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Helmut Markwort: „Ja, ich bin Moritz Rodach“

Erstmals bestätigt „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort, dass er für „Focus Online“ als „Moritz Rodach“ berichtet hat. Insgesamt nutze er sogar „fünf, sechs“ Pseudonyme. Von Bülend Ürük.

München - Für seine Anzeigenzeitung, das „Darmstädter Tagblatt“, schreibt Helmut Markwort unter verschiedenen Namen: „Das kommt auf die Anlässe, die Themen, das publizistische Umfeld an. Ich will ja mein Leben lang nicht alles unter dem Namen Helmut Markwort veröffentlichen. Der hat ein politisches Gewicht, dieser Markwort. Wenn ich eine lokale Glosse schreibe oder ein leichtes Operettenstück, dann will ich das nicht mit meinem Eigennamen belasten“, erklärt der „Focus“-Herausgeber.

Es war „Zeit“-Reporter Rene Martens, der am 1. Oktober auf „Zeit Online“ erstmals den Verdacht erhob, dass der damalige „Focus“-Chefredakteur unter Pseudonym über den FC Bayern schrieb: „Das ist heikel, jedenfalls dann, wenn Moritz Rodach und Helmut Markwort tatsächlich identisch sind. Denn Markwort ist seit 1992 Mitglied im Verwaltungsbeirat des FC Bayern München e.V. Seit 2003 sitzt er im Aufsichtsrat der FC Bayern München AG, deren Anteilseigner Audi 2010 wurde. Zur Zeit der Veröffentlichung war Markwort Chefredakteur des Focus. Ein klarer Rollenkonflikt.“

 

Helmut Markwort.

 

Während Martens in seinem Stück noch vermutete, dass Helmut Markwort auch „Moritz Rodach“ sei, gibt es jetzt erstmals eine offizielle Bestätigung.

Im Interview mit Senta Krasser, das am 22. Oktober im „BJV Report“ erscheint und das NEWSROOM vorliegt, verrät Markwort auch, dass er Patricia Riekel nicht „gram“ sei. Die „Bunte“-Chefredakteurin hatte enthüllt, dass Markwort mit Begeisterung Fußballspiele als „Moritz Rodach“ kommentiere. Wie er zu dem Namen komme, will Senta Krasser wissen: „Rodach ist ein kleiner Ort in Oberfranken, wo ich die Volksschule besuchte. Moritz heißt mein Sohn“, so Helmut Markwort.

„Moritz Rodach war stark sportlich engagiert. Er kam zum ersten Mal zum Einsatz, als ich die Idee hatte, auf Radio Gongein Spiel des FC Bayern komplett zu übertragen – was ein bodenloser Leichtsinn war. Ich war Chefredakteur des Gong, schon ein bisschen bekannt, und interessierte mich für Fußball. Ich verstand auch etwas davon, aber ich hatte keine Ahnung, was da für Löcher drin sind in einem 90 Minuten Spiel. Stellen Sie sich einen Einwurf vor. Einer kickt den Ball ins Aus, damit die Defensive Zeit gewinnt. Bis der Ball wieder drin ist, dauert es eine halbe Ewigkeit, in der Sie nicht aufhören können zu reden. Ich war ganz allein am Mikrofon und meine Anekdoten schnell aufgebraucht. Klugerweise hatte ich mich nicht als Helmut Markwort vorgestellt, sondern als Moritz Rodach. Sonst wären alle über mich hergefallen“, so Helmut Markwort.

 

@buelend Zuerst kam @martinhoffmann (http://t.co/dPMpIgEJuU), dann @altpapier: http://t.co/TL3mS1rgs0 - das nur für die Geschichtsbücher :)

— René Martens (@renemartens) 8. Oktober 2014

Aber wie kam es zu den Veröffentlichungen auf „Focus Online“? Markwort: „Ich bin ja nicht nur Fan, sondern auch Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern. Jeder weiß das. Natürlich auch die Kollegen von Online, als sie mich baten, ihnen ein paar Fakten von einer Reise mit den Bayern durchzugeben. Es war eine Gelegenheitsarbeit – und in meinem grundsätzlichen Bemühen, ein objektiver Journalist zu sein, meine subjektive Schwachstelle.“

 

Herrlich: "Eine subjektive Schwachstelle im grundsätzlichen Bemühen, ein objektiver Journalist zu sein": http://t.co/1HxpGWGKvj

