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Friedrich Oehlerking: "Im Tagesgeschäft fehlt zu oft der andere Blickwinkel"

Friedrich Oehlerking: "Im Tagesgeschäft fehlt zu oft der andere Blickwinkel" Friedrich Oehlerking

Hartmut Augustin, Chefredakteur der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung", glaubt, dass Investigativ-Teams den Nutzern ein falsches Signal senden. Newsroom.de-Leser Friedrich Oehlerking stimmt ihm zu - und geht sogar einen Schritt weiter.

Erdweg - Kollege Augustin hat recht. Über seine Begründung hinaus ließe sich anführen, dass durch diese Pools auch das populistische Verdikt der Lügenpresse weiter Auftrieb erhält und unseren ganzen Berufsstand in Misskredit bringt.

 

So hat beispielsweise die Aufdeckung der "Panama-Papers" das Geschmäckle, hier teilte eine weltweite Seilschaft von Journalisten das erlegte Wild unter sich auf.

 

Bei so großen Pools wie dem von einigen ARD-Anstalten mit privaten Verlagen fragt sich der ARD-Gebührenzahler einerseits, wofür seine sauer verdienten GEZ-Steuern eigentlich verwendet werden. Haben die Anstalten kein Geld übrig für eigene professionelle Recherche? Wie werden diese Pools übrigens eigentlich bezahlt?
 
Andererseits fragen sich Zeitungsleser, wie unabhängig dann noch die Nachrichtengebung in ihrer Zeitung von dem finanzamtsähnlichen Moloch öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter ist. Wer heute einen Normalbundle vom Satelliten empfängt, bekommt in der Regel nicht nur das Erste und das Zweite, sondern dazu noch alle ARD-Landesanstalten und die beiden nachrichtenmäßig kaum ins Gewicht fallenden privaten Alibi-Rundfunkveranstalter RTL und Sat1/ProSieben mit ihren diversen Ablegern.

 

Das heißt, die Nachrichtengebung ist sowieso schon im Rundfunkbereich weitgehend in eine Richtung ausgerichtet. Dieser Eindruck wird durch die Poolbildung weiter bestärkt. Das Grundrauschen eines anderen Blickwinkels, wie es früher einmal beispielsweise in der "Bild" geboten wurde und dessen Fehlen dort zu Recht vom früheren "Bild"-Chef Peter Bartels beklagt wird, fehlt nicht nur in der "Bild", sondern dank solchen Pools überhaupt in der Medienlandschaft mehr und mehr und immer schmerzlicher.
 
Wenn sich dann öffentlich-rechtliche Kollegen oder Kolleginnen in Talkshows gegen Vorwürfe verwahren, sie erhielten von ihrem Intendanten keinerlei Order, was sie wie zu berichten hätten, kann man nur mitleidig lächeln: vom Intendanten vielleicht nicht, aber von den Pools dafür umso mehr.

 

Friedrich Oehlerking

 

Zur Person: Friedrich Oehlerking (66, www.getfax.de) arbeitet nach Karrierestationen unter anderem bei „FAZ“, „Bild“ und als Chefredakteur verschiedener Fachpublikationen namhafter Verlage (Neue Medien Gesellschaft, TAMM MEDIA) heute frei als Buchautor, Publizist, Journalist und Blogger mit den Spezialgebieten Arbeit, Verkehr und Wirtschaft u.a. als Herausgeber und Autor für WEKA MEDIA, Kissing (u.a. News-Blogs Themenwelten Betriebsrat, Unternehmensführung, Einkauf, Materialwirtschaft & Logistik).

 

Zur Debatte: Im Gespräch mit kress.de hat Hartmut Augustin unter anderem gesagt: "Wenn jetzt Investigativ-Teams wie Pilze aus dem Boden schießen - sicherlich in guter Absicht - interpretieren das dann Rezipienten auch so: Also wurde bisher nicht hartnäckig und investigativ gearbeitet. Das ist total fatal und für die ganze Branche schädlich." Augustin ist davon überzeugt, dass Redaktionen sich vor "Mode-Wellen hüten" sollten: "Ich glaube vor allem, dass einigen Kollegen nicht klar ist, was das in der gegenwärtigen Debatte über die Glaubwürdigkeit der Presse bedeutet."

 

Debatte: Hat Hartmut Augustin recht? Liegt Friedrich Oehlerking richtig? Oder sind Investigativ-Ressorts wichtig für das Überleben von Journalismus? Schreiben Sie uns an redaktion@newsroom.de!