Journalismus
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Das neue Gold des Journalismus: Vier Erkenntnisse aus den Panama-Papers-Recherchen

Das neue Gold des Journalismus: Vier Erkenntnisse aus den Panama-Papers-Recherchen Paul-Josef Raue.

Die Zeit des einsamen Reporters ist vorbei. Das ist eine der Erkenntnisse, die wir aus den Panama-Papers ziehen können. Eine Einordnung von Paul-Josef Raue.

München - Teams werden den Einzelkämpfer ablösen, denn 2,6 Terabyte an Daten und über 11 Millionen Dokumente – wie bei den Panama-Papers – zwingen zur Zusammenarbeit, auch wenn dies den meisten Journalisten noch schwerfällt. Die Zusammenarbeit ist schon in einer Redaktion bisweilen schwer; erst recht kompliziert wird sie, wenn sie mit mehreren Redaktionen erfolgt, die man lange als Konkurrenten gesehen und vielleicht sogar bekämpft hat.

 

Lange Zeit waren aufwändige Recherchen eine Domäne der Magazine – allen voran der Spiegel -, die allein über die Kapazität verfügten. Eine Tageszeitung, die "Süddeutsche Zeitung", ist dabei, bei den investigativen Recherchen den "Spiegel" zu überholen. Zwei der entscheidenden Köpfe in der SZ hat der "Spiegel" ziehen lassen: Chef-Rechercheur Hans Leyendecker und Georg Mascolo, der den Rechercheverbund mit NDR und WDR leitet.

 

Wie wird der Spiegel reagieren, falls er seine internen Querelen mal erledigen kann? Oder Stefan Aust, auch Ex-Spiegel-Chefredakteur, bei Springers "Welt"? Mit wem werden sie kooperieren? Wie werden sich die großen regionalen Zeitungen organisieren, wenn sie die große Recherche auch für sich entdecken und  Kooperation nicht nur als Synergie-Effekt sehen? Recherche kostet aber Geld.

 

„Daten sind das Gold des Journalismus“ schreiben Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, die SZ-Reporter, euphorisch; doch einer ist überfordert, in den Daten das Gold zu entdecken:  11 Millionen Dokumente – dafür reichte nicht einmal ein Reporterleben! Also bleibt nur die Zusammenarbeit.

 

Nicht die Mönchszelle ist noch das Vorbild für Journalisten, das kleine Ein-Raum-Büro,  sondern der Newsroom, in dem Kommunikation mehr ist als ein Modewort. Das ist die zweite Erkenntnis aus den Panama-Papers. Dazu kommt ein virtueller Newsroom: Journalisten, Hunderte und Tausende von Kilometern entfernt, arbeiten in einer Wolke, in der alle Daten, Fragen und Antworten, Artikel und Entwürfe  stecken.

 

Die dritte Erkenntnis: Techniker müssen zum Team gehören. Dateien gibt es in unterschiedlichen Formaten, die lesbar gemacht werden müssen, vor allem wenn es Daten gibt, die ein halbes Jahrhundert alt sind. Techniker müssen zudem den Dialog der Reporter sicher machen: Robuste Computer-Verbindungen, sicher gegen Hacker und Abhör-Spezialisten.  Zwar gibt es in der SZ-Redaktion mittlerweile einen Tresor und mit Nummerncodes gesicherte Zimmer, aber sichere Leitungen sind noch wichtiger.

 

Die vierte Erkenntnis: Die Goldsucher brauchen die alte Moral in den neuen Daten-Minen. Wolfgang Krach, einer der beiden SZ-Chefredakteure,  hat sie am ersten Tag der Panama-Papers im Leitartikel formuliert: Die Frage ist nicht ausschlaggebend, ob die Daten rechtmäßig in den Besitz der Enthüller gekommen sind und ob  Medien sie veröffentlichen dürfen. „Entscheidend sind zwei andere Kriterien: Kann man der Quelle trauen? Und: Gibt es ein berechtigtes allgemeines Interesse.“

 

Bei aller Euphorie über diese historische Stunde des Journalismus: Der Reporter mit seinem Spürsinn und seiner Hartnäckigkeit wird nicht verschwinden, erst recht nicht in kleinen Lokal- und Regionalredaktionen. Auch die Panama-Papers beginnen mit dem Spürsinn und der Hartnäckigkeit eines SZ-Reporters, der einen Anruf bekommt: „Hallo, ich bin John Doe. Interessiert an Daten? Ich teile gerne“.

 

Der Rest wird irgendwann ein Film werden, vielleicht sogar mit Oscar-Ambitionen.

 

Paul-Josef Raue


Newsroom.de-Korrektur: In einigen Mails wurden wir auf einen Fehler hingewiesen – zu Recht: Kister und Kilz – auch wenn sie ähnlich klingen: Kurt Kister, der Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung", war nie beim Spiegel. Er war immer ein "SZ"-Redakteur, der nie verleugnet hat, dass er in einer SZ-Lokalredaktion zu einem exzellenten Journalisten wurde. Kister folgte auf Hans-Werner Kilz als Chefredakteur der SZ. Kilz – und nicht Kister – hat Leyendecker vom Spiegel zur SZ geholt. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. (B.Ü.)