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Mordfall Anja Niedringhaus: Bundesregierung gegen Todesurteil für afghanischen Polizisten

Die Bundesregierung will im Fall der in Ostafghanistan ermordeten deutschen Fotografin Anja Niedringhaus verhindern, dass die lokale Justiz eine Todesstrafe verhängt.

Berlin - Bereits bei der erstinstanzlichen Verhandlung gegen einen afghanischen Polizisten, der die preisgekrönte Reporterin der Nachrichtenagentur Associated Press am 4. April erschossen und ihre Kollegin Kathy Gannon schwer verletzt haben soll, drängte ein anwesender Diplomat darauf, dass eine mögliche Todesstrafe in eine lange Gefängnisstrafe umgewandelt wird.

Die Bundesrepublik engagiert sich grundsätzlich gegen Todesurteile, das gilt vor allem in diesem symbolischen Fall mit einem deutschen Opfer, meldet "Der Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe.

Am vergangenen Dienstag hatte ein Kabuler Gericht in nichtöffentlicher Sitzung rund zwei Stunden über den Fall des 23-jährigen Polizisten Naqibullah verhandelt und ihn dann zum Tode verurteilt. Die Strafe muss noch durch ein über geordnetes Gericht bestätigt und vom Präsidenten genehmigt werden.

Die Motive des Mannes sind weiter unklar. Nach der Tat hatte der Polizist aus einer finanziell soliden Familie in der Provinz Parwan von einem Racheakt an den beiden westlichen Frauen gesprochen, da ein Bombardement der Isaf-Truppen im Januar 2014 in seinem Dorf viele zivile Opfer gefordert habe.

Später berichtete der Polizist, der 2012 in die Afghan National Police eintrat und von US-Mentoren in Masar-i-Scharif in einem Schnellkurs ausgebildet worden war, von einer psychischen Störung. Er beschrieb eine Art epileptischen Anfall, dies wird von deutschen Ermittlern allerdings als Schutzbehauptung gewertet.

Bei umfangreichen Recherchen, die eine Überprüfung aller Telefonanrufe des Polizisten vor der Tat einschlossen, wurden nach der Tat zwar Hinweise auf eine antiwestliche Haltung des Mannes gefunden, deretwegen er nach der Ausbildung in die Provinz versetzt worden war; Indizien für eine Indoktrinierung durch die Taliban aber gibt es nicht.

Die Deutsche Botschaft in Kabul soll das weitere Verfahren nun genau beobachten. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil, das erst in einigen Monaten erwartet wird, führt der Generalbundesanwalt in Karlsruhe weiter ein Ermittlungsverfahren gegen den afghanischen Polizisten.

Die 1965 im westfälischen Höxter geborene Fotografin Anja Niedringhaus wurde mit ihren Bildern aus fernen Kriegs- und Krisengebieten berühmt. Für die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtete die Pulitzer-Preisträgerin seit 2002 aus Nahost, Libyen, Irak, Afghanistan und Pakistan. Sie hatte bereits als Studentin freiberuflich gearbeitet. Ihre Bilder vom Mauerfall in Berlin brachten ihr 1990 eine Beschäftigung bei der European Press Photo Agency (EPA) in Frankfurt ein. (B.Ü.)