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"Miss Tagesschau" musste anfangs viele Widerstände überwinden

Ex-Nachrichtensprecherin Dagmar Berghoff wird 70 Jahre alt.

Hamburg (AFP) - Es ist der 16. Juni 1976, als Dagmar Berghoff ihre Premiere im "Tagesschau"-Studio hat. Ihre erste Meldung ist die Entführung eines amerikanischen Diplomaten im Libanon. Aber die eigentliche Neuigkeit ist die Sprecherin mit dem bunten Blusenkleid.

Es ist das erste Mal, dass eine Frau bei der führenden deutschen Nachrichtensendung auf dem Bildschirm zu sehen ist. Und es ist der Beginn einer Ära, die Berghoff zur Institution machen wird. Am Freitag wird die ehemalige Chefsprecherin der ARD-"Tagesschau" 70 Jahre alt. Die Reaktionen des TV-Publikums sind von Anfang an wohlwollend, eine Zeitung schreibt gar: "Bildschön mit einem diskreten Lächeln auf den Lippen und einer angenehm weichen Stimme überraschte Dagmar Berghoff!" Doch die Widerstände, die die beliebte "Miss Tagesschau" anfangs überwinden muss, sind hoch.

Intern gibt es Bedenken, wie Berghoff vor kurzem in einem Interview erzählt: "Der damalige Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke vertrat eigentlich die Ansicht, dass Frauen das nicht können, weil sie in Tränen ausbrechen, wenn ein Unglück passiert ist." Das Nachrichtengeschäft ist Mitte der 1970er Jahre noch eine weitgehend frauenfreie Zone. Die in Berlin geborene, seit ihrer Kindheit aber in Hamburg lebende Berghoff ist zwar nicht die erste Fernseh-Nachrichtensprecherin: In der DDR steht Annerose Neumann bereits seit 1963 im Studio der "Aktuellen Kamera", in der Bundesrepublik präsentiert Wibke Bruhns ab 1971 die "Heute"-Nachrichten im ZDF. Bruhns aber ist ihren Posten schon 1973 wieder losgeworden, so dass Berghoff zumindest in Westdeutschland die Männerdomäne quasi neu erobert.

Die attraktive Moderatorin mit den dunkelblonden Haaren, die ursprünglich Schauspielern werden will, bleibt 23 Jahre bei der "Tagesschau" und steigt in dieser Zeit bis zu deren Chefsprecherin auf. Ihren Abschied nimmt sie am 31. Dezember 1999, als sie zum letzten Mal Nachrichten verliest. Allerdings zieht sich die Journalistin, die wegen ihres seriösen Auftretens als Inbegriff der Disziplin gilt, danach nicht zurück. Sie moderiert Sendungen wie die NDR-Reihe "Wunderschöner Norden" und unterstützt das Kinderhilfswerks terre des hommes. Privat muss Berghoff 2001 einen schweren Schicksalsschlag verkraften, als ihr Mann Peter Matthaes nach rund zehnjähriger Ehe an Krebs stirbt.

Die am 25. Januar 1943 als Tochter eines Kaufmanns geborene Prominente kann dem Altern selbst wenig abgewinnen, wie sie anlässlich ihres Geburtstags betont. "Beim Gedanken daran ist mir unbehaglich. Die 70 erschreckt mich sogar, weil sie deutlich sagt, dass man nur noch eine recht kurze Strecke vor sich hat." Ihre Karriere beginnt Berghoff mit einem Studium an der Hamburger Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, das sie 1967 abschließt. Danach geht sie zum Südwestfunk nach Baden-Baden, wo sie Moderatorin und Radiosprecherin wird. Hin und wieder arbeitet sie zudem als Bühnen- oder Fernsehschauspielerin. Auch in späteren Jahren moderiert sie nebenbei auch Fernsehgalas und Musiksendungen.

1976 kehrt Berghoff in die Hansestadt zurück und arbeitet beim NDR-Hörfunk, als sie "Tagesschau"-Chefsprecher Köpcke aufgrund ihrer Stimme auffällt. Trotz seiner Bedenken hinsichtlich ihrer emotionalen Stabilität engagiert er sie. Es ist der Beginn einer Ära in der Nachrichtenbranche - inklusive einer der wohl bekanntesten lustigen Pannen der deutschen Fernsehgeschichte: Am 2. April 1988 spricht Berghoff in einer Meldung über Tennisstar Boris Becker versehentlich von einem "WC-Turnier", muss lachen und kann die Sendung nur mühsam beenden. Das Publikum freut sich über den menschlichen Moment in der stets korrekten "Tagesschau". Ganz wohl ist der für ihre Zuverlässigkeit bekannten Sprecherin dabei aber auch im Rückblick nicht, wie sie vor kurzem erzählt: "Stellen Sie sich vor, es wäre eine ernste Nachricht gewesen, das wäre schrecklich gewesen."