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Der beste Beruf der Welt

Ist Journalismus noch der beste Beruf der Welt? Aber natürlich! Von Robin Rittinghaus.

Herne - Das sagt schließlich auch die erfahrene Redakteurin Susanne Schübel (58). Im Interview spricht die ehemalige Leiterin der Ausbildungsredaktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) über den Wandel der Branche, die Chancen für zukünftige Berufseinsteiger und die falschen Vorstellungen von Studienanfängern.

Können Sie jungen Menschen heute noch gewissenhaft empfehlen Journalist zu werden, oder gehen Ihnen in Zeiten von Stellenabbau und steigendem Kostendruck langsam die Argumente aus?

Susanne Schübel: Für mich ist das der beste Beruf, den ich mir vorstellen kann. Wer interessiert ist an dem, was die Welt im Innersten bewegt und Spaß am lebenslangen Lernen hat, ist im Journalismus genau richtig. Es wird viel von einem Wandel gesprochen, aber den hat es immer gegeben: Von dem Schreiben auf der Schreibmaschine und dem manuellen Setzen der Texte, über die ersten Computer, bis hin zur heutigen Zeit mit Smartphones und Social Media. Der Beruf ist immer im Wandel und jede Zeit bringt ihre Chancen hervor, an die sich Journalisten immer wieder anpassen müssen. Als Journalist musst du bereit sein, dich zu verändern.

 


Ihr Archiv hat die frühere "WAZ"-Redakteurin und heutige Autorin und Managerin Susanne Schübel für NEWSROOM geöffnet. Motiv: Recherchen beim Karneval 1986 in Mainz.

 

 

Wie haben sich die Anforderungen an Berufseinsteiger in den vergangenen Jahren verändert?

Susanne Schübel: Der Beruf des Journalisten ist anspruchsvoller geworden, weil er heute einen größeres Tätigkeitsgebiet abdeckt. Früher gab es eine Printausbildung und beispielsweise eine Fotografenausbildung. Heute wird das Berufsbild mit Tätigkeiten beladen, die früher aufgeteilt waren. Der Arbeitsmarkt erfordert eierlegende Wollmilchsäue: der Journalist soll schreiben, fotografieren, layouten und  filmen können und muss auf allen Kanälen kommunizieren.

„Wer nur schön schreiben kann, wird es schwer haben“

Leidet die Qualität des Journalismus darunter, dass schon im Studium der Fokus auf dieses crossmediale Arbeiten gelegt und die wirkliche Textarbeit dadurch vernachlässigt wird?

Susanne Schübel: Das Grundgerüst des Berufs, das Schreiben, wird es immer geben. Wir werden immer mit Worten kommunizieren und das nötige Handwerk dafür muss der Journalist natürlich beherrschen. Die Verständlichkeit und Struktur eines Textes, die Wortwahl, die journalistische Darstellungsform und die Trennung von Nachricht und Kommentar sind Dinge, die gelernt werden müssen. Allerdings muss der Absolvent nach seinem Studium für Redaktionen „verwendbar“ sein. Wer in das Berufsleben startet und nur schön schreiben kann, wird es schwer haben, einen Job zu finden. Es ist wichtig zu wissen, was praktisch zählt, und darauf im Studium vorbereitet zu werden. Dass die textliche Qualität dadurch abnimmt, mag teilweise stimmen, jedoch sind schlecht ausgebildete Quereinsteiger ein viel größerer Faktor, wenn es um abnehmende Qualität im Journalismus geht.

 


Was macht eine Reporterin? Sie recherchiert - hier 1986 beim Interview mit Bundeswehrsoldaten.

 

 

„Am Anfang muss die Selbsterfahrung stehen“

 


Susanne Schübel heute.

 

Wie erklären Sie sich, dass, trotz kriselnder Branche, die Zahlen der potenziellen Berufsanfänger an Hochschulen unverändert hoch sind? Viele Einrichtungen haben in diesem Jahr Rekordzahlen verzeichnet.

