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Aus der neuen Journalisten-Werkstatt: Mit Zoom-Technik besser schreiben

Aus der neuen Journalisten-Werkstatt: Mit Zoom-Technik besser schreiben Mit dem Feature die Distanz zum Thema drastisch verkürzen.

Mit nur drei Ebenen erzählen Sie Geschichten extrem stark. Und das ist einfacher, als Sie vielleicht vermuten.

Wenn Vor-Ort-Recherchen schwierig sind, hilft uns das Feature enorm. Die neue Journalisten-Werkstatt von Christian Bleher informiert über den idealtypischen Aufbau dieser Stilform. Wie gelingt der Einstieg? Wie ersetzt geschicktes Fragen den Ortsbesuch? Und wie wird mit Zoom-Technik das Abstrakte konkret?

Es ist einfacher, als Sie vielleicht vermuten. Drei Ebenen brauchen Sie, mehr nicht.

Am Beginn steht die Erzählebene. Zum Beispiel: "Daniel hat einen ständigen Begleiter: Angst.
Es ist die Angst vor einem Rückfall. Wie schnell er dem Sog von früher verfallen kann, hat er vor ein paar Monaten erlebt. Daniel war im Internet auf der Suche nach einer Fußballhose (...) gab bei Google ein paar Wörter ein, klickte Amazon an (...). Eine kurze, schwarze Hose sollte es sein. Plötzlich Werbung auf dem Schirm: Männer in Shorts und Badehosen, Frauen in Bikinis. Daniel schafft es nicht, die Bilder zu ignorieren. Er klickt auf die Bikinifrauen. Sie bringen ihn aus dem Gleichgewicht, das er sich mühsam geschaffen hat, mit Hilfe einer Therapeutin und einer Internetseite, auf die er gestoßen war, als er die Wörter „Porno“ und „Sucht“ gegoogelt hatte. Soll ich? Einen Klick ist er jetzt entfernt von seiner Vergangenheit. (...)


Dann übernimmt die Erklärebene. In unserem Beispiel: "In keinem Bundesland steht das Thema Pornografie verbindlich im Lehrplan, obwohl sich heute etwa 40 Prozent aller 11- bis 13-Jährigen schon einmal pornografische Bilder und Filme angesehen haben. (...)


Jetzt braucht es die Moderation. "Was macht das mit den Jugendlichen? Ist Da-
niel die Ausnahme? Oder steht seine Geschichte für eine (beunruhigende) Tendenz?


Und jetzt nochmal die Erklärebene: "Der Berliner Sexualwissenschaftler Klaus Beier sagt: „Es wäre naiv zu glauben, dass das Betrachten von Pornofilmen keine Spuren hinterlässt.“


Diese Reihenfolge ist ein guter Zugang: Denn auf diese Weise, mit dem Einstieg über eine Erzählebene, wird das Fernglas direkt auf einen Protagonisten gerichtet, was die Distanz zum
Thema drastisch verkürzt. Und wir entdecken gemeinsam mit dem Autor einen jungen Mann, der jene Sucht verkörpert, von der hier die Rede ist. Er gewährt authentische Einblicke.


Die Geschichte ist jedoch kein Porträt. Erzählt wird sie, um einen auffälligen Trend vorzustellen, zu erklären, zu hinterfragen. Auf beiden Ebenen: Der rationalen und der emotionalen, vermittelt durch die Moderation und Reflexion des Autors.

 

Unser Tipp:


Trennen Sie beim Planen, Recherchieren und Schreiben des Features strikt die unterschiedlichen Ebenen:


- Den Vordergrund als Erzählebene,
- den Hintergrund als Erklärebene,
- die Vermittlung durch die Autorenebene.


Mit dem Feature verfolgen Sie ein Ziel: Verallgemeinern. Ihr Mittel dazu: Veranschaulichen.


Sie werden sehen, auf dieses Stilmittel werden Sie nicht mehr verzichten wollen. Die komplette Journalisten-Werkstatt von Christian Bleher finden Sie hier.

 

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