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Bremens ehemaliger Bürgermeister Moritz Thape: "Wer als Journalist in die Politik wechselt, hat keine Kollegen mehr"

"Als Politikerin wird Susanne Gaschke genauso der Kritik ausgesetzt sein wie alle anderen Politiker. Einen Bonus, weil sie Journalistin ist, gibt es nicht. Wenn sie Politik machen, haben sie keine Kollegen mehr", sagt Moritz Thape. Der ehemalige Redakteur der "Westfälischen Rundschau" und Chefredakteur der "Bremer Bürger-Zeitung" war später lange Jahre Bürgermeister in Bremen.

Bremen - "Zeit"-Redakteurin Susanne Gaschke, Herausgeberin des Kindermagazins "Zeit-Leo", bewirbt sich als Kandidatin in der SPD für das Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel. Ob sie kandidieren darf, entscheidet sich am 11. August 2012 auf einer Mitgliederversammlung. Bremens Alt-Bürgermeister Moritz Thape findet es gut, dass Gaschke kandidieren möchte.

Moritz Thape, heute 92 Jahre alt, hat eine eindrucksvolle Karriere nach dem Krieg gemacht. Thape war erst Redakteur beim "Volksblatt Halle", dann Landesredakteur beim "Neuen Deutschland". Als sich der Konflikt zwischen Ost und West verschärfte, siedelte Thape, der in Zürich geboren wurde, nach West-Deutschland über.

Hier schrieb er ab 1948 für die einst sozialdemokratische "Westfälische Rundschau" in Dortmund, die heute mehrheitlich zur WAZ-Mediengruppe gehört. Von 1955 bis 1965 war er dann Redakteur und dann Chefredakteur bei der "Bremer Bürger-Zeitung, dem örtlichen Parteiblatt der SPD.

Als Thape sich für die Politik entschied, habe er Vorteile gehabt, sagt er im NEWSROOM-Gespräch: "Ich war Journalist bei einer Zeitung der SPD, dadurch bin ich natürlich mit den einzelnen Ortsvereinen in Kontakt gekommen, ich war bekannter als viele andere."

Jeder könne heute in die Politik wechseln und das sei auch gut, so der große, alte Mann der Bremer Sozialdemokratie: "Der Beruf spielt keine Rolle. Sicherlich kann das eine oder andere hilfreich sein bei der politischen Arbeit, aber das kann man vorher nicht wissen." Moritz Thape lenkte von 1979 bis 1985 als Bürgermeister die Geschicke in der Hansestadt.

Die Entwicklung der Medienlandschaft verfolgt Moritz Thape noch heute mit regem Interesse. "Ich habe den Eindruck, dass die Zeitungen heute nicht nur kritischer, sondern auch gemeiner sind. Sie sind nur an einer negativen Sensation interessiert, aber nicht an einer positiven Entwickung. Ich bin manchmal sehr, sehr enttäuscht", so Thape.

Dass es vor allem freie Journalisten heute schwer haben, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften, beobachtet Thape: "Ich habe vor allem den Eindruck, dass es für Journalisten heute viel schwieriger ist, anständig zu arbeiten und anständig Geld zu verdienen. Manchmal bedauere ich die Kollegen und frage mich, ob ich damals unter diesen Umständen dabei geblieben wäre."

Bülend Ürük

 

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