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Drei Tage Abschiebeknast: Wie ein deutscher Journalist keinen Einlass in Israel fand

Fabian Köhler wollte aus Israel berichten. Drei Tage saß er im Abschiebegefängnis, bevor er in den Flieger zurück nach Deutschland gesetzt wurde. Von Bülend Ürük.

Berlin - „In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli wurde ich in das Flughafengefängnis gebracht. Für ein Gefängnis war es ganz okay  - abgesehen von dem überall auf der Welt gleichermaßen absurden Umstand, Menschen, die nichts verbrochen haben, in Abschiebeknäste zu sperren. Mit bis zu fünf anderen Männern war ich 23 Stunden am Tag in einer Zelle eingesperrt“, so Fabian Köhler im NEWSROOM-Interview.

Zur Person: Fabian Köhler, Jahrgang 1983, stammt aus Weimar arbeitet seit 2007 als freier Journalist. Von 2010 bis 2012 war er Redakteur bei der dapd Nachrichtenagentur, seit 2012 ist er Online-Redakteur bei der Sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“.

 

Der Berliner Journalist Fabian Köhler saß drei Tage im Abschiebegefängnis in Israel.

 

 

Herr Köhler, wie gefährlich sind Sie?

Fabian Köhler: Gestern schrie mir in Berlin ein Autofahrer hinterher,  ich sei „eine Gefahr für die Allgemeinheit“. Aber ich glaube zu schnelles Fahrradfahren ist das Maximum an Bedrohung, das von mir ausgeht.

Der israelische Grenzschutz hat Sie am 19. Juli festgenommen und nicht ins Land gelassen. Was haben die israelischen Sicherheitskräfte gegen Sie?

Fabian Köhler: Ich weiß es nicht. Ich wurde am Flughafen von Tel Aviv rund sieben Stunden festgehalten, davon vielleicht zwei Stunden verhört. An Israels Grenzen auch mal ausführlicher befragt zu werden, ist eigentlich nichts Außergewöhnliches. Die wollen dann wissen, für wen man arbeitet, wen man kennt, wohin man reist usw. Dann wartet man eine Weile, bekommt seinen Pass zurück und darf weiter. Nur diesmal verlief das Verhör nicht so entspannt.

Was wollten die Beamten wissen?

Fabian Köhler: Die meisten Fragen hatten überraschend wenig mit meiner Israel-Reise zu tun. Wann ich für wen in welchem arabischen Land gearbeitet hätte. Ob ich Kontakt zu Islamisten in Deutschland und der Hamas hätte. Ich sollte meine E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Facebook-Account aufschreiben. Mein Handy wurde durchsucht. Irgendwann begann der Beamte im Internet Zeitungsartikel von mir zu lesen. In Deutschland schreibe ich auch oft über Migration, Fremdenfeindlichkeit oder Islamophobie. Der Beamte fand dann irgendwann einen Artikel über mich auf einer rechtsextremen Islamhasserseite, in der mir nachgesagt wurde Islamist zu sein. Von da an, wurde das Verhör richtig anstrengend. Ich erzählte ihm, dass man zwangsläufig auf solchen Webseiten landet, wenn man als Journalist über Diskriminierung von Muslimen schreibt. Er erwiderte dann, dass für ihn alle Muslime Islamisten seien und ich die Hamas unterstütze. Am Ende war es eigentlich mehr ein Geschrei als ein Verhör. Länger als ein paar Sekunden auf eine Fragen antworten, durfte ich fast nie, dann warf er mir entweder vor, dass ich lüge oder stellte die nächste Frage. Dazu muss ich sagen, dass ich mich von Anfang an als Journalist ausgewiesen hatte. Aber das beeindruckte ihn wenig.

Was passierte dann?

Fabian Köhler: Ein paar Stunden später teilte man mir dann, dass ich aus Sicherheitsgründen nicht nach Israel einreisen dürfte. Ein anderer Sicherheitsbeamter verdächtigte mich dann noch, eine Bombe ins Flugzeug schmuggeln zu wollen – obwohl ich nicht einmal in ein Flugzeug wollte. Daraufhin wurde ich in einen extra Raum geführt, wo mehrere Beamte jede Unterhose meines Gepäcks auf Sprengstoffspuren und jedes Körperteil gründlich abtasteten. Eine genaue Erklärung für das alles oder irgendein offizielles Schreiben habe ich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht bekommen.

Drei Tage wurden Sie festgehalten, bevor Sie am 22. Juli zurück nach Deutschland geschickt wurden. Wie haben Sie die Zeit im Knast verbracht?

