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Jean-Claude Trichet verabschiedet sich in Berlin von der Presse

Insgesamt 96-mal informierte Trichet die Medien über den Zinsentscheid des EZB-Rates, er war an diesen Tagen nie krank, hatte nie Urlaub. 15 dieser Pressekonferenzen fanden nicht im Hauptsitz der EZB in der Frankfurter Kaiserstraße statt.

Berlin (dapd). Der erste Fingerzeig bleibt unbemerkt. Also streckt der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) seinen Arm nochmals aus, zeigt demonstrativ auf den Journalisten und bekommt das erwartete Klickgewitter der Kameras, endlich. Jean-Claude Trichet grinst, kurz nur, er liebt diese Pose, die Fotografen lieben das Bild. Seine letzte Pressekonferenz nach einer EZB-Ratssitzung genießt der 68-Jährige am Donnerstag in Berlin sichtlich.

Am 19. Oktober wird Trichet feierlich aus seinem Amt verabschiedet, die nächste Zinsentscheidung der Zentralbank Anfang November wird sein Nachfolger Mario Draghi verkünden. Erste Worte des Abschieds findet Bundesbank-Chef Jens Weidmann bereits an diesem Donnerstag.

In den acht Jahren seiner Amtszeit habe Trichet seine Formulierungen immer behutsam und sorgfältig gewählt, sagt Weidmann. Ausgewogen. Vermissen werde die Öffentlichkeit mit Sicherheit das Englisch des EZB-Präsidenten - eine Aussprache mit eindeutig französischem Einschlag.

Trichet lacht bei diesen Sätzen, jedoch nicht ohne Wehmut zu zeigen. "Ihre Worte haben mich sehr bewegt", sagt er. Später, am Ende seines Statements, wird der Franzose noch etwas persönlicher. "An meine erste Pressekonferenz vor acht Jahren erinnere ich mich, als habe sie gestern stattgefunden." Seit seinem Amtsantritt im November 2003 sei die Lage niemals einfach gewesen, seit vier Jahren aber habe der Euro-Raum "Stürmen und nicht erwarteten Orkanen" standhalten müssen.

Zwtl.: 96 Auftritte - 79-mal blieb alles beim alten

Insgesamt 96-mal informierte Trichet die Medien über den Zinsentscheid des EZB-Rates, er war an diesen Tagen nie krank, hatte nie Urlaub. 15 dieser Pressekonferenzen fanden nicht im Hauptsitz der EZB in der Frankfurter Kaiserstraße statt: Zweimal begrüßte Trichet die Journalisten in der finnischen Zentralbank Suomen Pankki in Helsinki, zweimal redete er in Athen, zweimal in Brüssel, zweimal in der Hauptverwaltung der Bundesbank in Berlin. Zinsentscheide verkündete er auch in Madrid, Paris, Dublin, Wien, Luxemburg, Venedig und Lissabon.

17-mal verkündete Trichet eine Veränderung des Zinssatzes, 79-mal änderte sich nichts - nur die Formulierungen variierten. Nahezu monoton gab der EZB-Chef die Konjunktureinschätzung des Rates wieder, seine Sätze wurden schnell zu Klassikern, so sicher war deren Wahl.

Die Wirtschaft in der Euro-Zone befinde sich "weiter in einem Umfeld großer Unsicherheit", eine stabile Inflationsrate von mittelfristig "unter, aber nahe bei zwei Prozent" sei von grundlegender Bedeutung für Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Aufgabe der Journalisten war es stets, dieses formelhafte Sprache des Franzosen zu entschlüsseln. Sprach Trichet nach der EZB-Ratssitzung einen Monat zuvor noch von einer "akkomodierenden Geldpolitik", verzichtete aber dann auf diese Wortwahl, sahen Experten darin den Hinweis, dass die Zentralbank die Zinsen wieder senken wird. Verklausuliert, behutsam und sorgfältig: Die Stabilität der Währung war sein oberstes Ziel. Ja nicht die Märkte verschrecken, das Risiko von Fehlinterpretationen so gering wie möglich halten.

Ob der Italiener Draghi es ähnlich halten wird, bleibt abzuwarten. Am 3. November hat er seinen ersten Presseauftritt nach einer Ratssitzung.