Journalismus
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Alf Frommer über Panama Papers: Viel Lärm um nichts

Alf Frommer über Panama Papers: Viel Lärm um nichts Alf Frommer.

Ob es nun ein Riesen-Skandal ist, wird sich noch erweisen müssen. Eine großartige Inszenierung ist es auf jeden Fall. Doch gerade deswegen: Die #Pananapapers sind am Ende eher wieder ein Fall für die Riege der notorischen Medien-Skeptiker. Von Alf Frommer.

Berlin - Alleine die Zahlen sind beeindruckend: 2,6 Tera-Byte Daten, 400 an der Recherche beteiligte Journalisten weltweit und insgesamt 11,5 Millionen Dokumente. Das hört sich nach einem snowdenesken Leak an und folgerichtig firmiert das ganze unter „dem größten Datenleck aller Zeiten.“ Und als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, beeindruckt #Panamapapers mit einer noch nie dagewesenen Hashtag-Kampagne zum Start: orchestriert über mehrere Medienkanäle hinweg und dies alles fast zeitgleich. Selbst die Mutter aller deutschen Nachrichtensendungen, die gute alte Tante Tagesschau, verankerte pünktlich um 20 Uhr am Sonntagabend den Hashtag #Panamapapers in den Köpfen der Menschen. Folglich landete der Hashtag auch als Trending Topic ganz oben und bestimmte die Diskussionen in den Timelines von Twitter und Facebook. Die Botschaft war eindeutig: hier ist ein Riesen-Scoop gelungen, ein globaler Finanz-Skandal aufgedeckt worden und bald werden (prominente) Köpfe rollen. 

 

Nicht umsonst wurde die Wichtigkeit ersten Meldungen mit Symbol-Namen mit Putin oder Messi unterstrichen. Der eine Despoten-Gott, der andere Fußball-Gott. Mehr geht eigentlich nicht, denn die größten Geschichten schreibt man immer noch mit den tiefsten Fällen eines Idols. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Bühne für einen sensationellen Investigativ-Journalismus moderner Art war also bereitet: Daten ist wissen und Wissen ist Macht. Mehr Daten bedeuten dann eben mehr Wissen. Und 2,6 Tera-Byte Daten gaukeln scheinbare Allwissenheit und Allmacht vor. Sie bedeuten jedenfalls soviel Macht, dass man es sogar mit den mächtigsten ihrer Art aufnehmen kann. Nicht umsonst ist das Motto unserer Bits&Bytes-Gesellschaft: Die Datei hat immer recht.

 

Aber was kam dann? Stand heute vom Mittwoch: im Grunde nicht viel, verglichen mit dem Medien-Hype, der um #Panamapapers inszeniert wurde. Der isländische Premierminister ist wegen dubioser Machenschaften rund um eine Briefkastenfirma zurückgetreten. Island hat ungefähr so viele Einwohner wie Bielefeld und hat weltpolitisch eine ähnliche Bedeutung wie die ostwestfälische Metropole. Der neue FIFA-Präsident taucht auch in den Datensätzen der #Panamapapers auf – ehrlich gesagt: krumme Finanzgeschäfte gehören beim Weltfußballverband zum guten Ton. Und das osteuropäische Oligarchen oder saudische Prinzen ganz groß im Geschäft mit Briefkastenfirmen sind – wer hätte etwas anderes angenommen? Die meisten von uns wohl eher nicht. Darüber hinaus sind Steuer-Tricks in rechtlichen Grauzonen bei erfolgreichen Sportstars gang und gäbe. Seit Jahren wird u.a. der brasilianische Fußballer Neymar von den Finanzbehörden seines Heimatlandes gejagt. Schließlich kann sich jeder fragen, wie groß das Skandal-Potential bei einer Briefkastenfirma bei einem monegassischen Steuerflüchtling wie Nico Rosberg wirklich ist. Wohl eher gering.

 

Der News-Wert hält sich also im Grunde in Grenzen. Davon zeugt schon, das ein zurecht völlig vergessener BND-Agent wie Werner Mauss für eine Schlagzeile taugt. Bitte schön: wen interessiert, ob ein abgehalfterter Geheimdienstmitarbeiter mit einem Lebenslauf voller Affären jetzt noch im Briefkastenfirmen-Business ist. Wahrscheinlich kaum jemanden. Gleichzeitig wird niemand davon ausgehen, dass ausgerechnet wegen den #Panamapapers ein Putin zurück- oder ein Saudi-Prinz abtritt. Was sind also die #Panamapapers: Viel Lärm um nichts? Oder viel nichts um Lärm. Es macht jedenfalls den Eindruck, als ob sich die 2,6 Tera-Byte an Daten irgendwie auszahlen sollen: die Verpackung ist vordergründig wichtiger als der Inhalt. Denn der scheint ja nur 2,6 Mega-Byte auszumachen. Wo ist Donald Trump, der über #Panamapapers seine Präsidentschaftskandidatur verliert. Wo ist Frauke Petry oder Beatrix von Storch, die in Deutschland Wasser predigen auf den Virgin Islands Cocktails schlürfen? Nichts von einem Mega-Skandal, der die Giga-Inszenierung rechtfertigen würde, lässt sich zur Zeit erkennen. Aber auch das kann natürlich Absicht sein: die Salami-Taktik des Daten-Journalismus sorgt dafür, dass man eine Story über einen längeren Zeitraum köcheln lassen kann. Daher darf man gespannt sein, ob noch etwas kommt. Schließlich ist das Thema insgesamt nicht neu: vor 3 Jahren wurde ein ähnliches Thema unter #Offshoreleaks verhandelt. Ohne das sich wirklich etwas verändert hätte. Aber solange, wird eben der isländische Premierminister als Beweis genommen, wie erfolgreich #Panamapapers ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass in Island besondere Bedingungen herrschen. Das Land war von der Finanzkrise mit am stärksten betroffen und das Thema unsaubere Finanz-Geschäfte wird dort ganz besonders von der überschaubaren Gesellschaft gebrandmarkt. 

 

Trotzdem: Im Moment macht sich der Eindruck breit, dass #Panamapapers keine Sternstunde des Investigativ-Journalimus ist, sondern eher für eine moderne Inszenierung dessen. Dies ist der Süddeutschen Zeitung zusammen mit ihren Medienpartnern trefflich gelungen. Ansonsten bleibt ein schaler Beigeschmack: Muss man einen derartigen Wirbel entfachen, wenn daraus nur – gefühlt – ein Lüftchen wird? Bekommt man im Nachgang nicht eher den Eindruck, dass aus der Geschichte unbedingt ein Skandal werden muss. Das sich der ganze Aufwand am Ende irgendwie rechnen muss? Vielleicht hätten den #Panamapapers eine andere Inszenierung gut getan. Denn die größten Skandale fangen meistens ganz klein an. Das ist wie mit den angekündigten Wetter-Katastrophen: Je größer die Warnungen, desto kleiner fällt oft der Schaden aus. Bei #Panamapapers sieht es ähnlich aus: Nur weil überall Riesenskandal drauf steht, ist auch ein Riesenskandal drin. In dem Sinne gleichen die #Panamapapers eher Werbung als Journalismus: da ist auch immer alles noch nie dagewesen. Bis man eben das Produkt kauft und merkt: auch dieses Auto fährt mich nur von A nach B. Und wenn ich Glück habe vielleicht auch nach Panama.

 

Alf Frommer


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