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Hermann-Josef Tenhagen - organisierte Omnipräsenz

Der "Finanztest"-Chefredakteur ist im Börsenchaos auf allen Kanälen ein gefragter Mann.

Berlin (dapd). Eigentlich könnte sich Hermann-Josef Tenhagen den Aufwand sparen. Der Chefredakteur von "Finanztest" müsste nicht durch Fernseh- und Radiosender tingeln, um zu erklären, was in Zeiten der neuerlichen Finanzkrise das Richtige für das Geld des kleinen Mannes ist.

Tenhagen sagt dieser Tage nämlich im Grunde nichts anderes als nach der Lehman-Pleite 2008, die Börsianer wie Investoren gleichermaßen nervös gemacht hatte: Leute, baut eure Dispos ab, das spart 12 Prozent. Spekuliert nicht, wenn ihr es an der Börse oder mit Fonds probieren wollt, sondern sucht solide Finanzdienstleister, auch wenn die schmalere Renditen versprechen. Und, natürlich: Sparbücher und Tagesgeldkonten sind hierzulande noch immer eine sichere Sache.

Tenhagen ist dennoch wieder omnipräsent, spätestens seit Ende vergangener Woche den USA das Triple-A-Rating abhandengekommen ist. "Diese Außenministerrolle ist völlig alternativlos", sagt Tenhagen, der einst für die "taz" und die "Badische Zeitung" arbeitete und seit 1999 "Finanztest" leitet. "Für uns ist das ein Ersatz für klassische Werbung." Da komme es ihm durchaus gelegen, als Experte derart gefragt zu sein, sagt Tenhagen.

 

Kaum einer kommt an Tenhagen vorbei

Allein bis Donnerstagmittag war er in dieser Woche fünf Mal im TV zu sehen, vom "Sachsenspiegel" im MDR bis hin zu n-tv und N24. Und auch Radiohörer kommen an Tenhagen nur schwerlich vorbei: Acht Interviews im gleichen Zeitraum, von den ARD-Infowellen bis hin zu RTL-Radio.

Tenhagen weiß selbst, dass er bei dieser Präsenz vor allem mit einem aufwartet: mit Wiederholungen. "Meine Handlungsempfehlungen sind natürlich im Grunde immer dieselben", sagt er, während er in seinem Büro am Berliner Lützowplatz über die schier unzähligen Interviews nachdenkt, die er über die Jahre hinweg gegeben hat. Allein die Intonation sei eine andere: "Erst bekamen Banken die Prügel ab, jetzt Staaten."

Der 48 Jahre alte Wirtschaftsjournalist buhlt gemeinsam mit anderen Experten um die Aufmerksamkeit der Verbraucher. Auf dem Bildschirm konkurriert Tenhagen mit den Chefökonomen der Geldinstitute, allen voran den Experten von Deutscher Bank und Commerzbank. Sie allerdings sprechen stets aus der Perspektive ihres Instituts, Tenhagen schon eher von einer unabhängigen Seite aus.

 

Der Verbraucher finanziert den Apparat

"Finanztest" lebt nicht wie Finanzinstitute vom Geld an den Börsen und hat damit auch kein Interesse an bestimmten Strukturen und Gesetzen. Die gesamte Stiftung Warentest, zu der auch Tenhagens "Finanztest" gehört, wird vor allem von den Verbrauchern selbst finanziert: Mit dem Kauf der Zeitschriften und Bücher halten sie "den Apparat" am Leben, wie der Chefredakteur seine Redaktion nennt.

Alle Journalisten, die für Tenhagen arbeiten, sind gehalten, selbst in den Medien präsent zu sein. Medienschulungen sind bei "Test" und "Finanztest" deshalb Pflicht. Alle Redakteure lernen, Komplexes auf den Punkt zu bringen. Auch logistisch sind sie gewappnet, denn für Radio-Gespräche muss auch Tenhagen nicht raus: Eine Etage über ihm liegt ein professionelles Hörfunkstudio, Live-Schalten inklusive.

Wenn Tenhagen über die Risiken der Börsen diskutiert und erklärt, welche kriselnden Staatsanleihen auch deutsche Lebensversicherungen ins Wanken bringen könnten, dann steht er mitunter bequem nur wenige Schritte vom eigenen Schreibtisch entfernt. "Die TV-Sender schauen entweder bei uns vorbei oder ich auf dem Weg ins Büro oder nach Hause in ihren Hauptstadtstudios", sagt Tenhagen. Nur für Talkshows und Wirtschaftssendungen wie "Wiso" müsse er in die Bahn steigen.

 

Auf Augenhöhe mit dem Publikum

Tenhagen ist sich dabei bewusst, dass seine Mitarbeiter schon mal mit den Augen rollen, wenn sie ihn hören. "Wenn ich in Sendungen wie 'Hier um Vier' oder im Frühstücksfernsehen auftrete, dann muss ich in Bildern sprechen, die meinen Leuten teils zu naiv sind." Er nimmt das jedoch in Kauf: "Ich muss auf Augenhöhe mit dem Publikum sein."

300 Mal pro Jahr nimmt der "Herr Finanztest" eigenen Schätzungen zufolge Kontakt mit den Verbrauchern auf. Die Kioske stürme sein Publikum dann aber nicht: "In einer Finanzkrise will sich niemand in die eigene Finanzplanung vertiefen. Für uns ist das deshalb auch eher ein langfristiges Engagement."