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Joachim Umbach: "Niedergang der NRZ ist absehbar"

"Wir hatten zwar nicht die größte Auflage, aber wir waren die Besten und als Team unschlagbar. So war unser Selbstverständnis", erinnert sich Joachim Umbach in einem Gastbeitrag für Newsroom.de an seine berufliche Zeit bei der NRZ.

Düsseldorf - Okay, früher war nicht alles besser. Einiges aber doch. Nehmen wir zum Beispiel die Düsseldorfer Ausgabe der NRZ.


In einer Stadt wie Düsseldorf, die sich in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts anstrengte, die 600.000 Einwohnerzahl zu erreichen, war die Auflage der Neuen Rhein Zeitung (NRZ) sehr bescheiden: Rund 7500 Exemplare wurden damals verkauft.

 

NRZ-Chefredakteur Jens Feddersen und Joachim Umbach 1988 im Gespräch mit Prof. Sihler, damals Henkel-Chef. Foto: Archiv Umbach

 

 

Die Konkurrenz war gigantisch und übermächtig: Die Rheinische Post dominierte damals schon den Markt mit einer Gesamtauflage von 480.000 Exemplaren. Wie viel davon auf die Stadt Düsseldorf entfielen, wussten wir nicht so genau, wollten wir – vielleicht aus Gründen des eigenen Selbstwertgefühls – auch gar nicht wissen. 100.000 werden es schon gewesen sein.

Hinzu kam die Westdeutsche Zeitung, früher Düsseldorfer Nachrichten. Ein Traditionsblatt für die Alt-Düsseldorfer – geschätzte Auflage: rund 30.000, damals. Doch damit noch nicht genug: Mit BILD und Express gab es zudem noch zwei Boulevard-Zeitungen mit ausführlichen Lokalteil.


Wir hatten keine Chance, doch wir nutzten sie: In allen Belangen unterlegen – auch, was die Personalstärke betraf – sahen wir nur eine Möglichkeit, wenn schon nicht die Auflage drastisch zu erhöhen, so doch unsere journalistische Bedeutung, unseren publizistischen Stellenwert in der Stadt zu erhöhen: Wir wollten einfach nur eine verdammt gute Zeitung machen.


Es ist uns gelungen. Wenn ausgerechnet ich das schreibe, der über Jahre stellvertretender Lokalchef in Düsseldorf war und später als Stellvertreter des Chefredakteurs Jens Feddersen zuständig für alle Lokalausgaben (also auch für Düsseldorf), klingt das komisch – zugegeben. Ich mache es trotzdem, denn die Wertschätzung der Leser, aber auch der Konkurrenten für unsere damalige Leistung ist heute noch vorhanden. Unaufgefordert wird das meinen Kolleginnen und Kollegen immer wieder bestätigt.


Damals waren wir bei Teilen der Obrigkeit höchst unbeliebt. Das hat uns nicht gestört, eher bestätigt.

Vor allem für die CDU und ihre Repräsentanten war die kleine, sozialdemokratisch und liberal (nicht im FDP-Sinn) geprägte NRZ immer wieder ein Ärgernis. Der zeitweilige Oberbürgermeister Josef Kürten verweigerte den NRZ-Journalisten sogar über Monate das Gespräch – er hatte ja andere Publikationsorgane. Es hat uns trotzdem nicht geschadet, im Gegenteil. Nie wieder gab es in der NRW-Landeshauptstadt eine derart ausgeprägte Meinungsvielfalt.


Doch sollte niemand glauben, dass wir eine parteipolitische Postille waren. Mitnichten. Wir legten größten Wert darauf, dass wir alles aufspießten, was kritikwürdig war – über alle Parteigrenzen hinweg. Formate, um unsere Meinung zu artikulieren, hatten wir genug. Der tägliche Kommentar und die tägliche Glosse („Motz“) waren Standard. Und wir nutzten unsere Möglichkeiten sehr intensiv.