Fabian Köhler: In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli wurde ich in das Flughafengefängnis gebracht. Für ein Gefängnis war es ganz okay  - abgesehen von dem überall auf der Welt gleichermaßen absurden Umstand, Menschen, die nichts verbrochen haben, in Abschiebeknäste zu sperren. Mit bis zu fünf anderen Männern war ich 23 Stunden am Tag in einer Zelle eingesperrt. Nach draußen kamen wir eigentlich nur, wenn es einen Raketenalarm gab. Dann gingen wir kurz in den Keller und konnten anschließend ein paar Minuten auf dem Hof verbringen -  ein kleiner Betonplatz, umgeben von hohen Zäunen mit Sichtschutz und Stacheldraht. Größtenteils war die Zeit aber ganz erträglich. Meine Mitgefangenen – meist osteuropäische Gastarbeiter und afrikanische Flüchtlinge - waren großartig. Wir sangen, versuchten alltägliche Dinge wie ein Feuerzeug oder Stifte in die Zelle zu schmuggeln, veranstalteten Fitnesswettbewerbe oder brachten uns gegenseitig Hebräisch bei. Am dritten Tag wurde ich dann direkt aufs Rollfeld des Flughafen gefahren und in ein Flugzeug nach Berlin gesteckt.

Wie geht es Ihnen heute?

Fabian Köhler: Gut, eigentlich genauso wie vorher. Wenn ich mich an die Geschichten anderer Mitgefangener erinnere, wäre jedes Klagen wirklich übertrieben: Ein junger Mann aus der Elfenbeinküste wäre in Niger fast verdurstet, in Libyen wurde er von Polizisten fast totgeschlagen, in Ägypten von Soldaten angeschossen und in Israel schließlich monatelang in das Wüstenlager Holot gesteckt. Ein anderer Mitgefangener erzählte von seiner Haft in einem israelischen Gefängnis, in dem einige Insassen gestorben waren, weil es keine medizinische Versorgung gab. Verglichen dazu war mein Gefängnisaufenthalt fast wie Urlaub.

War es Ihr erster Gefängnisaufenthalt, weil sie Ihrer Arbeit als Journalist nachgehen wollten?

Fabian Köhler: Vor zwei Jahren verbrachte ich eineinhalb Wochen in zwei syrischen Gefängnissen. Dort erging es mir um einiges schlechter. Seitdem bin ich anscheinend etwas abgehärtet für solche Erfahrungen.

Worüber wollten Sie aus Israel genau berichten?

Fabian Köhler: Ich hatte mich erst ein paar Tage vor dem Flug zu der Reise entschlossen. Eine Kollegin hat dankenswerterweise die ganze Planung gemacht. Unter anderem hatten wir auf dem Plan: Beduinen, denen die israelische Regierung den Bau von Raketenbunkern verwehrt; israelische Pro- und Anti-Kriegsdemos; ein Behindertenheim in der Nähe des Gazastreifens, Proteste in der Westbank und ein Interview mit einem ehemaligen Vorsitzenden der World Zionist Organization.

Warum soll ein Interview mit dem Ex-Chef der World Zionist Organization Israel gefährden?

Fabian Köhler: Das Interview wird wahrscheinlich nicht der Grund gewesen sein. Generell macht es Israel, Journalisten, die kritisch über die Regierung berichten, nicht immer leicht. Es gibt die Militärzensur, mit der die Armee sämtlichen Medien im Land – also auch ausländischen – die Berichterstattung über ein bestimmtes Thema untersagen kann. Zuletzt war das im Juni bei der Entführung der drei israelischen Jugendlichen der Fall. Die Polizei wusste aufgrund eines Notrufes schon wenige Stunden nach der Entführung, dass die drei wohl nicht mehr am Leben seien und war den Tätern auf der Spur. Nur durfte das in Israel nirgends veröffentlicht werden. Noch problematischer ist die Berichterstattung aus Gaza. Man muss zuvor einen Antrag beim Büro des Premierministers stellen und sich zu allerlei Einschränkungen verpflichten. Und in Gaza selbst sind Journalisten natürlich genauso wie der Rest der Bevölkerung der Gewalt der Armee ausgesetzt. Bei den Angriffen im Juli und August starben, soweit ich weiß, mindestens zehn Medienvertreter im Gazastreifen. Das Gebäude von Al-Aqsa-TV wurde zerstört und auf das Büro von Al-Jazeera geschossen.

Wann planen Sie Ihre nächste Recherchereise in den Nahen Osten?

Fabian Köhler: Ich würde immer noch gern nach Israel und Gaza reisen. Aber da auch die ägyptische Grenze zum Gazastreifen geschlossen ist, kann ich mir das wohl erst einmal abschminken. Die Reise nach Israel im Juli kam eigentlich nur zustande, weil auch ein geplanter Trip nach Ägypten gescheitert war. Allerdings war der Grund ein sehr schöner: Ich wollte einen syrischen Flüchtling bei seiner Flucht nach Europa begleiten. Kurz vorher bekam ich von ihm allerdings die überraschende Nachricht, dass er sich spontan selbst aufgemacht und es übers Mittelmeer bis nach Schweden geschafft hatte. Dieser syrische Bekannte hat allerdings einen Mitbewohner, der es nun auf versuchen will. Deshalb fliege ich wahrscheinlich bald nach Kairo. Falls ich es doch noch einmal mit Israel versuche, nehme ich aber den Landweg. An der jordanischen Grenze wird man von den israelischen Beamten im schlimmsten Fall einfach in den nächsten Minibus zurück nach Amman gesetzt.

Die Fragen an Fabian Köhler stellte Bülend Ürük.