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Herta Müller holt Literatur-Nobelpreis nach Deutschland

Das Auswahlkomitee kürte am Donnerstag in Stockholm die in Rumänien geborene Schriftstellerin Herta Müller zur diesjährigen Preisträgerin und lobte ihre realitätsnahen Darstellungen des Lebens unter einer Diktatur.

Stockholm/Berlin (AFP) - Zehn Jahre nach der Auszeichnung für Günter Grass geht der Literatur-Nobelpreis wieder nach Deutschland. Das Auswahlkomitee kürte am Donnerstag in Stockholm die in Rumänien geborene Schriftstellerin Herta Müller zur diesjährigen Preisträgerin und lobte ihre realitätsnahen Darstellungen des Lebens unter einer Diktatur. In Deutschland wurde die Entscheidung von Kultur und Politik mit Freude aufgenommen. Müller selbst zeigte sich völlig überrascht: "Ich bin überrascht und kann es noch immer nicht glauben, mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen", lautete ihre erste öffentliche Reaktion, die vom Carl Hanser Verlag in München veröffentlicht wurde.

Müller wurde am 17. August 1953 im deutschsprachigen Raum Rumäniens geboren, 1987 ging sie nach Deutschland ins Exil, heute wohnt sie in Berlin. Zu den bekanntesten Werken der 56-Jährigen gehören "Der Fuchs war damals schon der Jäger" und "Herztier". Für ihre Werke erhielt Müller bereits mehrere Auszeichnungen, trotzdem war sie dem breiten Publikum bisher weitgehend unbekannt. Der Chef des Auswahlkomitees, Peter Englund, bezeichnete Müller im schwedischen Hörfunk als "große Künstlerin der Worte". Sie benutze eine phantastische Sprache, die sie unverwechselbar mache. "Man muss nur eine halbe Seite lesen, um zu wissen, dass es Herta Müller ist." Müller habe durch ihr eigenes Schicksal eine wirkliche Geschichte zu erzählen. "Und dabei geht es nicht nur um das tägliche Leben in einer Diktatur, sondern auch darum, wie es ist, ein Außenseiter zu sein."

Die Schriftstellerin ließ in ihre Werke immer wieder eigenes Erleben einfließen. So verarbeitete sie das Schicksal ihrer Mutter, die wie viele Rumäniendeutsche 1945 in die Sowjetunion deportiert worden war, in dem in diesem Jahr veröffentlichten Werk "Atemschaukel". Während ihrer Studienzeit an der Universität von Temesvar von 1973 bis 1976 stand Müller der Aktionsgruppe Banat nahe, einem Kreis junger deutschsprachiger Autoren, die in Opposition zur Diktatur von Nicolae Ceausescu für Meinungsfreiheit eintraten. Ihren späteren Job als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik verlor sie, weil sie sich weigerte, mit der Geheimpolizei zusammenzuarbeiten.

Ihr Debüt, die Novellensammlung "Niederungen" (1982), wurde in Rumänien nur zensiert herausgegeben. Zwei Jahre später erschien "Niederungen" unzensiert in Deutschland und wurde von der Kritik wohlwollend aufgenommen. Das Buch schildert das Leben in einem kleinen deutschsprachigen Dorf und die dort herrschende Korruption, Intoleranz und Unterdrückung. Da sie die Diktatur in Rumänien öffentlich kritisierte, wurde Müller in ihrer Heimat mit Publikationsverbot belegt. 1987 emigrierte sie zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Richard Wagner. In Deutschland veröffentlichte Müller weitere Werke, die sich vor allem um das Leben in einer Diktatur drehten. Darunter sind die Romane "Der Fuchs war damals schon der Jäger" (1992), "Herztier" (1994) und "Heute wär ich mir lieber nicht begegnet" (1997).

Müller wird der mit zehn Millionen Kronen (980.000 Euro) dotierte Preis am 10. Dezember in einer Zeremonie in Stockholm verliehen. Sie ist die erste deutsche Frau, die den Nobelpreis für Literatur bekommt. Zuletzt hatte aus Deutschland 1999 Günter Grass den Preis verliehen bekommen. Dieser zeigte sich "sehr zufrieden" mit der Wahl Müllers. Sie sei eine sehr gute Romanautorin, sagte Grass der Nachrichtenagentur AFP in Danzig (Gdansk). Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hob hervor, dass Müller in ihrem Werk die jüngere rumänisch-deutsche Geschichte lebendig werden lasse und die Verwundungen zeige, die unter Ceaucescu den Menschen zugefügt worden seien. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigte sich stolz über den Preis für die in Berlin lebende Autorin. Berlin erweise sich damit einmal mehr als eine auch "international immer mehr anerkannte Stadt der künstlerischen und intellektuellen Kreativität".

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