 

Unser Gastautor: Der gebürtige Düsseldorfer Joachim Umbach hat sein Handwerk bei der Neuen Rhein/Ruhr Zeitung (NRZ) in Essen gelernt. Seine erste Redakteursstelle war in der Lokalredaktion Kleve, später gehörte er zur Leitung der Stadtredaktion Düsseldorf. Es folgten sieben Jahre als Leiter der Zentralredaktion Wirtschaft und weitere sieben Jahre als Stellvertreter des damaligen NRZ-Chefredakteurs Jens Feddersen. Von 1997 bis 2007 war Joachim Umbach, Jahrgang 1948, als Chefredakteur für die Schwäbische Zeitung verantwortlich, bevor er bei Schwäbisch Media als Mediendirektor die Verzahnung der verschiedenen Mediengattungen Print, Online und TV vorantrieb. Foto: Schwäbisch Media

 

Außerdem pflegten wir damals viele Dinge, die heute – ich fürchte – noch nicht einmal mal mehr gelehrt werden: Wir waren stets bemüht, eine originelle Formulierung zu finden. Langweilige Überschriften waren verboten, wir waren ständig auf der Suche nach dem Besonderen – wir nannten es den seriösen Gag. Die Zeitung sollte bei aller Verpflichtung zu einer sauberen Nachrichtenarbeit unterhaltsam sein. Sie sollte den Leserinnen und Lesern Spaß machen. Sie sollten eine tägliche Freude an ihrer NRZ haben.


Wir hatten zwar nicht die größte Auflage, aber wir waren die Besten und als Team unschlagbar. So war unser Selbstverständnis. Eine Haltung, die uns hier und da beliebt machte – auch im eigenen Haus. Manche Ruhrgebietsredaktion der NRZ empfand uns als arrogant und überheblich. Mag sein, dass sie Recht hatten, aber für uns war es die einzige Möglichkeit, uns bei der Übermacht der Konkurrenz zu behaupten.


Das gelang uns und unseren unmittelbaren Nachfolgern auch, sogar bis weit in das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends hinein. Erst als unternehmerische Entscheidungen – zum Beispiel drastische Personalkürzungen – dazu führten, dass die hohe Qualität einfach nicht mehr zu erreichen war, änderte sich die Situation. Der Bedeutungsverlust passte sich dem Auflagenverlust an. Die Kolleginnen und Kollegen haben mir immer leid getan, an ihnen hat es sicher nicht gelegen. Mehr war mit dieser Rumpfmannschaft nicht mehr zu erreichen.


Nun soll das NRZ noch kleiner werden – ganze zwei Personen werden demnächst die Inhalte der Hauptkonkurrenz, der Rheinischen Post, auf die Seiten heben. Das, was die NRZ früherer Tage auszeichnete, das eigene Profil, ist so sicherlich nicht mehr zu erreichen.

Der weitere Niedergang ist absehbar, die 100-prozentige Übernahme durch den medialen Platzhirsch auch. Ein Verlust für die Stadt Düsseldorf und für unsere Demokratie. Von Meinungsvielfalt kann nicht mehr die Rede sein, zumal auch die anderen Nicht-RP-Medien (WZ und Express) durch Kooperationen und wirtschaftliche Verschachtelungen nicht mehr für sich in Anspruch nehmen können, unabhängig zu agieren.


Was mich an der aktuellen Entwicklung am meisten ärgert, ist, dass die Geschäftsführung selbst in dieser Situation es versäumt, Klartext zu reden und schreiben. Das Geschwurbel der offiziellen Erklärung zur Kooperation NRZ/RP ist unerträglich. Da wird so getan, als hätten diese wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die es sicher gibt und die ich gar nicht leugne, gar keinen Einfluss auf das publizistische Angebot. Und das wird wider besseres Wissen behauptet. Mit Verlogenheit wird man die Zeitungskrise nicht meistern.

Joachim Umbach