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Abschied von der Geliebten: Hans Werner Kilz tritt nach 15 Jahren als Chefredakteur der "Süddeutschen Zeitung" ab

Die Nachfolge übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Kurt Kister.

München (dapd-bay). Die "Süddeutsche Zeitung" erfährt dieser Tage eine Zäsur: Nach rund 15 Jahren verabschiedet sich Chefredakteur Hans Werner Kilz in den Ruhestand. Die Nachfolge übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Kurt Kister. Kilz war fünf Jahre "Spiegel"-Chefredakteur und ein Jahr in den USA, ehe er 1996 zur "Süddeutschen" kam. Mit dem 67-Jährigen sprach dapd-Korrespondent Torsten Landsberg über Wehmut, Sparvorgaben und das iPad.

dapd: Herr Kilz, überkommt Sie zum Abschied von der "Süddeutschen" die Wehmut?

Kilz: Wer verlässt schon gern seine Geliebte? Wehmut ist ein Gefühl, das noch stärker kommen kann. Ich habe mich früh für den Ausstieg zu diesem Termin entschlossen und gehe mit gespannter Erwartung, was kommen wird.

dapd: Sie führten die "Süddeutsche" knapp 15 Jahre. Wie hält man sich solange als Chefredakteur einer großen Zeitung?

Kilz: Dafür gibt es kein Rezept. Ich denke, ein Chefredakteur muss seine Redaktion begeistern für die Arbeit, die er verlangt. Die Motivation muss stimmen und man muss die richtigen Leute an die richtigen Stellen setzen. Das ist alles eine Teamarbeit und darüber sitzt dann einer, der den großen Dirigenten mimt. Mir hat das Spaß gemacht, und ich bin jeden Tag sehr gerne in die Redaktion gefahren.

dapd: Gab es zu Beginn Ihrer Amtszeit Vorbehalte gegen den Mann vom "Spiegel"?

Kilz: Es gab erhebliche Vorbehalte. Martin Süskind war der Kandidat der Redaktion und bei mir haben sie gesagt, ich sei der Kandidat des schwarzen Hauses, des damaligen Verlagsgebäudes am Färbergraben. Die Redaktion hätte mich in einem kollektiven Ablehnungsverfahren gerne verhindert, aber es fehlte ihnen eine Stimme. Ich hatte mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen. Ich bin dann zurück nach Amerika mit der Bürde des Ergebnisses.

dapd: Zuvor hatten Sie aber angenommen.

Kilz: Ich habe gesagt, dass ich es trotzdem annehme und es damit begründet, dass mir die Kollegen ein schwieriges Ergebnis bereitet haben, aber da wir uns noch nicht kennen, wollte ich ihnen die Chance geben, mich kennenzulernen. Nach einem Jahr hat die Redaktion, glaube ich, das Gefühl gehabt, es war doch eine tolle Entscheidung. Nach 15 Jahren ist es nun schmerzlich für alle Beteiligten.

dapd: Wie haben Sie sich angesichts der Skepsis in den Anfangstagen verhalten?

Kilz: Ich habe erstmal genau hingeschaut. Ich habe die Chefredaktion mit einem Stück Demut angetreten. Die "Süddeutsche" war immer schon eine tolle Zeitung. Dann bin ich sehr behutsam rangegangen an Dinge, die fällig waren und die eine große Akzeptanz erfahren haben. Wir haben das Recherchieren als zweites großes Markenzeichen neben das Schreiben gesetzt.

dapd: Sie mussten aufgrund von Sparvorgaben auch mehrfach Stellenstreichungen vollziehen.

Kilz: Dieser Sparwelle sind viele gute Ideen und Produkte zum Opfer gefallen. Das Magazin "jetzt", die Einstellung der journalistisch und publizistisch erfolgreichen NRW-Ausgabe - eine meiner bittersten Stunden in dieser Zeitung. Es wurde immer weniger. Man kann, wenn der Redaktionsapparat kleiner werden soll, auch das eine oder andere Gute bewirken. Es ist aber bitter, sich von Leuten verabschieden zu müssen, die man nicht gehen lassen will. Das ist hart.

dapd: In einem Interview bezeichneten Sie das Vorgehen einiger Verlage als verhängnisvoll. Gilt das auch für die Südwestdeutsche Medien Holding, die vor drei Jahren die Mehrheit an der "Süddeutschen" übernahm?

Kilz: Ich war froh, dass wir verhindern konnten, dass fremde Investoren einsteigen und schnell wieder rausgehen wie Montgomery bei der "Berliner Zeitung". Die Altverleger waren bereit, solche Interessenten auszusieben. Das Gewöhnen an die neuen Eigentümer ist aber bis heute noch nicht so richtig abgeschlossen.

dapd: Ist an der SWMH nicht endgültig die Einführung der Sonntagsausgabe gescheitert?

Kilz: Nein, das wäre unfair. Die Alten hätten das doch erst recht nicht gewagt. Die hätten ja alle Möglichkeiten gehabt, in satten Zeiten etwas zu tun. SWMH hat investiert in diese Zeitung, wir sind heute viel aktueller in den Ballungszentren wie Hamburg und Berlin, wir haben ein neues Redaktionssystem eingeführt, den Regionalteil umgestaltet. Das sind alles Millionen, die das kostet. Dass es keine Sonntagsausgabe gab, war damals dem Umstand geschuldet, dass im Anzeigentief die Umsätze in großen Summen wegbrachen. Da wäre es unternehmenspolitisch unverantwortlich gewesen, die Sonntagszeitung einzuführen.

dapd: Ist das Thema Sonntagszeitung durch?

Kilz: Das ist aufgeschoben, das kann aber wiederkommen.

dapd: Wird das iPad die Zeitung ablösen?

Kilz: Dass das iPad die Zukunft der Zeitung beeinflusst, ist selbstverständlich. Es ist aber nicht das letzte Gerät dieser Art. Die Zeitungen müssen reagieren, aber es wird sich wohl eher als Medium neben der gedruckten Zeitung etablieren, so wie zuvor Online. Die Verlage sollten nicht wieder den Fehler machen, zu spät zu reagieren.

dapd: Wie ist die "Süddeutsche" in diesem Wandel aufgestellt?

Kilz: Also, Papiere und Innovationsgeist gibt es genug in der Redaktion. Das sind letztlich verlegerische Entscheidungen und da, finde ich, könnten wir weiter sein.