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„Nur ein Job? Nein, wirklich nicht“: Der emotionale Abschied von Julia Jäkel bei G+J

„Nur ein Job? Nein, wirklich nicht“: Der emotionale Abschied von Julia Jäkel bei G+J Julia Jäkel

Normalerweise gehen Medienmanager mit kühlen, sachlichen Statements. Im Fall von Julia Jäkel ist das ganz anders. Wie emotional die G+J-Chefin sich von ihren Mitarbeitern verabschiedet – und wie Medienprofis ihren Schritt kommentieren.

Gütersloh – „Man nennt das wohl Lebensentscheidung … Nach fast 10 Jahren an der Spitze verlasse ich Gruner + Jahr GmbH – auf eigenen Wunsch, in großer Freundschaft“, hat Julia Jäkel an diesem Mittwoch auf LinkedIn geposted, wo sie sich häufig mit wichtigen Themen an die Medien-Community richtet. Diesmal schreibt Jäkel in eigener Sache.

 

Sie sei fast 25 Jahre dabei und werde 50. Das vergangene Jahr habe auch bei ihr Gedanken darüber ausgelöst, was das Leben noch mit einem anstellen könne. Diesen möchte sie nun mehr Raum geben. Deshalb hat Jäkel nach eigener Aussage darum gebeten, ihren laufenden CEO-Vertrag beenden zu dürfen.

Sie sei dankbar für eine einmalige Lebenszeit mit herausragenden Kolleginnen und Kollegen.„ Stolz, was wir als Team in herausfordernden Zeiten erreicht haben“, schreibt Jäkel auf LinkedIn. Sie dankt über das Business-Netzwerk allen Mitstreitern, Wettbewerbern, Partnern und allen, die sie kritisch begleitet hätten und so auch Teil des Erfolges seien. „I will keep you posted“, verspricht Jäkel.

 

Zugleich hat die Medienmanagerin einen sehr emotionalen und persönlichen Brief an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Gruner + Jahr verfasst:

„Der Abschied von G+J und von Euch allen fällt mir schwer und leicht zugleich. Leicht, weil ich so stolz bin auf das, was wir gemeinsam in den vergangenen Jahren geschafft haben. Leicht auch, weil ich dankbar und glücklich bin, dass ich die Verantwortung in die Hände von Stephan und Oliver legen darf. Wir sind Freunde, ich weiß sicher, dass sie es mit G+J und Euch genauso gut meinen wie ich und dass sie ihr Handwerk verstehen. Ihr wisst das selber, denn Ihr kennt sie auch schon lange und gut. Einen besseren Übergang kann ich mir nicht wünschen.

Es fällt mir aber auch enorm schwer. Ihr, das ganze Haus, die Marken und die Menschen, seid ein Teil von mir geworden. Das wusste ich immer, aber spüre es jetzt beim Abschied besonders: weit über die professionelle Distanz hinaus. Ist doch nur ein Job? Nein, wirklich nicht! Die Nähe und das Miteinander bei G+J, die Neugier für Themen unserer Gesellschaft, das gemeinsame Streiten auf hohem Niveau, all das ist einmalig. Wie reich waren deshalb meine letzten 25 Jahre mit Euch! Dafür will ich Danke sagen.“

 

Sie sei stolz darauf, dass sie Gruner + Jahr in anspruchsvollen Zeiten als CEO führen durfte: „Den großen Verlag, mit dem die Menschen in Deutschland besten Journalismus verbinden. Unsere Marken sind Elemente der deutschen Kultur. G+J spiegelt nicht nur seit mehr als 50 Jahren die Gesellschaft, es prägt sie mit.“ 

 

Jäkel dankt in dem Brief „von Herzen unserem Gesellschafter Bertelsmann, der uns in der Veränderung stets unterstützt“. Ein „besonders herzlicher Dank“ geht an Thomas Rabe, der ihr von Tag eins an größtes Vertrauen entgegengebracht habe, betont Jäkel. „Er hat mir 2019 die Verantwortung für die Bertelsmann Content Alliance übertragen, in der wir gemeinsam mit meinen CEO-Kollegen die Arbeit der UFA, BMG, PenguinRandomHouse und Mediengruppe RTL koordinieren. Das war mir wirklich eine besondere Freude und Ehre zugleich.“

