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Onlinemagazin in Trier: 40 Stunden Arbeit pro Woche, aber davon leben kann man nicht

Sind eigene lokale Onlinemagazine die Lösung gegen die Krise bei Tageszeitungen? Wer entlassen wird, soll sich doch selbständig machen, lautet das Mantra von einigen Beratern. Dass damit alleine aber keine Familie unterhalten werden kann, beweist die finanzielle Situation beim journalistisch anspruchsvollen Lokalmagazin 16vor aus Trier.

Trier – „Trotz locker 30 bis 40 und oft auch mehr Stunden, die Christian Jöricke und ich jeweils wöchentlich in 16vor investieren, fällt für uns eigentlich nie ein vierstelliger Betrag ab“, sagt Marcus Stölb, einer der Macher des Trierer Online-Stadtmagazins 16vor.


Im Gespräch mit Newsroom.de verrät der Journalist, ausgebildet an der Deutschen Journalistenschule, warum er an seinem Magazin, das er im März 2007 gemeinsam mit Christian Jöricke gegründet hat, festhält.

Newsroom.de: Herr Stölb, Sie sind einer der Macher des Trierer Online-Magazins 16vor. Was verbirgt sich hinter dem Angebot?

 

Marcus Stölb.

 

Marcus Stölb: Im Kern geht es uns darum, auf lokaler Ebene ein qualitätsjournalistisches Angebot zu bieten und in Trier für eine Medienvielfalt zu sorgen, die es zuvor nicht gab, als eine Zeitung quasi den Informations- und Meinungsmarkt beherrschte. Unser Magazin konzentriert sich ausschließlich auf das Trierer Stadtgeschehen, deckt hier aber alle wesentlichen Ressorts ab – von der Politik über Kultur und Sport bis zu den Hochschulen. Natürlich greifen wir deutlich weniger Themen auf als die Lokalzeitung, aber wir haben den Anspruch, mit unseren Geschichten mehr in die Tiefe zu gehen und bei der Schreibe besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. 

Newsroom.de: Was macht guten Online-Lokaljournalismus aus?

Marcus Stölb: Das, was guten Journalismus immer ausmachen sollte: ein fundiertes Urteilsvermögen, der kritische Blick – auch wenn Kritik nicht zum Selbstzweck werden darf; eine stilsichere Schreibe und ein Gespür für Themen und den Blick hinter die Kulissen. Was bei uns hinzukommt: Auch wenn wir online berichten, geht bei uns Substanz vor Schnelligkeit. Natürlich haben auch wir den Ehrgeiz, die ersten zu sein, aber entscheidend für uns ist, dass die Leser wissen – auch wenn ein Artikel auf 16vor später erscheint als beispielsweise bei der Lokalzeitung, lohnt es sich in jedem Fall, diesen zu lesen, weil man Neues oder schlicht mehr erfährt.

Newsroom.de: Wie viele Mitstreiter arbeiten für 16 vor?

Marcus Stölb: Die Federführung liegt bei Christian Jöricke und mir. Gemeinsam haben wir 16vor im März 2007 gestartet, und anders als bei anderen namhaften Medien hat sich bei uns die Doppelspitze als Glücksfall herausgestellt – einfach weil es immer gut und wichtig ist, sich bei bestimmten Themen und Fragen abzustimmen. Eines ist allerdings auch klar: Ohne unseren festen Stamm von sechs bis acht freien Mitarbeitern könnten wir dieses Angebot nicht stemmen.

Newsroom.de: Und wie ist die Resonanz bei der Leserschaft?

Marcus Stölb: Die war von Beginn an sehr positiv, viele waren und sind offenbar froh, dass es eine Alternative zur einstigen Monopolzeitung gibt; und dass wir mit einem gewissen Anspruch bei der Sache sind, kommt auch an. Natürlich gab und gibt es auch Kritik, etwa als wir 2011 die Klarnamenpflicht bei Kommentaren einführten. Da mussten wir durch einen regelrechten „Shitstorm“ hindurch.

Newsroom.de: Können Sie damit eigentlich den Betrieb finanzieren? Akzeptieren die Werbetreibenden vor Ort Ihr Angebot?

