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Irrlichtern im Hause Axel Springer: Die Angst vor deutlichen Worten

Nicht der Kommentar von Nicolaus Fest, sondern die bemühte Erkläreritis von Kai Diekmann, sein Umfallen auf Twitter hat die Debatte um die 21 Zeilen Islam-Verachtung eingeheizt. Inzwischen schadet Diekmanns Omnipräsenz Axel Springer eher als dass es dem Medienhaus nützt. Von Bülend Ürük.

Berlin - Kai Diekmann ist überall. Mit Jörg Kachelmann sucht er Streit, der Politikerin Dorothee Bär zeigt er eine lange Nase und andere Twitterer versorgt er mit guten Ratschlägen. Diekmann, der Gute-Laune-Kai der sozialen Medien.

In der Debatte um Nicolaus Fest hat Diekmann, einer der besten Blattmacher der Republik mit einer Spürnase für Themen, die bewegen, aber deutlich gezeigt, wie sehr er sich für die Öffentlichkeit geändert hat, wie sehr er auch außerhalb seiner Redaktion geliebt werden will.

Diekmann, dem Linksextremisten und Nazis schon nach dem Leben trachteten, dessen Wagen angezündet wurde, der Briefe erhielt voller Hass und Unrat, hat in der Debatte um den Festschen Kommentar alle Fehler begangen, die er Politikern und Berühmtheiten genüsslich unter der Nase reiben würde.

Der Druck der Öffentlichkeit war offensichtlich zu viel. Dabei hätte es nicht geschadet, Ruhe zu bewahren, einmal durchzuatmen, das Vorgehen zu besprechen, abzuwägen.

Denn Kai Diekmann will zwar weiterhin anecken, aber nicht mehr so richtig.

Heiße Debatten mag er offenbar nicht, die Gefühle von anderen werden nur verletzt, wenn sie berühmt genug sind.

Diekmann will etwas schaffen, für dass sich seine Vorgänger nicht interessiert haben.

Er will nicht nur im Hintergrund seine Redaktion, sein Blatt prägen, er will Entscheidungen öffentlich machen, in Diskussionen außerhalb seiner Zeitung eingreifen und die Richtung vorgeben. Diekmann möchte geliebt werden; ein seltsamer Anspruch im Journalismus.

Kai Diekmann möchte geliebt werden

Aber ist ein Journalist, der geliebt werden will, richtig auf der Position des Steuermanns der wichtigsten Zeitung Deutschlands? Eines Blattes, das wie kaum eine andere journalistische Einheit Debatten führen, Missstände aufdecken und Themen setzen kann?

Auch das ist Medien-Deutschland 2014: „Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR werfen ihre investigativen Ressorts inzwischen in eine gemeinsame Schale, um gegen "Bild" und "Bild am Sonntag" zu bestehen. Der Boulevard übernimmt Aufgaben, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wären. Teils, weil einige Medien ihre Redaktionen massiv verkleinert haben. Aber auch, weil sich der Anspruch an den Boulevard verändert hat.

Deutschland ist "Bild"-Land; nur - die menschliche Seite, die Kai Diekmann mit einer Penetranz in die sozialen Medien trägt, machen das Blatt anfällig für Druck von außen.

Wer "Bild" verabscheut, wird die Zeitung mit den vier Buchstaben nicht besser finden, weil Diekmann plötzlich gelernt hat, über sich zu lachen.

Herausgeber muss Redakteur schützen, nicht öffentlich Unterstützung entziehen

Diekmanns öffentliche Kritik von Nicolaus Fest auf Twitter stehen zudem konträr zu der Aussage von Marion Horn.

Die Chefredakteurin der "Bild am Sonntag" hatte in ihrem leider misslungenem Erklärungsversuch am gestrigen Sonntag die Meinungsvielfalt im Haus betont.

Welcher Journalist der "roten" Gruppe soll daran glauben, wenn der oberste Herausgeber sich auf die Seite der Kritiker stellt, und sich nicht vor seinen Kommentator stellt?

Wer dieses Gebaren erlebt hat, wird doch zukünftig lieber lauwarm argumentieren als haudrauf zu praktizieren.

Kai Diekmann lässt sich auf Spiel ein, das er nicht gewinnen kann

Diekmanns Ausschweifungen, seine Annahme, dass er alleine alles im Hause Springer entscheiden kann, seine Präsenz Tag und Nacht, machen ihn verwundbar.

Diekmann verspielt den Nimbus, dem einen "Bild"-Chefredakteur alleine durch sein Amt in dieser Medienrepublik zusteht.

Wäre es so falsch gewesen, wenn Diekmann sich einzig in "Bild" dazu geäußert hätte, dass der Islam zu Deutschland gehört?

Wenn er die Diskussion um den Festschen Irrsinn in der Redaktion geführt hätte, nicht in der Öffentlichkeit?

Wenn er seine Position im Haus deutlich gemacht hätte, ohne dafür auch noch einem Duz-Freund im Blatt die Möglichkeit zu geben, die Debatte weiterzuführen und den eigenen Mann in den Boden zu rammen?

Und welchen Weg hätte Diekmann eigentlich gewählt, wenn der Kommentar nicht in der "Bild am Sonntag", sondern in seiner "Bild" erschienen wäre?

Diekmanns öffentliches Irrlichtern hat nicht nur "Bild", sondern ganz Springer verwundbar gemacht. Jede Lobbygruppe wird zukünftig mit noch mehr Lust öffentlichen Druck auf Deutschlands größte Boulevardzeitung ausüben.

Wer genügend öffentlich meckert, wird sie schon in die Knie zwingen; Diekmann wird es schon richten.

Es gibt noch Gesprächsbedarf im Hause Springer.

Bülend Ürük