Susanne Schübel: Journalist ist nach wie vor ein Modeberuf. Viele junge Menschen antworten auf die Frage nach ihrem Berufswunsch mit der Phrase „irgendwas mit Medien.“ Allerdings fehlt ihnen in diesem Alter die nötige Praxiserfahrung, um den Beruf beurteilen zu können. Sie haben völlig falsche Vorstellungen des tatsächlichen Berufsbildes. Es geht nicht um „reisen, Prominente interviewen und Filme gucken“, sondern um den Willen zum lebenslangen Lernen und die Bereitschaft zu unpopulären Arbeitszeiten. Das ist vielen gar nicht klar. Oft denken junge Menschen: „die Journalisten sitzen in einer coolen Redaktion, schreiben mal eben 30 Zeilen und gehen dann in einer angesagten Bar einen trinken.“ Deshalb ist wichtig, dass am Anfang die Selbsterfahrung steht. Potenzielle Berufseinsteiger müssen Erfahrungen sammeln und Einblicke gewinnen, die ihnen ermöglichen die Branche besser beurteilen zu können. Sie müssen sich selber bemühen, um ein realistischeres Bild ihrer Berufsvorstellung zu kriegen. Wir, als Journalisten, haben da keine Bringschuld, sondern es besteht eine absolute Holschuld seitens der Interessierten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren, beispielsweise ein journalistisches Praktikum in einer kleinen Redaktion. Das Prinzip eines solchen Praktikums heißt: wir schmeißen dich ins kalte Wasser und du schwimmst. Wenn du nicht schwimmst, wird dir eventuell ein- oder zweimal geholfen, aber dann musst du schwimmen. Wenn du merkst, dass dir das Wasser zu kalt oder das Schwimmen zu anstrengend ist, dann ist der Zeitpunkt gekommen sich umzuorientieren. Aber das muss früh geschehen, nicht kurz vor Abschluss des Studiums. Diese frühe Selbsterfahrung ist enorm wichtig.

 


Zur Recherche vor Ort bei der Bundeswehr gehörte 1986 für Susanne Schübel natürlich auch die Fahrt im Panzer. Ganz klassisch mit dem Block in der Hand.

 

 

„Wo sich um Qualität bemüht wird, können Journalisten bezahlt werden“

Angesichts der schrumpfenden Auflagenzahlen und der Möglichkeit, Nachrichten im Internet kostenlos abzurufen, stellt sich vielen angehenden Journalisten die Frage: wer soll Journalisten noch bezahlen?

Susanne Schübel: Ich glaube grundsätzlich, dass ein qualitätvolles Medium immer seine Konsumenten haben wird. Zum Beispiel verkauft sich die neue Lokalausgabe der „Zeit“ in Hamburg wie geschnitten Brot. Dies zeigt exemplarisch, dass eine gute Redaktion in der Lage ist, mit Print Wachstum zu genererieren. Wo sich um Qualität bemüht wird, können Journalisten bezahlt werden. Es gibt auch eine Vielfalt an lokalen Themen, die Journalisten erfordern und weiterhin erfordern werden: Der demographische Wandel, Stadtentwicklung und organisiertes Verbrechen sind nur Beispiele für Themenfelder, die große Möglichkeiten bieten, im Journalismus Geld zu verdienen. Wer soll die Welt denn noch vernünftig vermitteln, wenn die größten Informationsquellen kostenfreie Onlinedienste sind, bei denen es oft an der Qualität mangelt? Ich glaube, dass es immer Menschen geben wird, die gerne das gedruckte Wort lesen, eine Zeitung in der Hand halten und bereit sind, für qualitativen Journalismus Geld zu bezahlen. Aber ich glaube auch, dass Printmedien künftig als sekundäres Produkt neben dem Internet stehen werden. Dadurch wird Print aber nicht aussterben.

 


Natürlich konnte Reporterin Susanne Schübel auch schon 1985 mobil arbeiten. Schnelligkeit war im Journalismus schon immer gefragt.

 

 

„Ich glaube an die Zukunft des Journalismus“

Sie sehen den Journalismus nicht in einer Krise?

Susanne Schübel: Nein, ganz und gar nicht. Ich sehe große Chancen. Gehen Sie doch nur mal in den Zeitungskiosk am Bahnhof und schauen Sie sich an, welche Vielfalt an Nischenprodukten es gibt: Hochglanzzeitschriften über nahezu jedes denkbare Thema. Mit Zeitschriften mag sich nicht mehr so viel Geld wie früher verdienen lassen, aber die Nachfrage ist da. Neben dem Lokalen bietet dieser Markt das größte Potenzial. Ich glaube an die Zukunft des Journalismus.

Das Gespräch mit Susanne Schübel führte Robin Rittinghaus.