Marcus Stölb: Wir haben einige treue Werbekunden, aber es ist kein leichtes Geschäft. Das ist denn auch die andere Seite der Medaille - dass 16vor auch nach sechs Jahren ein Projekt ist, das eine gewisse Selbstausbeutung seiner Macher voraussetzt. Sowohl Christian Jöricke als auch ich sind noch für verschiedene weitere Auftraggeber unterwegs, um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren – und das, obwohl 16vor längst für jeden von uns ein Fulltime-Job ist. Was das Werbegeschäft anbelangt, sehe ich auf jeden Fall noch Luft nach oben. Aber um eines auch klar zu sagen: Wir haben uns das ausgesucht und der Selbstausbeutung steht auch enormer Spaß gegenüber, ein solches Projekt gemeinsam auf die Beine gestellt zu haben.

Newsroom.de: Nennen Sie doch bitte ein paar Zahlen!

Marcus Stölb: Trotz locker 30 bis 40 und oft auch mehr Stunden, die Christian Jöricke und ich jeweils wöchentlich in 16vor investieren, fällt für uns eigentlich nie ein vierstelliger Betrag ab. So gesehen ist das eigentlich Wahnsinn.

Newsroom.de: Sie haben doch auch einen Förderverein gegründet. Selbst über diese Ansprache gibt es keine nennenswerten Einnahmen?

Marcus Stölb: Das kann man so nicht sagen, unser Förderverein 16vorliebe ist schon auch bedeutend für unsere Finanzierung, und diese Bedeutung wird wachsen, da bin ich ziemlich sicher. Das hängt auch damit zusammen, dass wir einen neuen Vorstand mit einem sehr guten Mann an der Spitze haben. Da gibt es noch einiges zu holen, und ein Ziel ist, die Gemeinnützigkeit für den Verein zu erreichen. Das würde uns enorm helfen.

 

Zur Person: Marcus Stölb, geboren 1974 in Trier, Studium Politik und Öffentliches Recht in Trier und Bordeaux, Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule, Praktika unter anderem im Berliner Büro von Spiegel Online sowie bei der Badischen Zeitung in Freiburg. Nach Redakteurstätigkeit bei einer luxemburgischen Tageszeitung gemeinsam mit Christian Jöricke im März 2007 das Trierer Online-Stadtmagazin 16vor gegründet. Zudem Inhaber des Redaktionsbüros Texternes und als solcher für verschiedene Auftraggeber in Deutschland und Luxemburg tätig.

 

Newsroom.de: Das heißt doch eigentlich, lokaler Onlinejournalismus lohnt sich nicht? Dabei rufen einige Berater doch Journalisten gerade dazu auf, eigene lokale Online-Projekte zu starten!

Marcus Stölb: Ich glaube nach wie vor, dass Angebote wie unseres eine Zukunft haben. Schauen Sie, wir haben jeden Monat mehr als 150.000 Seitenaufrufe und erreichen mit unserer Berichterstattung täglich bis zu 3000 Menschen, darunter viele so genannte Multiplikatoren und Entscheider. Das ist ein interessantes Umfeld für Werbetreibende, von daher sehe ich da noch Potenzial.

Newsroom.de: Was müsste sich ändern, damit Angebote wie 16vor sich tatsächlich finanzieren können?

Marcus Stölb: Es müssten mehr lokale Unternehmen die vielfältigen Vorzüge von Online-Werbung erkennen und beispielsweise verstärkt Formate wie „Unsere Partner“ nutzen. Hier verzeichnen wir eine immer stärkere Nachfrage. Aber auch die regelmäßigen Leser solcher Angebote sind gefragt und können als Fördermitglied oder Spender deutlich machen – es ist mir etwas Wert, dass es in unserer Stadt nicht nur eine Zeitung gibt.

Newsroom.de: Und was machen Sie, wenn sich die nächsten Monate die Werbeeinnahmen nicht steigern lassen?

Marcus Stölb: Sollte dem wirklich so sein, wovon ich im Moment nicht ausgehe und was ich vor allem nicht hoffe, dann käme der Punkt, an dem man sagen müsste: Es waren tolle Jahre, nie zuvor hatte ich mehr Erfüllung und Spaß in meinem Job, aber jetzt ist auch mal gut mit der Selbstausbeutung.

Mit Marcus Stölb vom Onlinemagazin 16vor sprach Newsroom.de-Chefredakteur Bülend Ürük.

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