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Neuer Herausgeber Jürgen Kaube fordert: „Online darf FAZ nicht ökonomisch schaden“

Der „Focus“ war es, der am 1. September zuerst Jürgen Kaube, 52, als Top-Kandidaten für die Nachfolge von Frank Schirrmacher ins Spiel brachte. Die Kollegen aus München sollten Recht behalten. Von Bülend Ürük.

München - Und jetzt sind es auch die Nachrichtenmacher rund um Chefredakteur Ulrich Reitz, die in ihrer am Montag erscheinenden Ausgabe eines der ersten Interviews mit Jürgen Kaube veröffentlichen, der zum 1. Januar das Herausgeber-Gremium der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ergänzen wird.

Jürgen Kaube wird dann mit Werner D’Inka, Berthold Kohler und Holger Steltzner die wichtigste konservativ-liberale Tageszeitung Deutschlands führen, die als stiftungsgeführtes Blatt ihren Platz in einer Mediengesellschaft sucht, in der Leser zwar mehr lesen, aber für klassische Medien weniger ausgeben möchten.

 


Klartext im "Focus" (Bild: Ausriss aus aktueller Ausgabe): Jürgen Kaube, ab Anfang 2015 Mit-Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

 

 

Im Gespräch mit „Focus“-Literaturchef Uwe Wittstock sagt Jürgen Kaube, dass er nicht an eine "Abenddämmerung des traditionellen Zeitungsjournalismus" glaubt: „Sicher, ich kenne die Statistiken, die besagen, wie gering der Stellenwert von Zeitungen heute bei, sagen wir, den 15-Jährigen ist. Aber ich habe mit 15 auch noch nicht die „FAZ“ gelesen.“

Kaube setzt dagegen auf die Akademisierung der Gesellschaft: „Die Zahl der Studierenden und Akademiker steigt derzeit immens. Ich kennen keinen Grund, weshalb diese gut Ausgebildeten nicht für eine gute Zeitungen gewonnen werden könnten. Pessimismus ist Zeitverschwendung.“

Der Diplom-Volkswirt und Bestseller-Buchautor („Max Weber - Ein Leben zwischen den Epochen“) hat schon Pläne, wie er gegen den Auflagenverlust der „FAZ“ vorgehen möchte: „Wir müssen versuchen, die Zeitung immer besser zu machen. Indem wir zum Beispiel neue Beilagen entwicklen, die neuen, frischen Themen gewidmet sind und neue Leser erreichen. Das kann Literatur sein, Wissenschaft, Mode oder Stil.“

Interessant sind Kaubes Aussagen zum Umgang mit dem Internet: „Darüber hinaus kann man natürlich - was ein sehr kompliziertes Thema ist - im Bereich des Internets entweder zusätzlich Leser für die Zeitung gewinnen oder aber ökonomisch erfolgreich sein. Zumindest sollte man sich auf jeden Fall mit den Aktivitäten im Internet nicht selbst ökonomisch schaden.“

Kaubes Gespräche mit „FAZ.net“-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, der den Herausgebern der „FAZ“ wie jeder andere Ressortleiter untersteht, dürften da mit großem Interesse verfolgt werden. Wie eine „FAZ“-Sprecherin gegenüber Newsroom.de erklärte, hat Müller von Blumencron der „Neuen Zürcher Zeitung“ schließlich einen Korb gegeben und geht nicht als Publizistischer Leiter nach Zürich.

 

Was Online-Publishing angeht, klingt das nach einem Gluecksfall. Fuer die Konkurrenz. http://t.co/NHvHQiiepm

— Wolfgang Blau (@wblau) 15. Dezember 2014

Jürgen Kaube: Zur Person

Seit 1992 arbeitet Kaube für das "FAZ"-Feuilleton, seit 1999 ist er festes Redaktionsmitglied. Die Wissenschaften sind sein Metier mit der Seite "Forschung und Lehre", dem Ressort Geisteswissenschaften und neuen Sachbüchern. Seit 2012 ist er stellvertretender Feuilletonchef. Das Newsroom.de-Schwesterblatt “Medium Magazin" wählte ihn zum Journalist des Jahres 2012 im Bereich Wissenschaft.

Jürgen Kaube studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte und verlegte sich dann auf Wirtschaftswissenschaften - "als romantische Ergänzung", wie Kaube auf der "FAZ"-Homepage ironisch über sich selbst schreibt. Als Volkswirt entdeckte er die Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann, die ihn bis heute beschäftigt und fasziniert.

„FAZ“: Stellenstreichungen

Die Lage des Blattes bleibt unterdessen schwierig. Die "FAZ" (verkaufte Auflage: 305.747 Exemplare, laut IVW 3/2014) schreibt rote Zahlen - und muss sparen. Bis zu 200 Stellen sollen in den nächsten Jahren wegfallen, davon bis zu 40 in der Redaktion. Das Unternehmen will bis 2017 jährlich mehr als 20 Millionen Euro einsparen.

Die FAZ GmbH beschäftigt nach eigenen Angaben 900 Mitarbeiter, darunter fast 400 fest angestellte Redakteure bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" und dem Online-Portal faz.net.

Im Mai hatte der Verlag einen Millionenverlust gemeldet: Im operativen Geschäft fuhr er nach eigenen Angaben 2013 ein Minus im "mittleren einstelligen Millionenbereich" ein. Die Folge: "Wir müssen unsere Strukturkosten der veränderten Erlössituation anpassen", sagte Thomas Lindner, Vorsitzender der "FAZ"-Geschäftsführung, nach einer Mitarbeiterversammlung im Herbst.

Die Erstausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschien bereits am 1. November 1949. Die Redaktion sieht sich als direkte Nachfolgerin der "Frankfurter Zeitung". Die "FAZ" gehört zu 93,7 Prozent der FAZIT-Stiftung. 

Bülend Ürük

 

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