Leute
AFP

Friedensnobelpreis krönt Gores Wandlung zum Weltgewissen

In der Parteipolitik gescheitert, fand Al Gore im Klimaschutz seine große Aufgabe. Und wird nun nach dem Oscar für seine Klima-Doku mit dem Friedensnobelpreis belohnt.

Washington (AFP) - Vielleicht ist Al Gore ja inzwischen dankbar für den Ausgang jener dramatischen Wahl, die ihn im Jahr 2000 um Haaresbreite das Amt des US-Präsidenten verfehlen ließ. Längst ist Gore weit über das Geschäft der Tagespolitik hinausgewachsen, und die Zuerkennung des Friedensnobelpreises am Freitag ist die Krönung dieser trimphalen Wandlung vom tragischen Wahlverlierer zum Weltgewissen. Ein Mann und seine Berufung: In der Parteipolitik gescheitert, fand Gore im Klimaschutz seine große Aufgabe. Mit seiner globalen Klimakampagne bewies er, dass ein Einzelner auch ohne Amt etwas bewegen kann - und die Welt dankt es ihm mit beispielloser Ehrbezeugung: im Februar der Oscar für seine Klima-Doku, nun der Preis aus Oslo.

Gore sei "wahrscheinlich der Mensch, der als Einzelner das Meiste getan hat, um weltweit mehr Verständnis für die nötigen Maßnahmen zum Klimaschutz zu wecken", urteilte das Osloer Nobelkomitee. Vorbei ist die Zeit, in welcher der damalige US-Vizepräsident Gore wegen seines steifen Auftretens als Polit-Roboter verspottet wurde. Gores Leidenschaft für den Klimaschutz, sein geduldiges Erklären, seine öffentliche Präsenz haben gerade in seinem Heimatland USA viel zu dem öffentlichen Stimmungswandel beim Thema Erderwärmung beigetragen. An dem Problem kommt keiner mehr vorbei: Unter dem Druck der öffentlichen Meinung rang sich kürzlich selbst Präsident George W. Bush zu einem wagen Bekenntnis zum Klimaschutz durch.

Gore und Bush: Es lässt sich kaum übersehen, dass der Glanz des Nobelpreises ein ungnädiges Licht auf die Unterschiede zwischen dem Amtsinhaber und seinem unterlegenen Gegenkandidaten von einst wirft. Manche mögen sich nun wieder ausmalen, was geschehen wäre, wenn Gore 2000 mit einigen Hundert Wählerstimmen mehr den Sieg gegen Bush davongetragen hätte. In der Klimaschutzpolitik wären die USA nun eher ein Vorreiter als der weltweit kritisierte Bremser, zu dem Bush das Land gemacht hat. Und der desaströse Krieg gegen den Irak wäre nie begonnen worden. Gore hat ihn von Anfang an abgelehnt. Bush hat das Amt gewonnen, Gore den Respekt der Welt.

Nun gibt der Preis aus Oslo den Spekulationen über ein politisches Comeback von Gore neue Nahrung. Ein Friedensnobelpreisträger als Kandidat für die US-Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr - der Gedanke hat seinen Reiz. Ob Gore die Idee selbst als reizvoll empfindet, ist allerdings fraglich. In seiner ersten Reaktion auf die Auszeichnung gab er keinerlei Hinweise auf politische Ambitionen: "Die Klimakrise ist keine politische Frage, sondern eine moralische und spirituelle Herausforderung für die gesamte Menschheit", erklärte er. "Sie ist außerdem unsere beste Chance, das globale Bewusstsein auf eine höhere Stufe zu heben." Das hört sich nicht an wie die Rhetorik eines Mannes, den es zurück in die Niederungen des Tagespolitik zieht - zumal sich in diesen Niederungen bereits Hillary Clinton festgesetzt hat, die Frau seines früheren Chefs Bill Clinton. Die Senatorin ist große Favoritin für die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei. PR-Aktionen von Gore-Fans wollen dem entgegenwirken: Erst am Mittwoch forderte eine Unterstützungsgruppe den früheren Vizepräsidenten in einer ganzseitigen Anzeige in der "New York Times" zur Kandidatur auf. 136.000 US-Bürger unterzeichneten die Petition.

Wahrscheinlicher ist es aber doch wohl, dass Gore sein Leben als klimapolitischer Vortragsreisender fortsetzt. Mit seinem oscarprämierten Klima-Dokumentarfilm "An Inconvenient Truth" erreicht er ein Publikum rund um die Erde. Die von ihm mitinitiierte Konzertserie "Live Earth" machte ihn im Juli obendrein noch zu einer Art politischem Popstar. Sein neues Buch, eine Abrechnung mit der Bush-Regierung, wurde zum Bestseller. In der Politik hätte Gore vermutlich mehr zu verlieren als zu gewinnen.