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Journalistikprofessor Horst Pöttker: „Ich musste mich entscheiden“

Hunderte von Journalistinnen und Journalisten haben ihr Handwerk beim Dortmunder Journalistikprofessor Horst Pöttker erlernt. Im NEWSROOM-Gespräch erinnert er sich an seine Anfänge als Journalist und gibt einen gar nicht so pessimistischen Ausblick auf die Zukunft der Medien.

Dortmund - Es war in den 70er Jahren und die Schlachten waren geschlagen: In Vietnam hatte der Vietcong die südvietnamesische Regierung und die USA geschlagen, in Angola hatten gleich drei Befreiungsbewegungen, FNLA, MPLA und UNITA, die portugiesischen Kolonialherren vertrieben, als Horst Pöttker, damals Redakteur des Dritte-Welt-Magazins „blätter des iz3w“, vor einer Entscheidung stand: „In Ländern wie Angola hatten zwar die Befreiungsbewegungen, denen die ‚blätter des iz3w’ nahe standen, gewonnen, aber es gab weiterhin viel an ihnen zu kritisieren. Es gab auch weiterhin ethnische Konflikte, Unterdrückung und Ausbeutung. Viele meiner Freunde in der Redaktion wollten nicht, dass wir über solche Themen schreiben, weil sie befürchteten, das könnte den Befreiungsbewegungen schaden.“

Pöttker entschied sich gegen seine Genossen und beschloss, Journalist zu werden: Einer mit Haltung, aber der Wahrheit verpflichtet.

Sein Weg führte ihn über das Fach Soziologie an der Universität Siegen, das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, für das er die medienkritische Zeitschrift „medium“ verantwortete, und das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig schließlich 1995 nach Dortmund, wo Pöttker Theorie und Praxis des Journalismus lehrte.

Dort leitete er die Initiative Nachrichtenaufklärung, die jährlich eine Liste der wichtigsten Themen erstellt, die in den Medien keine oder nur geringe Aufmerksamkeit erregen.

 

Horst Pöttker. Foto: Désirée Holz

 

Über Aufmerksamkeit konnte sich Pöttker selbst indes nicht beklagen, als er die Reihe „Zeitungszeugen“ des britischen Verlegers Peter McGee als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats verteidigte, in der von 2009 bis Anfang 2013 Nachdrucke von Zeitungen aus  der Nazizeit erschienen und die kontrovers diskutiert wurde.

Pöttker sprach sich für den Druck auch von Auszügen aus Hitlers „Mein Kampf“ aus, die er kommentiert hatte, was aus Urheberrechtsgründen nur verpixelt möglich war. Dem WDR sagte Pöttker damals, dass er die Diskussion über den Originaltext für einen wichtigen Bestandteil der Aufklärung über die Nazizeit halte: „Wissenschaftlichkeit hat was damit zu tun, dass Dinge nachprüfbar sind und Nachprüfbarkeit in dem Fall heißt, dass Leute anhand des Hitler-Textes überprüfen können, was ich darüber schreibe - und das ist natürlich jetzt nicht mehr möglich.“

Abschied in schwierigen, aber interessanten Zeiten für Journalisten

Pöttker verlässt seine Professur in schwierigen, aber auch interessanten Zeiten für Journalisten. „Noch wollen die meisten, die bei uns das Studium abschließen, Journalisten werden, aber sie alle wissen, dass der Arbeitsmarkt schwieriger wird. Wir erleben einen Epochenbruch: Das gut 100 Jahre andauernde Zeitalter der großen Verlage geht vorbei. Das Zeitungssterben wird weiter anhalten und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Vieles wird sich in den kommenden Jahren radikal ändern, aber ich bin mir sicher, dass es auch eine wirtschaftliche Zukunft für professionellen Journalismus geben wird. Allerdings werden künftig deutlich weniger Journalisten von ihrem Beruf leben können als heute.“

Weil Werbung heute Kunden direkt erreicht, leiden die Verlage

Der historische Bruch ist eine Folge des Internets, aber Pöttker sieht nicht die mangelnden Zeitungsleser als Problem, denn sie wichen auf die Internetseiten der klassischen Medien aus. Könnten die Medienhäuser dort die Werbung zu den Konditionen verkaufen, die früher üblich waren, würde es kein Problem geben.

Aber das können sie nicht mehr und das ist für den scheidenden Journalistik-Professor aus Dortmund das Hauptproblem: „Die Verlage, wie wir sie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert kennen, verdanken ihren Aufstieg dem Siegeszug der Anzeigenwerbung. Unternehmen mussten in Medien trotz hoher Streuverluste werben, um potentielle Kunden zu erreichen. Und um für Anzeigenkunden interessant zu sein, mussten Medien die Leser gewinnen, sie informieren und unterhalten. Heute können Unternehmen online ohne die klassischen Medien werben und das, zum Beispiel über Suchmaschinen, sogar sehr zielgenau.“

Diese Entwicklung verändert alles, sie hat das Ende der Verlags-Ära eingeleitet, allerdings nicht das des professionellen Journalismus. Nur dass der künftig häufiger von kleinen Journalistengruppen oder einzelnen Autoren in Eigenregie geboten wird und nicht mehr von den Großverlagen. „Die Finanzierung des Journalismus wird sich ändern. Die Werbung wird an Bedeutung weiter verlieren, Online-Bezahlmodelle werden wichtiger. Aber es wird auch Redaktionen geben, die von Vereinen oder Stiftungen finanziert werden.“

Gegen gemeinsame Studiengänge PR und Journalismus

Für Journalisten brechen harte, noch härtere Zeiten an und Pöttker plädiert für einen neuen Realismus gegenüber der PR: „Ein Grundsatz der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche lautet ‚Journalisten machen keine PR’. Jeder weiß, dass das nicht stimmt. Immer mehr Journalisten müssen PR-Aufträge annehmen, um überleben zu können. Solange sie das von ihrer journalistischen Arbeit trennen, sollte man das nicht grundsätzlich verurteilen.“

Allerdings muss es auch für ihn klare Grenzen geben. Pöttker ist dafür, dass Journalisten sich in ihrem Studium mit PR beschäftigen, allein schon, um sie später im Beruf erkennen zu können. Gemeinsame Studiengänge PR und Journalismus lehnt er ab: „Man darf das nicht auf eine Stufe stellen und vermengen.“

Bedauerlich findet Pöttker den Streit, den es in den vergangenen Wochen um den NRW-Medienstaatssekretär Mac Jan Eumann, dessen Stiftungspläne und dessen Promotion gab, bei der er der Doktorvater war. „Es gab keine Verbindung zwischen der Tatsache, dass ich der Doktorvater von Eumann war, und unserem Projekt INLOK, das sich mit der Fortbildung von Journalisten befasst. Wir haben uns sofort ans Land gewandt, als Ministerpräsidentin Hannelore Kraft diese Idee 2011 auf dem Medienforum in Köln vorstellte.“ Weiterbildung sei nun einmal ein gesetzlicher Auftrag für Universitäten.

Horst Pöttker betont, ihm gehe es in diesem Projekt nur um die Fortbildung von Journalisten. Alles, was sich um die Stiftungspläne der Landesregierung rankt, ob Recherchestipendien, die Konstruktion neuer Gremien oder neuer Finanzierungsmodelle - das sei nicht seine Aufgabe an der Universität. „Damit hatte meine Projektarbeit nichts zu tun.“

Stefan Laurin