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Jetzt nur noch kurz den Journalismus retten

So wird alles besser - der Sieben-Punkte-Plan zur Rettung der Zunft.

 

Zürich - Wie kann der Journalismus gerettet werden? In seinem Editorial im aktuellen "Schweizer Journalist" gibt Chefredaktor Markus Wiegand den Verlegern Tipps, wie sie es schaffen können.

Liebe Verleger, liebe Medienmanager,

die Lage ist ernst. Springer verkauft den Journalismus, das Internet kauft die „Washington Post“ und die Nutzer wollen für Inhalte einfach keinen Stutz mehr rausrücken. Ich erlaube mir, Ihnen aus Anlass des jährlichen Verlegerkongresses einige Vorschläge zu unterbreiten. Eins wird Ihnen gefallen: Es kostet Sie in Summe nichts.

1. Konferenzen abschaffen

Ich kenne niemanden, der behauptet, dass Redaktionskonferenzen irgendein Medium verbessern. Trotzdem konferieren immer alle fleissig: Einer redet, manche hören zu, viele dösen weg. Und anschliessend klärt man das Ganze ja doch sowieso noch mal in bilateralen Gesprächen.

Kosten? Keine, bringt aber Zug in Ihren Laden.

 

Markus Wiegand ist Chefredaktor vom "Schweizer Journalist". Das Schwesterblatt von NEWSROOM können Sie hier bestellen.

 

2. Büros abschaffen

Eigentlich ist es betriebswirtschaftlicher Wahnsinn: Verlage pferchen ihre Journalisten für teures Geld in riesige Schmuckhäuser in bester Innenstadtlage (Modell Tamedia: viel Holz und Glas) oder noch schlimmer in Randbezirke neben einen Reifengrosshandel (Modell AZ Medien: viel Beton und Glas).

Das wahre Leben pulsiert währenddessen draussen. Echt: Kein Reporter der Welt braucht einen Büroplatz mit Computer und Topfpflanze.

Kosten? Keine, aber spart Millionen.

3. Augenhöhe mit dem Nutzer schaffen

Das Problem Ihrer Redaktionen ist, dass fast alle Journalisten aus einer ganz kleinen gesellschaftlichen Gruppe stammen: dem Bildungsbürgertum. Und die erklären dann dem Rest die Welt, wie alles so laufen sollte.

Umgekehrt wäre es besser: Reporter sollten typische Nutzer mal mit auf Recherche nehmen und sich beim Schreiben über die Schulter blicken lassen. So sind Sie nah bei den Leuten.

Kosten? Keine.

4. Augenhöhe mit allen anderen schaffen

Springer ist ja mit seiner Führungsriege ins Silicon Valley gebraust, um sich dort in einer drittklassigen Unterkunft neu zu erfinden. Hoch gelobt wurde vor allem die Unterbringung in Doppelzimmern. Diese Art von Betriebsausflug hat Potenzial.

Um endlich den Verlag mit der Redaktion, die Führung mit dem Fussvolk und die Digitalprofis mit allen andern zu versöhnen, könnte man die Belegung der Doppelzimmer auch auslosen. Ist nur blöd, wenn man zu viele Schnarchnasen dabeihat.

Kosten? Ein Wochenende in einer Bündner Herberge.

5. Bonuszahlungen für Journalisten

Okay, das ist jetzt echt ein Tabu. Aber im Grunde lohnt sich Leistung in dieser Branche nicht wirklich. Richtig gute Redaktoren verdienen nicht wesentlich besser als durchschnittliche Mitarbeiter. Und den Chefredaktor Ihrer Regionalzeitung speisen Sie nur mit dem doppelten Lohn eines einfachen Redaktors ab, während die Manager das Geld in der Schubkarre heimfahren. Ändern!

Kosten? Ja doch.

6. Handys wegwerfen

Irgendjemand Kluges sagte mal vor Jahren über eine Zeitung: „Das Problem ist nicht, dass sie im Lehnstuhl gelesen wird, das Problem ist, dass sie auch im Lehnstuhl geschrieben wird.“ Das Problem heute ist nicht, dass Medien auf dem Mobiltelefon gelesen werden, sondern dass sie mit Mobiltelefonen am Ohr produziert werden.

Kosten? Keine.

7. Wertschätzung zeigen

Es ist im Journalismus zum Industriestandard geworden, dass nur gemeckert wird. Einmal in der Woche sollte die Redaktion daher den Helden oder die Heldin der Arbeit bestimmen. Als Prämie reicht am Anfang eine Magnumflasche Champagner. Und wenn der Laden wieder läuft: am Jahresende für den Besten ein Auto.

Kosten? Sparen Sie nicht am Champagner. (Beim Auto: gerne ein Mittelklasse-Hybrid. Danke.)

Mit freundlichen Grüssen,

Markus Wiegand

PS: Wenn Ihnen diese Ideen weiterhelfen, buchen Sie doch bitte für Ihre komplette Belegschaft ein Zwei-Jahres-Abo dieser Zeitschrift.