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dpa - Deutsche Presseagentur GmbH

„Ich habe alles erlebt“ − Alida Gundlach wird 75

Moderatorin nicht nur des Fernsehklassikers „NDR Talk Show“, Tänzerin, Sängerin und Autorin − Alida Gundlach wird 75. Doch wo andere längst im Ruhestand sind, hat die notorische Optimistin eine neue Lebensaufgabe und arbeitet mehr als je zuvor.

Büchten (dpa) − Jede Menge Tiere statt einer fast endlosen Reihe von Prominenten. Alida Gundlach hat auf ihrem Gnadenhof Hunde und Katzen, Schafe und Pferde. „Im Notfall nehmen wir alles, was vier Beine hat“, sagt die langjährige Moderatorin der „NDR Talk Show“, während es über das weitläufige Gelände mit großem Garten und Weiden geht. Geschichten und Begegnungen sprudeln dabei aus der rastlosen Frau mit den hellwachen Augen und der flotten Strähnchen-Frisur. Unglaublich − sie wird 75.


Wach, quirlig, positiv, umtriebig, mütterlich, resolut und höchst selten sprachlos − „undiplomatisch“ ergänzt sie. Sehr direkt und geradeaus auf jeden Fall. Keine Schublade, viele Etiketten: TV-Moderatorin, Tänzerin, Sängerin, Autorin und jetzt vor allem Tierschützerin. Sie lebt mit ihrem zweiten Mann Burckhard Gundlach auf dem Hof ihres Vereins „Tierwork“ im kleinen Dörfchen Büchten im Süden der Lüneburger Heide − so richtig Land, mit Höfen aus Fachwerk und rotem Backstein.

An einem Brett an der Wand des Katzenzimmers hängen viele Fotos von früher, eines zeigt Gundlach und Klaus Kinski. Legendär ist ihr furchtloses Ringen mit dem unbotmäßigen und kaum zu steuernden Schauspieler, der als Talkshow-Gast 1985 auch das Hinterteil der Moderatorin thematisierte − ein sprachliches Rodeo, das bis heute zu den Klassikern gehört. „Das war ein Gespräch, das man mit keinem anderen führen konnte“, sagt sie. „Egomane“ und „Erotomane“ nennt sie den 1991 gestorbenen Kinski. „Ich bin um zehn Jahre gealtert, aber missen möchte ich ihn nicht“, sagt sie.

 

„Mein allerliebster Gast war Peter Ustinov“, schwärmt Gundlach. „Ihn interviewen zu dürfen, war ein Geschenk. Ein toller Schauspieler, ein begnadeter Musiker, ein allerziehender Vater − ein Mann voller Weisheit und Humor, ein ganz beeindruckender Mensch“, beschreibt sie das später in den Adelsstand erhobene Allround-Talent. „Beeindruckt haben mich nur Leute, die auch in ihrem Wesen und ihrer Art herausstachen. Nur den Beruf gut zu machen, hat mir nie gereicht.“

 

Ihre Kindheit hat die am 17. Juli 1943 in Hildesheim als Tochter einer italienischen Pianistin und eines niederländischen Journalisten geborene Gundlach bei den Großeltern in Italien verbracht. „Zuversicht und Kampfgeist habe ich von meinen Großeltern geerbt, die haben mir das vorgelebt.“ Kraftquellen seien ihr unerschütterlicher Optimismus, zwei Söhne und fünf Enkelkinder, ein Helferlein-Syndrom sowie der Wille, immer wieder neu anzufangen.

 

Zurück in Deutschland hat Gundlach 1966 eine Ballettschule in Hannover gegründet. Die gelernte Exportkauffrau hat auch vier Jahre Psychologie studiert. „Das hat mir viel gebracht − den anderen hinter die Kulissen zu gucken“, meint sie. „Das hat mir immer geholfen.“ Sie arbeitet als freie Journalistin und sammelt erste Fernseherfahrungen.

 

In den 70er Jahren hat sie eine mehrjährige Liaison mit dem Bandleader Les Humphries. „Das möchte ich auch nicht missen − wie bei Kinski“, lacht sie. „Ein unglaublich begabter Musiker, leider mit einigen Problemen behaftet“, sagt sie. 1974 steigt sie beim NDR als Moderatorin der „Aktuellen Schaubude“ ein, dann 1984 bei der „NDR Talk Show“. Sie macht das über 17 Jahre lang, 2002 hört sie nach 220 Sendungen auf, nach 2200 Gästen und 25 Moderationspartnern.

 

Gundlach hat ein rundes Dutzend Bücher geschrieben, auch Kinderbücher. Sie hat mehrere Fernsehreihen produziert, eine CD aufgenommen und ist 2008 mit ihrer Bühnenshow „Zeit“ auf Tournee gegangen. Dabei erleidet sie einen schweren Hörsturz, es dauert ein Jahr, bis sie wieder hergestellt ist. „Diese Ausreißer nach unten und nach oben hatte ich mein ganzes Leben“, sagt sie. „Höhen und Tiefen sind wichtig, auch für den Umgang mit anderen“, meint Gundlach, die auch den Tod einer kleinen Tochter und eine Krebserkrankung bewältigen musste.

 

2012 hat sie den Verein „Tierwork“ gegründet. Er habe bereits über 500 Mitglieder, sagt sie. „Ich baue jetzt gerade den vierten Gnadenhof auf“, sagt Gundlach. „In Ungarn, damit die Tiere auch in ihrer Heimat eine Überlebenschance bekommen“. Über Schuhe für 400 Euro könne sie heute nur noch lachen. „Ich habe ein sinnvolles und bereicherndes Leben“, sagt sie zum Schluss. „Ich habe alles erlebt − ich habe tolle Leute getroffen; ich war reich, ich war arm − da kann man sich jetzt auf das Wesentliche konzentrieren!»