— Marcus Schwarze (@MarcusSchwarze) 8. Oktober 2014

Von der im Internet vor allem bei Leserkommentatoren weit verbreiteten „Pseudonymeritis“, wie es Krasser in einer Frage formuliert, hält Markwort aber nichts: „Das ist ein ganz anderes Kapitel! Anonyme Nobodys, die unter Kunstnamen wie Rumpelstilzchen18 Dreck werfen auf andere, sind Trolle, die mit Journalismus überhaupt nichts zu tun haben. Ich bin dagegen, dass solche Leute auf Süddeutsche.de oder Focus Online reinspucken können. Bei uns im Heft wird jeder Leserbrief überprüft. Und wenn ein Redakteur einen Fremdtext mit Pseudonym veröffentlicht, dann weiß er, wer dahinter steckt und verantwortet das auch.“

 

Wenn Sie mich mal so richtig austoben wollen - machen Sie es wie #Helmut #Markwort ... http://t.co/L60DdkUwpw via @sharethis

— W&V (@wuv) 8. Oktober 2014

Für Markwort war es die „Schaffung von Vorteilen“, warum er selbst unter Pseudonym veröffentlichte: „Ich habe angefangen – jetzt ist es ja verjährt – als ich beim Stern Leiter der Düsseldorfer Redaktion war. Ich hatte einen Exklusiv-Vertrag. Nur war im Stern nicht genug Platz für mich. Also schrieb ich unter Pseudonym auch für den Kölner Stadt-Anzeiger und die Welt am Sonntag. Kurzgeschichten von mir kamen wiederum unter einem anderen Namen heraus. Ich habe mich an dem großen Kurt Tucholsky orientiert.“ Und Markwort fügt hinzu: „Es ist eine Spielerei. Viele große Autoren hatten eins. Novalis kennt man sogar nur unter seinem Pseudonym. Und Tucholsky war ein Meister, der viele kreative Temperamente in sich vereinte: Ignaz Wrobel, benannt nach seinem Mathematiklehrer, war eine ganz andere Persönlichkeit als Peter Panter. Das Pseudonym ist also eine Erweiterung der Möglichkeiten, keine Einschränkung.“

 

"Im #stern war nicht genug Platz für mich." Moritz Rodach, äh Helmut Markwort, schrieb schon 1965 unter anderem Namen http://t.co/wm5o0X9S81

— L. Wolf-Doettinchem (@WolfLorenz) 8. Oktober 2014

Ein Grund für Markworts Griff zum Pseudonym war es aber auch, sich vom Namen „Markwort“ zu befreien: „Die Deutschen sind sehr eng im Formatglauben. Wenn einer immer über Politik schreibt, dann muss er immer über Politik schreiben. Schreibt er plötzlich über die leichte Muse, wird das nicht anerkannt. Der Helmut Markwort kann also nicht über ein Musical schreiben. Deswegen glaube ich, dass die Aufteilung von Interessen auf verschiedene Pseudonyme mehr Vielfalt erlaubt. Schließlich wählten viele weibliche Schriftsteller im 19. und 20. Jahrhundert männliche Pseudonyme, um besser ins Verlagsgeschäft zu kommen. Ein Nom deplume war damals sehr wertvoll.“

 

Von Helmut Markwort gelernt: Der Kunstname "Rumpelstilzchen18" ist weniger Wert als der "Kunstname" Moritz Rodach http://t.co/ac0a2zpt9G

— Dirk von Gehlen (@dvg) 8. Oktober 2014

Helmut Markwort, geboren am 8. Dezember 1936 in Darmstadt, hat den Journalismus im Lokalen gelernt, das Blattmachen, das Schreiben, das Kommentieren, die deutliche Sprache, die Nähe zum Leser. Volontiert hat der Gründer von unter anderem "Focus", "die aktuelle", "Ein Herz für Tiere" oder "die 2" beim „Darmstädter Tagblatt“, seine erste Stelle danach als Lokalredakteur trat er bei der heutigen „Westdeutschen Zeitung“ in Wuppertal an. Das "Darmstädter Tagblatt" (erschien Ende September 1986 letztmals als Tageszeitung) hat Markwort gemeinsam mit Partnern 2013 als wöchentliche Anzeigenzeitung zum Leben erweckt.  

Bülend Ürük

Newsroom.de-Hinweis: Der BJV-Report, die Mitgliedszeitschrift des Bayerischen Journalisten-Verbands, erscheint mit dem ausführlichen Helmut-Markwort-Interview von Senta Krasser am 22. Oktober.

 

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