzen: Sich etwas überlegen, damit es besser läuft, und es umsetzen.


Immer wieder neuen Ideen aussetzen

Manchen fällt nur schon gar nichts Neues oder Originelles ein. Sie haben keine Ideen, sondern wiederholen nur Altbekanntes, Banales und Langweiliges. Das hat nicht zwingend etwas mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu tun („betriebsblind“). Manche bewahren sich einen frischen Geist über das Rentenalter hinaus. Sondern eher: Mit mangelnder Neugier, mit Desinteresse an der näheren und weiteren Umgebung – was tut sich anderswo und warum, was könnte man daraus lernen, eventuell übernehmen? Häufig lassen sich Einsichten übertragen. So hat die Medienbranche viel von der IT adaptiert, neben den digitalen Werkzeugen auch Arbeitsmethoden (z. B. Design Thinking, Agilität) und selbst die Büroeinrichtung. Auch als einzelner Medienprofi darf man sich etwas abschauen.


Kaum eine kreative Idee entsteht aus dem Nichts. Sie baut im Normalfall auf früheren Ideen auf, entwickelt sie weiter, hinterfragt einzelne Aspekte oder kehrt sie komplett um. Manchmal geht das spontan, indem man einen Vorschlag anderer direkt aufgreift, oft reicht man dafür aber auch weit in die Vergangenheit zurück. Wer selbst kreativ sein will, muss sich also regelmäßig den Ideen anderer aussetzen. Jedes denkbare Format ist dafür geeignet: Gespräche, Veranstaltungen, Besichtigungen, Magazine, Bücher, Musik, Videos, Filme, Games usw. Wichtig nur: Es muss neu, überraschend und lehrreich für Sie sein. Fällt Ihnen nichts mehr ein, brauchen Sie mehr Abwechslung und geistige Anregung.


Offen für Neues und Veränderungen

Das kollidiert allerdings bei vielen – spätestens ab dem mittleren Lebensalter – mit der Tendenz, Neues nach einem flüchtigen Blick abzulehnen und sich generell Veränderungen zu verschließen. Die Persönlichkeit verfestigt sich mit den Lebensjahren. Man hat seine Ansichten und Vorlieben und weiß genau, was man „nicht gut findet“. Passt man nicht auf, wird schleichend Borniertheit daraus, und irgendwann muss man feststellen, dass sich die Welt ohne einen weitergedreht hat. Man hat „den Anschluss verpasst“, ist geistig erstarrt und wähnt sich noch im Recht („Altersstarrsinn“). Das ist im Privaten schon problematisch, im Berufs- und Geschäftsleben gerät man damit langfristig ganz ins Abseits.


Dagegen hilft, sich immer daran zu erinnern, dass die Entwicklung ständig weitergeht, ob es einem passt oder nicht. Neue Technologien und Trends kommen auf, Ziele und Wertvorstellungen ändern sich; andere werden wieder danach kommen. Das heißt nicht, dass man alles Neue gut finden muss. Aber: Sich dafür interessieren, warum sie aufgekommen ist, was – aus Sicht der Unterstützer – dafür spricht und wie man es sich eventuell selbst zunutze machen könnte. Hilfreich dafür ist es, ganz unterschiedliche Freunde und Bekannte zu haben und sie über ihre Träume, Ziele und Leidenschaften erzählen zu lassen. Man muss sie nicht teilen, aber Begeisterung steckt an und inspiriert zu eigenen Ideen.


Vielen, die weitgehend allein arbeiten – vom Alleinredakteur bis zum Einzelunternehmer – fehlt auch der berufliche Austausch. Einige Zeit kann man von seiner kreativen Substanz leben, erschöpft sich aber einmal. Hier empfehlen sich als Gegenmittel die aktive Mitgliedschaft in Berufsverbänden, der Besuch lokaler Kollegen-Stammtische und von Branchenevents wie dem European Publishing Congress. Zudem: Gelegentliche externe Weiterbildungen, die sich immer auch mit beruflichem Netzwerken verbinden lassen.


Glauben, dass es funktionieren kann

Gar nicht wenige reagieren allerdings auf jede vorgebrachte Idee mit sofortiger Abwehr: „Klappt sowieso nicht“, „haben wir schon mal probiert“, „geht bei uns nicht“. Hinter derartigen Einwänden stecken oft schlechte Erfahrungen: Die Betreffenden wurden für frühere Fehlschläge verantwortlich gemacht und wollen daher nichts mehr riskieren; oder ihre Vorschläge wurden bisher immer abgelehnt, daher haben sie inzwischen aufgegeben. Oft auch: Sie wissen, dass es – bei einer guten Idee – von ihrem Arbeitgeber keine ausreichenden Ressourcen für die Umsetzung geben wird. Da sie bereits voll ausgelastet sind, sprechen sie sich, zur eigenen Absicherung, lieber selbst dagegen aus.


All diese nachvollziehbaren Gründe werden, wenn man lange genug in solch einem Umfeld bleibt, zur schlechten Gewohnheit: Man ist vielleicht mit frischen Ideen und Schwung ins Unternehmen gekommen, ertappt sich nun aber immer wieder dabei, dass man jammert, nörgelt, sich beschwert. Das ist das Gegenteil von Kreativität. Hier braucht es ein wenig Selbstdisziplin: Sich dazu ermahnen, das schnelle, negative Urteil nicht immer sofort auszusprechen. Sondern Ideen erst einmal nur zu sammeln, systematisch zu prüfen und zu bewerten: Welche Vorteile haben sie, was bräuchte es für die Umsetzung, was fehlt bisher, wie ließe es sich beschaffen? Das ist, nebenbei, bereits praktizierte Kreativität.


Langfristig stellt sich die Frage, ob man bei einem Arbeitgeber bleiben möchte, bei dem man geistig verkümmert und nicht kreativ sein kann, bei dem man neue Ideen besser nicht ausspricht und bei dem sie meist sowieso abgelehnt werden. Dazu gehören auch überzogen restriktive Regelungen für Nebentätigkeiten, in denen man seine Ideen sonst wenigstens privat ausprobieren könnte. Einige Zeit kann man seine eigene Kreativität aus pragmatischen Erwägungen unterdrücken (lassen), langfristig gehört sie jedoch zu einem erfüllten, sinnhaften Berufsleben.

 

Zur vergangenen Kolumne: Vaterzeit, Karriereknick?

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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