 

Zum Schluss ihres Schreibens wendet sich Jäkel wieder ihrem Team zu: „Ich bedanke mich aber zuallererst bei Euch. Ihr seid G+J. Mit Eurer Stärke, Eurem Miteinander, Eurem Witz, Eurer Solidarität und Menschlichkeit, auch mit Eurem Angriffsgeist“ – und beschreibt ihre Auffassung von Journalismus:

“Ich habe bewusst nie das Bild von der vierten Gewalt verwendet, wenn ich von unserem Journalismus gesprochen habe – denn wir sind nicht gewählt und haben im engeren staatlichen Sinne auch keine Verantwortung für das Gemeinwesen. Aber unsere Aufgabe ist es, einen kritischen Diskurs in zivilisierter Form möglich zu machen. Wir dürfen das Feld nicht den Plattformen oder den Schreihälsen überlassen. Auch dafür lohnt es, sich jeden Tag zu mühen.“

 

In der Medienbranche löst die Bekanntgabe des Jäkel-Abschieds bei Gruner + Jahr viele Reaktionen aus:

„Die Mutter aller Zeitschriften geht", schreibt die „Süddeutsche Zeitung“.

 

„Sie hat nicht nur den Verlag geprägt, sondern spielt in der deutschen Medienlandschaft eine herausragende Rolle“, kommentiert die „FAZ“.

 

Moritz Foerster von TechFounders auf LinkedIn: „Wow, das war wohl die schönste und inspirierendste Abschiedsrede, die ich gesehen habe – viel Erfolg auf dem Weg den richtigen Raum für Ihr Leben zu finden.“

 

Für Christian Miele, e.ventures, braucht es weibliche VCs, ambitionierte Gründerinnen und starke Politikerinnen im Land. All diese Rollen würden Jäkel sehr gut stehen.

 

Berater Hartmut Müller-Gerbes schwärmt: „Liebe Julia Jaekel, ein Brief zum Einrahmen und immer wieder Lesen. Dazu eine Bilanz eines Jahrzehnts, das für G + J ein erfolgreiches durch Transformation war. Da kommt hoffentlich bei vielen CEO Neid auf und der Wunsch, es Ihnen gleich zu tun und zu gehen, nachdem man das geführte Unternehmen erfolgreich gemacht hat. Durch Werte, Haltung und nicht durchs Erbsen zählen. Schön zu wissen, dass es diese Geschichten gibt!“

 

Bei ProQuote Medien heißt es auf Twitter: „Bertelsmann Boy Band – zumindest zum jetzigen Stand – fast ohne Frauen in deutschen Führungspositionen agiert. In das Bild fällt auch die Trennung von Tanit Koch Ende vergangenen Jahres, was Julia Reuter – Geschäftsführerin Strategie, Personal & Kultur bei der Mediengruppe RTL Deutschland – zur einzig verbliebenen Frau in höheren Ämtern bei Bertelsmann und seinen deutschen Medienhäusern macht.“

 

„Wieder eine FRAU weniger in der Führungsetage im Hause bertelsMANN - sehr schade“, kritisiert auch Frank Behrendt.

 

Thomas Lückerath meint bei DWDL: „Jäkel mache den Weg frei für eine Fusion von G+J und der Mediengruppe RTL Deutschland und das schnell.“

 

Ralf-Dieter Brunowsky, BrunoMedia, weiß: „Rechtzeitig zu gehen, bevor die große Premium-Marke Gruner+Jahr in die Billigkultur von RTL eingeschmolzen wird, zeugt von Größe. Der plötzliche Abgang überrascht doch trotz aller Liebeserklärungen zum Abschied. In jedem Fall: Alles Gute!“